Digitale Assets werden zur Nagelprobe
Trotz Krypto-Winter und verlangsamtem Wachstum der Blockchain-Branche: An digitalen Assets führt in der Finanzindustrie langfristig kein Weg vorbei. In den vergangenen Jahren war keine Innovation so prägend für das System und wird auch auf absehbare Zeit nicht so dominant sein wie die Blockchain-Technologie. Zu groß ist das Potenzial, das sie etwa im Bereich der Investments bietet.
Der Begriff „Digitale Assets“ ist in diesem Kontext nicht einheitlich definiert, lässt sich jedoch in zwei Bereiche aufteilen: in Kryptowerte (Crypto Assets) und in digitale Finanzinstrumente beziehungsweise Digital Financial Instruments. Zu Kryptowerten zählen beispielsweise die bekannten Kryptowährungen wie Bitcoin und Ethereum, aber auch Non-Fungible Tokens (NFT). Zu den digitalen Finanzinstrumenten gehören klassische Finanzinstrumente in digitaler Form, etwa Kryptowertpapiere und -fondsanteile entsprechend dem Gesetz über elektronische Wertpapiere (eWpG).
Digitale Assets sind damit für zwei unterschiedliche Aspekte der Investmentwelt relevant: Kryptowerte als neue Assetklasse und digitale Finanzinstrumente für einen effizienteren Kapitalmarkt. Eine Gemeinsamkeit besteht im Finanzkontext allerdings in der Infrastruktur. Bei den häufiger genutzten Public Blockchains ist diese öffentlich zugänglich, konsistent nachvollziehbar und bislang seit Jahren sehr zuverlässig. Aufgrund der besonderen Anforderungen von digitalen Finanzinstrumenten wird bereits seit Längerem parallel an privaten Infrastrukturen gearbeitet, die sich aber am Markt bisher nicht gegen die öffentlichen Lösungen durchgesetzt haben.
Trotz der gemeinsamen Infrastruktur stellen sowohl Kryptowährungen als auch digitale Finanzinstrumente unterschiedliche Ansprüche an ihre Nutzergruppen. Privatanleger nutzen oft eigene Systeme oder Geräte, um ihre Kryptowerte zu halten (Non-Custodial Wallets), haben dadurch aber keine Haftung gegenüber einem Institut und verfügen auch nicht über umfangreiche Sicherheitsprozesse. Finanzinstitute wie Banken, Assetmanager oder institutionelle Investoren haben dagegen deutlich anspruchsvollere Anforderungen an Prozessabläufe und Infrastruktur, daher werden sie eher einen lizensierten Verwahrer auswählen (Custodial Wallet).
Veränderte Prozesse
Von der steuerlichen und regulatorischen bis hin zur technischen Abbildung der Prozesse erfordert der Umgang mit digitalen Assets jedoch eine veränderte Wertschöpfungskette. Diese kann durch die Einbindung einer Vielzahl unterschiedlicher Dienstleister erfolgen – etwa Verwahrstellen, Kryptoverwahrer, Zahlstellen, Broker, Assetmanager oder Kapitalverwaltungsgesellschaften, um Kryptowerte in einem Fonds abbilden zu können.
Viele unterschiedliche Serviceanbieter entlang der Prozesskette bergen jedoch Herausforderungen: Sie müssen – auch technisch – einzeln angebunden und gesteuert werden. Gleichzeitig muss die kontinuierliche Überprüfung der Geschäftsbeziehungen und Datenströme überwacht werden. Dort empfiehlt es sich für Finanzinstitutionen, eine breite Abdeckung der Wertschöpfungskette mit möglichst wenigen Dienstleistern oder in-house abzubilden. Dies verringert die Komplexität und stärkt die Prozesssicherheit und -harmonisierung.
Dabei ist es insbesondere wichtig, Anbieter zu wählen, die sich in ihrer Infrastruktur möglichst nahe an der Public Blockchain als „Single Source of Truth“ bewegen. Die meisten Daten innerhalb der Digital-Assets-Welt sind on-chain, liegen also gespeichert auf der Blockchain vor. Diese Form der Speicherung bildet die gemeinsame geteilte Infrastruktur, auf der die Finanzwirtschaft der Zukunft künftig aufbauen muss und abgewickelt wird. Und basierend auf diesen Daten schaffen Dienstleister eine Investierbarkeit in digitale Assets.
In der Fondswelt ist dies zum einen die Krypto-Kapitalverwaltungsgesellschaft (Krypto-KVG), die wie im klassischen Fondsgeschäft Investmentstrategien auflegt und investierbar macht. Im Kapitalmarktbereich ist im Zuge des eWpGs eine neue Rolle entstanden: die des Wertpapierregisterführers. Er hat die Aufgabe, Wertpapiere oder Fondsanteile auf der Blockchain zu registrieren, also die Herausgabe und den Lebenszyklus der sogenannten Kryptowertpapiere beziehungsweise Kryptofondsanteile zu überwachen.
Eine weitere Leistung bildet der Kryptoverwahrer ab, der – vor allem für institutionelle Anleger – die technische Verwahrung von digitalen Assets übernimmt. Dafür verwahrt er die Schlüssel (Private Keys) zu den virtuellen Schließfächern der Anleger. In diese virtuellen Schließfächer können beispielsweise die KVGs Kryptowährungen oder Investoren ihre Kryptowertpapiere oder -fondsanteile einlagern. Eine für Public Blockchains adaptierte klassische Verwahrstellenfunktion kann dann für beide Assets technisch identisch aufgesetzt werden: Sofern sie Kryptowährungen abbilden kann, wird sie gleichzeitig technisch auch für Kryptowertpapiere und insbesondere Kryptofondsanteile gewappnet sein.
Eng miteinander verzahnt
Die Prozesskette zeigt, wie eng neue Dienstleistungen für digitale Assets und bestehende Bankfunktionen miteinander verzahnt werden und wie eine einheitliche Infrastruktur für verschiedene Bestandteile digitaler Assets genutzt werden kann. Am Beispiel der Kryptofondsanteile ist zudem erkennbar, wie sich die Struktur des Geschäfts verändert: Zwar stellt das Konstrukt innerhalb des Fondsgeschäfts keine drastische Änderung dar, erfordert jedoch ein Umdenken und mitunter eine Neuaufstellung der Prozesse, insbesondere in den Folgeprozessen der Abwicklung. In Zukunft werden Fondsanteile als Kryptofondsanteile allein auf einer Wallet gehalten werden können und müssen damit nicht mehr zwangsläufig im Depot verwahrt werden.
Die Dienstleistungen und Pflichten, die üblicherweise mit der Depotführung einhergehen, verschieben sich infolgedessen und müssen auf Basis der Wallets geleistet werden. Bisher werden die Steuermerkmale durch die Depotbank erfasst, die entsprechende Kapitalertragsteuer berechnet und der Vorsteuerabzug geleistet. Sobald das Depot wegfällt und ein Fondsanteil auf einer Wallet liegt, stellt sich die Frage, wer diese Aufgaben übernimmt. Sinnvollerweise wird der Registerführer in seiner neuen Rolle die notwendigen Daten erfassen und den Vorsteuerabzug organisieren.
Was es zu tun gilt
Dafür müssen entsprechende Prozesse neu aufgebaut und integriert werden. Dies hat zur Folge, dass der Registerführer schon beim Kunden-Onboarding etwa Steueraspekte berücksichtigen muss. Das fängt bereits mit der Frage an, ob der potenzielle Investor Kirchensteuer zahlen muss. Es wird sich zeigen, ob alle Marktteilnehmer die veränderte Landschaft an Dienstleistungen und Pflichten in dieser neuen Struktur wirklich zu Ende gedacht und implementiert haben.
Immenses Potenzial
Digitale Assets bieten nach wie vor immenses Effizienz-Potenzial, aber zu dessen Verwirklichung sind klar regulierte Dienstleistungen auf institutionellem Niveau notwendig. Diese Strukturen, von denen die Branche heute teilweise noch nicht weiß, dass sie diese braucht, müssen erst noch geschaffen werden. Voraussetzung dafür ist aber, überhaupt erst in die Umsetzung zu gehen, praktische Probleme kennenzulernen und diese zu lösen. Mit anderen Worten: Ohne Lerneffekte geht es nicht.
Die wachsende Zahl an Dienstleistern birgt die Herausforderung, Prozesse innerhalb eines fragmentierten Marktes mit unterschiedlichen Reifegraden einheitlich und harmonisiert aufzustellen. Viele Dienstleister greifen mit ihren Lösungen ineinander, und mit einer fragmentierten Wertschöpfungskette steigt insbesondere das Counterparty-Risiko. Daher sollten Finanzmarktakteure ihre Wertschöpfungskette detailliert und mit langfristiger Perspektive untersuchen.
Eigenes technisches und regulatorisches Know-how aufzubauen und die richtigen Dienstleister ganzheitlich entlang aller Prozesse einzubinden, bildet das Fundament für eine weitsichtige Integration von digitalen Assets in die eigenen Investmentprozesse. Dies ist – ob nun im Hinblick auf Kryptowerte oder auf digitale Finanzinstrumente – perspektivisch unumgänglich.