Recht und Kapitalmarkt

Deutscher Juristentag nimmt Finanzmarkt ins Visier

Rechtsexperten debattieren zwei Tage lang in Berlin Empfehlungen für nationale und europäische Regulierung

Deutscher Juristentag nimmt Finanzmarkt ins Visier

Von Angela Wefers, Berlin Mit konkreten Empfehlungen will sich der 68. Deutsche Juristentag in die Diskussion zur Finanzmarktregulierung einschalten. Drei Gutachten und ebenso viele Referate bilden die Basis für die zweitägige Debatte der wirtschaftsrechtlichen Abteilung am heutigen Mittwoch und morgigen Donnerstag, an deren Ende ein Beschluss steht. Das Thema “Finanzmarktregulierung – Welche Regelungen empfehlen sich für den deutschen und europäischen Finanzmarkt?” hatte der Juristentag bereits im November 2008 auf die diesjährige Agenda gesetzt, um in der damaligen Hochzeit der Krise jenseits politischer Rettungsaktionen zur Stabilisierung der Finanzmärkte eine vertiefte und grundsätzlichere Sicht auf die Dinge zu erlauben. Der Deutsche Juristentag kommt alle zwei Jahre zusammen, diesmal – zum 150-jährigen Jubiläum – in Berlin.Gemeinsamer Tenor der Gutachter und Referenten aus dem öffentlichen Recht, dem Privatrecht und den Wirtschaftswissenschaften ist es, die Kosten künftiger Finanzkrisen nicht mehr beim Steuerzahler abzuladen und die Verantwortlichen mehr in Haftung zu nehmen. Zudem soll das wirtschaftliche Anreizsystem so gestaltet sein, dass die Geschäftsmodelle der Finanzinstitute Risiken stärker Rechnung tragen.Martin F. Hellwig vom Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn spricht sich in seinem Gutachten für eine Reihe von konkreten Korrekturen aus. So sollen Gesetzgeber, Aufsicht und Finanzinstitutionen bei Verbriefungen von Kreditforderungen dafür sorgen, dass den Haftungsimplikationen solcher Instrumente von Anfang an Rechnung getragen wird. Verbriefungen von Verbriefungen erfüllen aus Hellwigs Sicht keine ökonomische Funktion und sollten untersagt werden. Die Mehrfachverbriefungen waren eine der Hauptursachen für die schnelle Verbreitung der Krise.Wolfram Höfling, Direktor des Instituts für Staatsrecht der Universität zu Köln, befürwortet in seinem Gutachten ein solches Verbot als “komplexitäts- und risikominimierende Intervention”, die hohe Transparenz und klare Verantwortungsstrukturen schaffe. Verfassungsrechtliche Bedenken hat der Staatsrechtler gegen ein solches Verbot nicht. Daniel Zimmer, geschäftsführender Direktor des Instituts für Handels- und Wirtschaftsrecht der Universität Bonn, hält den auf EU-Ebene und hierzulande vorerst eingeführten Selbstbehalt von 5 % des Emittenten bei Verbriefungen für zu gering. “Haftung verstärken”Um bei den einzelnen Banken die Risiken neuer Geschäftsmodelle stärker zu berücksichtigen, soll Hellwig zufolge die persönliche Haftung der Mitglieder der Aufsichtsgremien verstärkt werden. Die Vergütung der Bankvorstände und -angestellten will er von der Finanzaufsicht genehmigen lassen.Zimmer ist mit Hellwig in dem Punkt einig, dass die Eigenkapitalanforderungen für Finanzinstitute erhöht werden müssen. Zimmer spricht sich zudem für erhöhte Beiträge zu Einlagensicherungssystemen für systemrelevante Institute aus, um die Gesamtkosten systemischer Risiken besser abzubilden. Neue EigentumskategorieDie Gutachter gehen zudem auf die rechtlichen Sonderregelungen für Insolvenz von systemrelevanten Instituten ein. Zimmer hält die von der Bundesregierung geplanten Restrukturierungsmaßnahmen für Finanzinstitute für geeignet, um systemrelevante Teile einer Bank zu erhalten, damit das Finanzsystem als Ganzes nicht gefährdet wird, und die übrigen Teile in die Insolvenz gehen zu lassen. Auch Hellwig unterstützt ein spezielles Restrukturierungsrecht, das nicht den Gläubigerschutz, sondern den Systemschutz in den Vordergrund rückt. Höfling fordert den Gesetzgeber auf, mit Blick auf die grundgesetzliche Eigentumsgarantie systemrelevantes Eigentum als spezifische Eigentumskategorie auszugestalten.