Comeback der Nebenwerte erwartet
In Zeiten großer Unsicherheit und nervöser Märkte suchen Anleger üblicherweise sichere Anlagen. Bei Aktieninvestments sind das die Blue Chips, die aufgrund ihrer Größe Sicherheit suggerieren. Unter dieser Flucht der Anleger litten zuletzt viele Nebenwerte sehr stark. Das vergangene Jahr war für sie daher sehr schwierig. Für 2012 erwarten Fondsmanager wieder mehr Risikofreude bei den Anlegern und eine gute Performance der Nebenwerte.la Frankfurt – Für Kevin Barker, Head of Equity Capability Management bei UBS Global Asset Management, gibt es im Nebenwertemarkt derzeit günstige Einstiegschancen. Vor allem Nebenwerte aus Europa und Asien böten Anlegern im aktuellen Marktumfeld attraktive Möglichkeiten. “Europäische und asiatische Nebenwerte sind gegenüber US-Nebenwerten günstiger bewertet”, lässt sich Barker in einer Ausarbeitung zitieren. Trotz der kurzfristigen Marktschwäche sollte nicht aus dem Blick geraten, dass Nebenwerte langfristig eine höhere Performance erzielen könnten als Standardwerte. Obwohl Nebenwerte zyklischer seien und im vergangenen Jahr vor allem in den USA und in Europa mit fallenden Kursen zu kämpfen hatten, entwickelten sie sich langfristig besser als Standardwerte, so Barker weiter.Dies belegt die Entwicklung europäischer Aktienindizes. Seit September 2008, also seit Ausbruch der Finanzkrise, bis Mitte März 2012 hätten die europäischen Nebenwerte die Large Caps substanziell geschlagen, meint Pierre Puybasset, Sprecher des gesamten Fondsmanagements der französischen Fondsboutique Financière de l’Echiquier, der selbst sechs Jahre den Nebenwertefonds “Echiquier Agenor” managte. Der Euro Stoxx 50 hat in dieser Zeit 14 % verloren, während der Euro Stoxx Small um 7,9 % gestiegen ist. Dazu beigetragen hat Puybasset zufolge, dass die Indizes der großen Werte mehr Finanz- und Energieversorgertitel umfassen, die von der Finanzkrise erheblich betroffen waren.Nur auf 2011 bezogen war die Situation aber umgekehrt, das heißt, die Indizes der Large Caps waren stabiler und performten besser als die der Nebenwerte. Dies hat sich nach den Worten Puybassets dieses Jahres aber schon wieder gedreht: Bis Mitte März hat der Euro Stoxx Small mit 14,9 % den Euro Stoxx 50, der 12,6 % zulegte, geschlagen. Er glaubt, dass dieser Trend in den kommenden Monaten anhalten wird, unterstützt vom gewachsenen Appetit der Anleger. Auch ist er der Meinung, dass die Unsicherheit an den Märkten nachgelassen habe – dazu habe die Liquiditätsbereitstellung der EZB für den Bankensektor beigetragen, außerdem seien die Erwartungen einer schweren Rezession nicht eingetreten. Großes AnlageuniversumEin großer Vorteil des Nebenwertemarktes ist das im Vergleich zum Markt der Standardwerte wesentlich größere Anlageuniversum. “Gutes eigenes Research und ein vielfältiges Anlageuniversum bieten aktiven Managern sehr gute Investmentbedingungen”, betont Barker. Die Auswahl an Unternehmen in den unterschiedlichsten Sektoren sei sehr groß, so Puybasset. Einige der Unternehmen hätten in ihren Sektoren Führungspositionen erlangt. Viele der Firmen hätten ihre Verschuldung in den vergangenen vier Jahren heruntergefahren und würden von erfahrenen Teams geführt.Ein weiterer Pluspunkt für den Nebenwertemarkt ist für Barker, dass er vergleichsweise ineffizient sei und daher vor allem aktiven Fondsmanagern gute Chancen biete. “Die Beobachtung kleiner, vergleichsweise illiquider Werte ist für viele Investmentbanken zu unwirtschaftlich, sie konzentrieren sich lieber auf Large Caps”, sagt Barker. Das verschaffe Asset Managern mit starkem Research gute Möglichkeiten, weil sie bislang unentdeckte Investmentchancen identifizieren könnten. Sie könnten mit Nebenwerten sogenanntes “Alpha”, also Rendite, die nicht auf die Marktentwicklung, sondern auf die Aktienauswahl zurückzuführen ist, generieren.Die Risiken der Nebenwerte wiederum liegen in ihrer höheren Volatilität. Zudem sind sie weniger liquide und tendenziell zyklischer. Um diese Risiken gut steuern zu können, hat die Einzeltitelanalyse im Nebenwertesegment Barker zufolge große Bedeutung. Auch Puybasset erklärt, die Investmentstrategie seines Hauses basiere nicht auf einer Länder-, sondern auf Einzeltitelauswahl. Zu den Branchen, bei denen Financière de l’Echiquier aktuell gute Perspektiven erwartet, gehören angesichts der Auftragslage von Airbus und Boeing z. B. die Zulieferbetriebe für die Luftfahrtindustrie. Hier führt Puybasset u. a. die im MDax notierte MTU auf. Daneben wird auf den Medizinsektor gesetzt, allerdings nicht unbedingt im Bereich Pharma, in dem eher Large Caps zu finden sind, und auch nicht im oft nur schwer verständlichen Biotechsektor, sondern vielmehr in der Medizintechnikbranche bzw. deren Zulieferer wie Sartorius, die Labor- und Prozesstechnologien entwickelt, oder wie der Glas- und Kunststoffspezialist Gerresheimer. Angesichts der fortschreitenden Digitalisierung haben die Franzosen auch Firmen, die auf das Internet setzen, im Visier, beispielsweise den norwegischen Medienkonzern Schibsted oder in Deutschland die Ticketbörse CTS Eventim. Auch in Firmen, die sich gut außerhalb Europas positioniert haben wie Dufry, ein Schweizer Betreiber von Duty-free-Läden, wird investiert. Retailsektor kritischKritisch sieht Puybasset derzeit vor allem den europäischen Einzelhandelssektor. Die schwachen Konjunkturaussichten und steigende Steuern machten diese Branche zu keinem attraktiven Investment.Was einzelne Länder angeht, kennt die auf europäische Werte spezialisierte Financière l’Echiquier keine Tabus. Selbst in den Krisenländern wie Griechenland, Spanien und Italien gebe es durchaus interessante Small und Mid Caps, so Puybasset. Voraussetzung sei, dass sie nicht von ihrem lokalen Markt abhängig, sondern vor allem über ihre Landesgrenzen hinaus tätig seien. Er nennt u. a. das griechische Handelsunternehmen Fourlis, Wiscofan in Spanien oder den italienischen Fahrzeughersteller Piaggio.