Immobilien

Einzelhandel lockt Finanzinvestoren an

Nach Wohnimmobilien kommt nun der Run auf deutsche Warenhäuser - Branchenkenner rechnen mit weiteren Portfolioverkäufen

Einzelhandel lockt Finanzinvestoren an

Von Annette Becker, DüsseldorfWer hätte das gedacht? – KarstadtQuelle ist es tatsächlich gelungen, ein Paket von 74 Warenhäusern zu verkaufen. Bemerkenswert dabei ist, dass es eben nicht nur um den Verkauf der Immobilien ging, sondern um das Losschlagen der Häuser inklusive des operativen Geschäfts samt Personal. Käufer ist erwartungsgemäß ein Konsortium von Finanzinvestoren. Im Gegensatz zum klassischen Private-Equity-Investor soll es sich bei Dawney, Day Principal Investments allerdings um einen Investor handeln, der Erfahrung in der Revitalisierung von Handelsimmobilien mitbringt. Glaubt man den Analysten der Eurohypo, ist mit dem Verkauf der Karstadt-Häuser aber erst der Startschuss auf dem Markt für Einzelhandels- bzw. Warenhausimmobilien gefallen. Gerade in den Toplagen der großen Städte sei die Investorennachfrage unverändert hoch. Schwieriger gestalte sich das Geschehen dagegen in 1-b- und Randlagen. “Hier sind die Preise dramatisch abgefallen, das müssen die Eigentümer akzeptieren”, sagt Uwe Wegner, der bei Jones Lang LaSalle in Deutschland als Head of Retail Capital Markets agiert. Hatten angelsächsische Finanzinvestoren hierzulande in den vergangenen Jahren vor allem mit dem Kauf von Wohnimmobilien von sich reden gemacht, schwenkten sie nun auf Einzelhandelsimmobilien über. Nach Einschätzung Wegners werden sie dabei von mehreren Faktoren getrieben: Zum einen habe der Immobilienboom im Ausland die dortigen Renditen stark unter Druck gesetzt. Verglichen mit den Preisen, die in ausländischen Metropolen für Einzelhandelsobjekte zu zahlen seien, sei Deutschland (noch) ein wahres Paradies. Zum anderen lade auch das unverändert niedrige Zinsniveau zu Käufen ein. Bekanntermaßen finanzieren die Private-Equity-Investoren ihre Deals überwiegend mit Fremdkapital. Und auch ein dritter Aspekt, der aus Sicht der Finanzinvestoren von großer Bedeutung ist, trifft auf das Geschäft mit Einzelhandelsimmobilien zu: Sie liefern, sofern sie vermietet sind, stabile Cash-flows. Von dieser Warte betrachtet ist es für Eurohypo-Analyst Marcus Cieleback keine Frage, dass in den kommenden Jahren vermehrt Einzelobjekte oder Portfolios auf den Markt kommen. Dabei gehe es weniger wie im Fall KarstadtQuelle um den Verkauf ganzer Geschäfte, sondern um Sale-and-Lease-Transaktionen. Aus Sicht des Investors liegt der Vorteil darin, dass langfristig an den Verkäufer vermietet wird. Aus Sicht des Verkäufers locken die Reduzierung der Kapitalbindung und der Liquiditätszufluss. Inwieweit die heutigen Immobilienbesitzer die Bereitschaft zum Verkauf mitbringen, hängt also nicht zuletzt von deren Liquiditätsbedürfnissen ab. Dass in den Bilanzen der deutschen Großkonzerne milliardenschwere Immobilienschätze verborgen sind, ist nicht neu. Ob und wann sie gehoben werden, steht jedoch weiter dahin, auch wenn Studien die Vorzüge des Immobilienverkaufs in den höchsten Tönen loben. Die Metro beispielsweise rückte nach mehrjähriger Käufersuche von ihren Plänen ab, ihre ausgelagerten Immobilien en bloc zu verkaufen. Stattdessen wurden die Grundstücke und Gebäude bis auf weiteres in die Bilanz zurückgeholt, und zwar zu Marktwerten. Beim etwaigen Weiterverkauf stünde hier der Liquiditätsaspekt im Vordergrund. Während die Metro nicht ausschließen will, dass künftig auch kleinere Immobilienpakete zum Verkauf geschnürt werden könnten, sind Marktkenner der festen Überzeugung, dass Metro noch in diesem Jahr Immobilienpakete losschlägt. Turnaround-StoryAngesichts der schwierigen Rahmenbedingungen im deutschen Einzelhandel – die Umsätze sind seit Jahren rückläufig – ist es auf den ersten Blick erstaunlich, welches Interesse deutsche Einzelhandelsimmobilien auf sich ziehen. Nach Einschätzung von Wegner betrachten die ausländischen Investoren den hiesigen Markt aber aus einer anderen Perspektive. Für sie sei Deutschland eine Turnaround-Story, sagt Wegner. Der Boden sei aus ihrer Sicht erreicht, von nun an könne es nur noch aufwärts gehen.Zunutze machen wollen sich die Investoren dabei, dass den deutschen Einzelhändlern in der Vergangenheit der Mut zu Innovationen fehlte. Ähnlich argumentiert auch Cieleback mit Blick auf das innerstädtische Warenhaus: “Für die langfristige Attraktivität des Einkaufens in der Innenstadt ist die Neupositionierung der Warenhäuser von entscheidender Bedeutung.” Dabei sähen sich Eigentümer und Nutzer vor große Herausforderungen gestellt, denn oftmals seien die Gebäude nur mit großen Umbauten zu revitalisieren. Schwierigkeiten macht Cieleback in diesem Zusammenhang darin aus, dass Nicht-Erdgeschosse in ein neues Konzept eingebunden werden müssen. Der SpagatAus Sicht eines Investors sei dabei der Widerspruch zwischen hohen Kaufpreisforderungen für den Bestand, erheblichen Umbaukosten und eher rückläufigen Einzelhandelsmieten zu lösen. Nicht ohne Grund stelle sich bei der Aufgabe der Nutzung durch den ursprünglichen Warenhausbetreiber regelmäßig die Frage nach dem Umgang mit älteren Gebäuden. Die Optionen reichten dabei von der reinen Modernisierung über den Umbau bis hin zum Abriss.Gerade in 1-a-Lagen sei der Abbruch mit anschließendem Neuaufbau keine Seltenheit. Mieter/Nutzer von 1-a-Lagen stellten hinsichtlich der Qualität sehr hohe Anforderungen, so dass Spitzenmieten auch nur bei Spitzenqualität der Immobilie erzielt werden könnten. Das Thema Modernisierung und Umnutzung gewinne dagegen außerhalb der Toplagen an Bedeutung. Hier übersteige der Gebäudesubstanzwert in aller Regel den Bodenwert. Bei diesen Objekten warnt Cieleback allerdings vor der Gefahr von langfristigen Leerständen. Der neue TrendDoch auch jenseits der vorhandenen Einzelhandelsimmobilien ist Bewegung im Markt. Zwar könnte man annehmen, dass die Überbesetzung des deutschen Marktes mit Einzelhandelsflächen zwangsläufig zur Flächenaufgabe führen muss, das Gegenteil ist jedoch der Fall. Waren es jahrelang die Shopping-Center auf der grünen Wiese, die Kaufkraft aus den Innenstädten abzogen, hat in den Rathäusern ein Umdenken eingesetzt. Im Wettstreit um die vorhandene Kaufkraft ist die Bereitschaft der Stadtentwickler gestiegen, sich mit dem Thema innerstädtische Shopping-Center wohlwollend auseinander zu setzen. Investoren für diese Projekte gibt es nach Einschätzung von Wegner zuhauf. Neben der Attraktivität des deutschen Marktes sei diese neue Einzelhandelsform beliebt, da die Einflussmöglichkeiten des Investors mit Blick auf die potenziellen Mieter sehr groß seien. Bedenklich an dieser Entwicklung kann allerdings sein, dass Standorte, die heute noch zu 1-a-Lagen zählen, abgewertet werden. Die Folgen: Wert- und Mietpreisverfall. Zwar üben Shopping-Center in aller Regel eine hohe Magnetwirkung aus, der Radius dürfte 1 000 m jedoch kaum übersteigen. In sehr langen Einkaufsstraßen kann das ein Problem sein.