Finanzen persönlich

Das Spiel mit dem Risiko

Immer mehr Versicherungen geben die Risiken aus Naturkatastrophen an den Kapitalmarkt ab - Solche Cat Bonds stehen nun auch Privatanlegern offen

Das Spiel mit dem Risiko

Von Sandra Middendorf Wie verheerend Naturkatastrophen sein können, machte spätestens der Hurrikan “Katrina” im August 2005 über New Orleans klar. Mit den Ausmaßen “Katrinas” hatte niemand gerechnet, auch die Versicherungsbranche nicht. Der Hurrikan belastete die Münchener Rück mit rund 1,1 Mrd. Euro, die Swiss Re mit rund 815 Mill. Euro. Um die Schadensfallzahlungen zu reduzieren, lagern immer mehr Rückversicherer diese Spitzenschäden an den Kapitalmarkt aus. So verbannen sie die Risiken aus ihren Büchern und erfüllen leichter die mit Solvency II in Kraft tretenden strengeren Eigenkapitalanforderungen. Weltweit waren 2006 Katastrophenrisiken im Wert von 19 Mrd. Euro verbrieft, schätzt Christian Weistroffer, Analyst bei DB Research.Besonders beliebt bei Versicherern sind Katastrophenanleihen, die Cat Bonds, deren Volumen sich 2006 mehr als verdoppelt hat. “2006 sind Cat Bonds im Wert von 3,2 Mrd. Euro (4,7 Mrd. Dollar) emittiert worden”, sagt Andreas Richter, Professor am Institut für Risikoforschung und Versicherungswirtschaft an der LMU München. Insgesamt sind heute 5,8 Mrd. solcher Schuldverschreibungen auf dem Markt.Während in der Vergangenheit vor allem institutionelle Anleger Anteile an den Cat Bonds erwarben, beginnt der Markt, sich Privatanlegern zu öffnen. “Die Direktanleihe ist für den Privatanleger zu risikoreich, weil er damit nur ein einzelnes Risiko kauft, in einem Fonds verteilt sich das Risiko auf verschiedene Cat Bonds”, so Weistroffer. Bislang erst vier FondsWollen deutsche Anleger in Cat Bonds investieren, stehen ihnen lediglich vier Fonds und ein Zertifikat zur Auswahl. Führend ist die Credit Suisse Group. Ihre Tochtergesellschaft Clariden Leu bietet insgesamt drei Fonds an. Ihre Zielrenditen liegen bei 5 bis 7 % über Libor. Der Preis für einen Anteil beträgt zwischen 114,20 Euro und 134,91 Euro, die Verwaltungsgebühr 1,75 %; beim Prima ILS Plus Fund fallen 1,5 % Verwaltungsgebühr an. Alle Fonds der Clariden Leu werden aktiv verwaltet. Insgesamt haben sie ein Volumen von 475 Mill. Euro. Sie können auf Nachfrage von deutschen Staatsbürgern gekauft werden. Aktiv bewerben darf die Clariden Leu sie nicht. Dafür bräuchte sie die Genehmigung der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin.Ebenfalls einen reinen Cat-Bond-Fonds bietet die Schweizer AIG Privatbank an, den AIG Diversified Cat Bond Fund. Auch ihn können Deutsche nur auf Nachfrage erwerben. Aufgelegt im Oktober 2004, investiert er in 25 bis 30 verschiedene Cat Bonds. Der Fonds hat ein Gesamtvolumen von rund 115 Mill. Euro. Privatanleger können einen Anteil für etwas über 200 Euro erwerben, hinzu kommen Gesamtgebühren von 1,66 %. Das Renditeziel liegt 3 bis 4 % über Libor.Speziell für den deutschen Markt hat die Credit Suisse vergangenes Jahr das Zertifikat CS Points aufgelegt. Mit einer versprochenen Rendite von 8 bis 12 % liegt die Schweizer Versicherung damit über den in der Schweiz angebotenen Fonds, dafür beläuft sich der Mindesteinsatz auf 50 000 Euro. Hinzu kommen 1,5 % Managementgebühr, ein Ausgabeaufschlag von 5 % und das Erfolgshonorar des Portfoliomanagers von 20 % auf die Nettowertentwicklung, sofern diese über 10 % liegt. Die Anleger binden sich für fünf Jahre an das Papier, das nicht an der Börse gehandelt wird. Anders als bei den reinen Cat-Bond-Fonds investiert das Zertifikat maximal zu 20 % in die Risiken aus Naturkatastrophen, der Rest setzt sich zum Beispiel aus Schifffahrts- oder Lebensversicherungsrisiken zusammen. “Ausschließlich auf Naturkatastrophen zu bauen, ist unseren Kunden zu risikoreich”, sagt Markus Günther, Leitung Insurance Products & Services bei der Credit Suisse. Das Gesamtvolumen des Zertifikats liegt bei 34 Mill. Euro. Gezeichnet werden konnte es bis Ende März, ein Nachfolgeprodukt will die Credit Suisse aber noch im Januar auflegen. Vorsicht gebotenArno Gottschalk von der Verbraucherzentrale Bremen rät Privatanlegern bei Anlagen in Naturkatastrophen generell zur Vorsicht, selbst wenn die Risiken in Fonds oder Zertifikaten gebündelt sind. “Man muss sich überlegen, ob man als Privater das Risiko tragen will, das ein Versicherer nicht tragen kann”, sagt er. Richter von der Universität München sieht das anders. Die Fonds seien interessant, weil sie das Portfolio diversifizierten. Dazu kämen noch die hohen Renditechancen. Vorsicht sei dennoch geboten, weil der Markt noch ganz am Anfang stehe. “Jeder, der hier investieren will, muss sich ganz genau informieren über die Konditionen, vor allem aber über den Zahlungsauslöser im Schadensfall.” Dieser sollte möglichst transparent und objektiv festzustellen sein. Denn ob Investoren bei einem Schadensfall ihren Einsatz verlieren, hängt davon ab, was die Versicherung als Zahlungsauslöser definiert. Grundsätzlich lassen sich drei verschiedene Kategorien von Auslösern – die Trigger – unterscheiden. Der entschädigungsbezogene richtet sich nach der Höhe der Schadensansprüche. Die Gefahr dabei: Hat die Versicherung das Risiko ausgelagert, wie es bei einem Cat Bond der Fall ist, schrumpft ihr Interesse, den Schaden möglichst gering zu halten.Objektiver sind sowohl der parametrische als auch der indexgetriebene Trigger. Beim parametrischen entscheiden objektiv messbare Wetterdaten wie Windgeschwindigkeit oder Erdbebenstärke, wer für den Schaden aufkommt. Der AIG Diversified Cat Bond Fund beispielsweise bindet zu über 50 % Cat Bonds mit parametrischem Trigger ein. Bei den indexbezogenen Auslösern beruht die Bewertung des Schadens auf der Einschätzung einer Institution wie der Property Claim Service in den USA, die sich darauf spezialisiert hat. Auf den Trigger achtenAnleger sollten nach der Einschätzung von Richter darauf achten, dass möglichst viele Cat Bonds in einem Fonds objektiv festzustellende Trigger haben. Die Branche werde immer professioneller und die Instrumente würden immer besser, sagt er. Und auch weil die Spannbreite der versicherten Risiken immer größer wird, glaubt er trotz des hohen Risikos der Katastrophenanleihen daran, dass der Markt sich in den nächsten Jahren verdoppeln wird.