Portfolio - Interview mit Jürgen Rauhaus, Pioneer Investments

Chef-Investor rät zu Qualitätsaktien

Anleger sollen sich 2010 "defensiver ausrichten" - Geldpolitik als beherrschendes Thema - Wachstumsimpulse aus Schwellenländern

Chef-Investor rät zu Qualitätsaktien

2010 wird das Jahr der Stockpicker, meint Jürgen Rauhaus, beim Vermögensverwalter Pioneer Investments verantwortlich für den Bereich Investments. Im Interview der Börsen-Zeitung rät er Anlegern dazu, Korrekturphasen für Aktienkäufe zu nutzen, weil Aktien auch in diesem Jahr mangels Alternativen die besten Ertragschancen böten. Attraktiv seien vor allem die Papiere von Unternehmen mit solider Bilanz, hoher Dividendenrendite und Anbindung an die Schwellenländer. Hochverschuldete Unternehmen würde er stattdessen meiden.- Herr Rauhaus, Pioneer Investments ist mit einer neutralen Gewichtung von Aktien ins neue Jahr gestartet. Ist die Phase starker Kursgewinne vorüber?Die durch die Stützungsmaßnahmen der Regierungen und Zentralbanken eingeleitete Erholung der zurückliegenden Monate ähnelt im Muster früheren Aufschwüngen, auch diesmal wurde sie von Finanztiteln und zyklischen Werten angeführt. Dieser Impuls hat aber mittlerweile an Bedeutung verloren. Wir erwarten jetzt eine Konsolidierungsphase, daher die neutrale Gewichtung.- Mit welchen Argumenten begründen Sie Ihre Zurückhaltung?Die Stützungsmaßnahmen haben zwar zu einer deutlichen Verbesserung der konjunkturellen Einschätzung geführt. Unklar ist aber, wie die Märkte auf eine allmähliche Rückführung der staatlichen Unterstützung reagieren werden. Die Spekulationen über Ausmaß und Zeitraum dieser Anpassungen können zu steigender Volatilität und kurzfristigen Rückschlägen führen.- Wie sollten Anleger auf dieses angespannte Umfeld mit eher niedrigen Wachstumsperspektiven in den Industrieländern reagieren?Investoren sollten sich nach der starken Aufwärtsbewegung seit März 2009 etwas defensiver ausrichten. Unternehmen mit solider Bilanzstruktur und attraktiven Dividendenrenditen bieten für 2010 sicherlich Chancen und sollten auch volatile Phasen gut überstehen. Daneben macht es durchaus Sinn, in Unternehmen zu investieren, die vom starken Wachstum der Emerging Markets profitieren.- Sie sagen, 2010 wird das Jahr der Stockpicker. Welche Werte sind denn erste Wahl?Attraktiv bewertete Qualitätsunternehmen mit gut abgesicherter Dividendenrendite. Dazu gibt es eine Reihe von Substanzaktien, die einen großen Teil ihrer Umsätze und Gewinne in den Schwellenländern generieren, in denen weiterhin mit den größten Wachstumsraten zu rechnen ist.- Worauf sollten Anleger besonders achten?Aktien mit guten Bewertungskennziffern sind zu bevorzugen. Hochverschuldete Unternehmen würden wir eher meiden.- Blicken wir mal in die USA: Wie können europäische Aktieninvestoren Nutzen aus der Schwäche des Dollar ziehen?Die derzeitige Dollarschwäche begünstigt Konzerne, die international und damit auch im Dollarraum produzieren. Ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessert sich umso mehr, je schwächer der US-Dollar ist. Der starke Euro erhöht die Attraktivität des Euroraums für internationale Investoren. Davon profitieren auch die lokalen Märkte.- Besteht das Risiko, dass der Trend zuungunsten der US-Devise im Jahresverlauf dreht?Die Normalisierung der Geldpolitik wird das marktbeherrschende Thema bleiben. Um erneute Unruhe an den Märkten zu vermeiden, werden Fed und EZB in ähnlicher Art und Weise agieren. Für Euro-Dollar rechnen wir daher zunächst mit einer Seitwärtsbewegung. Sollte sich die positive fundamentale Entwicklung in den USA weiter fortsetzen, besteht aber das Risiko, dass die Fed schneller und konkreter handeln wird als die EZB. Die daraufhin einsetzende Veränderung der Zinsdifferenziale sollte den US-Dollar unterstützen.- Was würde eine Erholung des Dollar für Aktieninvestments in Europa bedeuten?Eine Dollarerholung würde die Wettbewerbsfähigkeit von exportorientierten Unternehmen verbessern. Solange die Währungsschwankungen nicht erratisch erfolgen, werden die Auswirkungen auf den Aktienmarkt kurzfristig aber begrenzt bleiben.- Werden europäische Unternehmen stärker von der Stabilisierung der Weltwirtschaft profitieren als amerikanische?Grundsätzlich ist die europäische Wirtschaft wesentlich exportorientierter als die amerikanische und sollte daher von einem global getragenen Aufschwung stärker profitieren. Es macht aber trotzdem Sinn, einzelne Unternehmen zu analysieren, denn es gibt auf beiden Seiten des Atlantiks attraktive Firmen, die global hervorragend aufgestellt sind.- In welchen Sektoren besteht denn überhaupt die Chance, dass die Umsätze aufgrund einer anziehenden Nachfrage steigen?Starke Wachstumsimpulse sind am ehesten von den Schwellenländern zu erwarten. Rohstoffaktien, Infrastrukturunternehmen und Konsumgüterhersteller mit Umsatzanteilen in Emerging Markets haben beste Chancen auf stark steigende Umsätze.- Gibt es auf der anderen Seite Branchen, die besonders zu leiden haben, wenn die staatlichen Hilfsprogramme auslaufen?Wir würden zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Bedeutung der Konjunkturprogramme nicht überschätzen. Dennoch sollte man einzelne Bauwerte und den Automobilbereich vor diesem Hintergrund etwas genauer beobachten.- Allerorten ist zu hören, dass die Volatilität im neuen Jahr steigen wird. Besteht die Gefahr einer starken Korrektur an den Aktienmärkten?Wir gehen nicht von einer dauerhaft hohen Volatilität aus. Dennoch kann es aufgrund der noch fragilen konjunkturellen Situation und des starken Engagements von Notenbanken und Fiskalpolitik immer wieder zu temporären Verwerfungen kommen. Eine große Korrektur in Richtung der Tiefstände des März 2009 sehen wir aber nicht.- Welche Faktoren könnten diese Korrektur auslösen?Nach einem solch fulminanten Kursanstieg ist der Anreiz gestiegen, in einem etwas unsichereren Umfeld auch Gewinne mitzunehmen, die in den vergangenen zwölf Monaten angewachsen sind. Auch eine steigende Verunsicherung in Bezug auf Zinsänderungen oder die Finanzierbarkeit der Staatsschulden in einigen Ländern könnte die Anleger zu Gewinnmitnahmen ermuntern.- Wie sollten sich Anleger dagegen absichern?Diversifikationseffekte sollten wieder verstärkt genutzt werden. Auch eine flexible Asset Allocation erhöht die Sicherheit.- Bieten Large Caps ebenfalls mehr Sicherheit?Large Caps sind in der Breite günstiger bewertet und haben gegenüber Small Caps sicherlich Nachholpotenzial. Die Outperformance der kleineren Werte sollte sich dem Ende nähern. Aber auch hier gilt: Entscheidend ist die Analyse der individuellen Unternehmen, um in beiden Segmenten die Chancen zu nutzen.- Wann dürfte denn der günstigste Zeitpunkt für ein neues Engagement am Aktienmarkt sein?Im Unterschied zu 2008 sollten Investoren Korrekturen für gezielte Käufe nutzen, da der Aktienmarkt besonders mittelfristig mangels Alternativen die besten Ertragschancen bietet.- Und was sollen Anleger machen, die schon seit längerem investiert sind?Auf jeden Fall grundsätzlich investiert bleiben und Marktschwankungen für Zukäufe von qualitativ hochwertigen Unternehmen nutzen.—-Die Fragen stellte Thorsten Kramer.