Investmentfonds - Interview mit Paul Quinsee, J.P. Morgan Asset Management

"Die großen Unternehmen bieten derzeit am meisten fürs Geld"

Der Chief Investment Officer für US-Aktien findet den amerikanischen Aktienmarkt besonders günstig

"Die großen Unternehmen bieten derzeit am meisten fürs Geld"

Der zentrale Vorteil der US-Aktien ist die derzeit günstige Bewertung, sagt Paul Quinsee, CIO für US-Aktien bei J.P. Morgan Asset Management. Die Preisaufschläge gegenüber Schwellenländertiteln seien “nur noch marginal”.- Herr Quinsee, wenn Sie 10 000 Dollar übrig hätten und das Geld in einen Investmentfonds investieren sollten: Was würden Sie tun?Ich würde das Geld – wenig überraschend – in einen Fonds mit US-Aktien stecken, und zwar mit dem Schwerpunkt auf Large Caps. Wir halten die großen US-Unternehmen derzeit für außerordentlich günstig und glauben, dass das eine gute Investmentgelegenheit ist.- Warum ist das so?Weil die meisten Leute ihr Geld derzeit eher nicht in US-Aktien stecken wollen! Es ist in den vergangenen Monaten im Zuge der Krise sehr viel Geld vom US-amerikanischen Aktienmarkt abgezogen worden. Das Geld ging vor allem in den Fixed-Income-Bereich. Letztlich ist der gesamte Aktienmarkt in den USA günstig bewertet, aber die großen Unternehmen bieten meiner Meinung nach derzeit am meisten fürs Geld.- Würden Sie eher auf Wachstumstitel setzen oder auf klassische Value-Aktien?Derzeit halten wir den Growth-Bereich für etwas interessanter. Die großen Value-Titel haben sich innerhalb der vergangenen 18 Monate bereits etwas erholt. Wir gehen davon aus, dass das gesamte Wirtschaftswachstum in den USA in den kommenden Monaten gehemmt sein wird. Unternehmen, die eine Outperformance gegen das Gesamtwachstum aufweisen und dementsprechend schneller wachsen, sind also für die Investoren auch interessanter.- Das könnte auch für kleinere Unternehmen gelten. Warum würden Sie auf Large Caps setzen?Wegen der Preise, sie sind derzeit einfach sehr günstig. In den vergangenen 25 Jahren haben die Großunternehmen gegenüber den kleinen meist einen Aufschlag gekostet, allein der Größe wegen. Sie waren größer, internationaler, bekannter, und dementsprechend haben die Anleger dafür mehr bezahlt. Das hat sich zuletzt geändert. Großunternehmen werden gegenüber dem Rest des Marktes derzeit sogar mit einem Abschlag gehandelt.- Haben Sie bestimmte Sektoren, in die Sie bevorzugt investieren?Grundsätzlich versuchen wir, über viele Sektoren gestreut zu investieren. Derzeit finden wir Technologietitel sehr interessant wegen der Bewertung der Unternehmen. Die Produkte der Technologiekonzerne finden vor allem bei Unternehmen Absatz und sind nicht sehr stark vom privaten Konsum abhängig. Die Nachfrage auf Seiten der Unternehmen ist derzeit stärker als die der privaten Konsumenten.- Was macht Sie eigentlich so optimistisch für die volkswirtschaftlichen Perspektiven der USA?Das Land kämpft weiterhin mit den Folgen der Kreditkrise, und es gibt sicherlich keinen Anlass für übertriebenen Optimismus. Es gibt ein Verschuldungsproblem sowohl der privaten als auch der öffentlichen Haushalte. Das wird mittelfristig das Wirtschaftswachstum abbremsen. Allerdings sehen wir bei den Unternehmen positive Zeichen. Die Konzerne sind extrem stark und weisen überdurchschnittlich gute Cash-flows und geringe Verschuldungsgrade auf. Das Problem ist also weniger die Lage der Unternehmen, sondern das Vertrauen der Unternehmen in die US-amerikanische Wirtschaftskraft, und der Mangel an Vertrauen und Selbstbewusstsein lässt die Konzerne bei Investitionen und Neueinstellungen zögern.- Wenn die Unternehmen nicht investieren und niemanden einstellen, wird die Nachfrage durch Konsumenten geschwächt, was wiederum der gesamten Volkswirtschaft schadet.Das stimmt. Die Ausgaben der privaten Haushalte liegen derzeit extrem niedrig. Es ist schwer vorstellbar, dass sie weiter sinken. Wir betrachten die Verbraucherausgaben als schwach, aber langsam ansteigend.- Derzeit reden Asset Manager viel und gern über die Schwellenländer. Wo sehen Sie die Vorteile des US-Aktienmarktes?Einmal mehr ist es die Bewertung der Unternehmen, aber die Wahrnehmung hat sich auch verschoben. Vor zehn Jahren herrschte ein überwältigender Optimismus für die US-Wirtschaft und die Zukunft der dortigen Unternehmen. Die Schwellenländer hingegen galten als risikobehaftet, vor allem nach den Erfahrungen der Asien- und der Russlandkrise. Ein Blick auf die damaligen Bewertungen zeigt: US-Aktien wurden mit einem Aufschlag gegenüber Schwellenländer-Aktien gehandelt. Das Sentiment hat sich gedreht, jeder redet über Emerging Markets, aber die Bewertungen haben sich verändert: Der Aufschlag von US-Titeln ist jetzt nur noch marginal – Das ist aber immer noch ein Aufschlag, zumal in den Schwellenländern ein höheres Wachstum herrscht.Ja, aber das ist bekannt und eingepreist. Außerdem: Insbesondere die Technologieunternehmen profitieren vom Wachstum in den Schwellenländern. Die großen Konzerne sind vor Ort, ob in Lateinamerika oder in Asien, und sie werden dort Geld verdienen.- Wo sehen Sie die Aktienmärkte der Eurozone verglichen mit den USA?Die Bewertungen in der Eurozone sind ebenfalls recht gut, teilweise sogar günstiger als in den USA. Der Vorteil der US-Aktien: Dort gibt es Weltmarktführer wie Microsoft oder Google, denen man trotz ihrer Größe noch weitere Wachstumschancen zutrauen kann. Von dieser Art Unternehmen herrscht in den USA kein Mangel.—-Das Interview führte Martin Hampel.