Immobilien - Gastbeitrag

Fallenstellerparagraf verfassungswidrig?

Börsen-Zeitung, 3.1.2008 Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (IX B 92/07) "ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit" des Paragrafen 2 b des Einkommensteuergesetzes geäußert. Die in der Branche auch als...

Fallenstellerparagraf verfassungswidrig?

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in einem kürzlich veröffentlichten Beschluss (IX B 92/07) “ernstliche Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit” des Paragrafen 2 b des Einkommensteuergesetzes geäußert. Die in der Branche auch als “Fallenstellerparagraf” bezeichnete Regelung war im März 1999 in das Einkommensteuergesetz eingefügt worden, um “Verlustzuweisungsgesellschaften” zu verhindern. Sie hatte damals in der Immobilien- und Fondsbranche zu einer erheblichen Verunsicherung geführt. Unklarer GesetzestextWer sich an einer solchen Verlustzuweisungsgesellschaft oder einem “ähnlichen Modell” beteiligte, konnte Verluste nicht mehr mit positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten ausgleichen. Von Anfang an hatten Steuerexperten kritisiert, der Gesetzestext lasse unklar, was unter einer “Verlustzuweisungsgesellschaft” oder einem “ähnlichen Modell” zu verstehen sei. Im Gesetz hieß es lediglich als Kriterium, dass “bei dem Erwerb oder der Begründung der Einkunftsquelle die Erzielung eines steuerlichen Vorteils im Vordergrund steht”.Nach dem Wortlaut des Paragrafen sollte die Erzielung eines steuerlichen Vorteils “insbesondere” dann im Vordergrund stehen, wenn nach dem Betriebskonzept der Gesellschaft, Gemeinschaft oder des ähnlichen Modells die Rendite auf das einzusetzende Kapital nach Steuern mehr als das Doppelte dieser Rendite vor Steuern beträgt und die Betriebsführung des Modells überwiegend auf diesem Umstand beruht. Ein zweiter Anhaltspunkt für das Vorliegen einer Verlustzuweisungsgesellschaft war, dass Kapitalanlegern Steuerminderungen durch Verlustzuweisungen in Aussicht gestellt werden. Der BFH kritisiert in seinem aktuellen Urteil, dass der Begriff der Verlustzuweisungsgesellschaft in einem völlig anderen Sinn verwendet wird als in der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes, auf die sich der Gesetzgeber bezogen hatte. Denn nach der Rechtsprechung des BFH fehlt bei einer Verlustzuweisungsgesellschaft die Einkünfteerzielungsabsicht, während diese bei den in Paragraf 2 b angesprochenen Modellen geradezu vorausgesetzt ist. Der Paragraf enthalte vor allem “eine Ansammlung unbestimmter Begriffe” und sei schon deshalb aus Sicht des BFH verfassungswidrig.Damit hat der BFH nunmehr gegen alle drei im März 1999 beschlossenen Regelungen, die sich gegen die Immobilien- und Fondsbranche richteten, verfassungsmäßige Bedenken artikuliert. Die seinerzeit beschlossene Verlustausgleichsbeschränkung nach § 2 Abs. 3 EStG hatte der XI. Senat des BFH bereits zuvor dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt, weil die Vorschriften dieses Paragrafen “sprachlich unverständlich, irreführend, unsystematisch aufgebaut und damit in höchstem Maße fehleranfällig” seien. Ebenso hatte der IX. Senat des BFH verfassungsmäßige Bedenken gegen die im März 1999 beschlossene Ausdehnung der Spekulationsfrist für Immobilien von zwei auf zehn Jahre ohne schonende Übergangsregelung geäußert. Klagen sind wahrscheinlichÜber alle drei Vorschriften muss nunmehr das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Auch wenn die Entscheidung zugunsten der Steuerpflichtigen ausfällt, wird dies jedoch den betroffenen Anlegern und Unternehmen leider nicht mehr viel nützen. Übrigens hat der Gesetzgeber zwei dieser Regelungen, nämlich die Verlustausgleichsbeschränkungen der Paragrafen 2 b und 2 Abs. 3 EStG inzwischen selbst wieder abgeschafft, weil sie sich als zu kompliziert oder als wirkungslos erwiesen hatten. An deren Stelle ist inzwischen Paragraf 15 b EStG getreten, gegen den es jedoch schon wegen seiner Rückwirkung wahrscheinlich ebenfalls Klagen vor den Finanzgerichten geben wird.