Für Bezugsrechtsemissionen gibt es Flexibilität in der Preissetzung
– Herr Professor Schlitt, es mehren sich die Anzeichen, dass es nun auch in Deutschland zu einer größeren Anzahl von Kapitalerhöhungen kommen wird. Wie legt man in Zeiten volatiler Aktienmärkte die Emissionspreise fest?Bezugsrechtsemissionen sind in Deutschland traditionell als Festübernahmen ausgestaltet. Da die Konsortialbanken bei einem solchen “Firm Underwriting” über mehr als zwei Wochen das volle Preis- und Platzierungsrisiko tragen, werden häufig nicht unerhebliche Abschläge auf den Börsenkurs vorgenommen. Discounts von 30 bis 50 % auf den bezugsrechtsbereinigten Börsenkurs, den sogenannten theoretical ex-right price, kurz TERP, sind keine Seltenheit. Durch einen hohen Abschlag wird gleichzeitig ein Anreiz für die Aktionäre geschaffen, bei der Kapitalerhöhung mitzuziehen.- Doch der Abschlag reduziert den Emissionserlös und ist aus Sicht des Unternehmens nicht vorteilhaft. Gibt es Wege, den Mittelzufluss für den Emittenten zu erhöhen?In der Vergangenheit wurde zur Reduzierung des Discounts vereinzelt ein sogenanntes Auktionsverfahren zwischengeschaltet, in dessen Rahmen die eingeladenen Banken aufgefordert wurden, Angebote für einen von ihnen zu garantierenden Bezugspreis und für eine von ihnen fest zu übernehmende Anzahl von Aktien abzugeben. Aufgrund seiner Komplexität dürfte sich ein solches Verfahren jedoch in der Regel nur für Blue- Chip-Unternehmen eignen.- Gibt es Alternativen zum Festpreisverfahren, bei dem der Emissionspreis ja bereits vor Beginn der Angebotsfrist festgelegt wird?Durchaus. Es ist nämlich ausreichend, zunächst nur die Grundlagen der Festlegung des Bezugspreises zu veröffentlichen und den endgültigen Bezugspreis erst drei Tage vor Ablauf der Bezugsfrist bekannt zu machen Dieses Verfahren reduziert das Preisrisiko für die Konsortialbanken und eröffnet ein erhöhtes Maß an Flexibilität bei der Preisfestlegung. So kann beispielsweise anfänglich ein maximaler Bezugspreis veröffentlicht und der endgültige Bezugspreis später unter Berücksichtigung des volumengewichteten Durchschnittskurses der Aktien während der Bezugsfrist festgelegt werden.- Wäre es auch zulässig, ein Bookbuilding-Verfahren, wie man es aus Börsengängen kennt, in den Prozess der Preisbestimmung zu integrieren?Das wäre möglich und wurde in der Vergangenheit auch schon so praktiziert. So ist es zulässig, institutionelle Anleger aufzufordern, für die im Rahmen des Bezugsangebots nicht bezogenen Aktien, den sogenannten Rump, Preisangebote abzugeben und den endgültigen Bezugspreis unter Berücksichtigung der Auswertung des Orderbuchs festzulegen. Anders als beim traditionellen Bookbuilding-Verfahren wird jedoch häufig keine Preisspanne festgelegt. Auch ist es zulässig, das Bookbuilding auf institutionelle Anleger zu begrenzen. Da im Zeitpunkt der Festlegung des endgültigen Bezugspreises die Bezugsquote noch nicht feststeht, muss mit Investoren, die über ihre Bezugsquote Aktien erwerben wollen, ein Rücktrittsrecht, ein claw back, vereinbart werden.- Wenn der Bezugspreis erst kurz vor Ende der Angebotsfrist festgelegt wird, hat dies nicht Auswirkungen auf den Bezugsrechtshandel?In der Tat kann sich der Umstand, dass der Bezugspreis zunächst noch nicht festgelegt wird und der Wert des Bezugsrechts damit spekulativen Charakter hat, nachteilig auf die Liquidität des Bezugsrechtshandels auswirken. Die Frankfurter Wertpapierbörse lässt jedoch aus diesem Grund wieder eine verspätete Aufnahme des Bezugsrechtshandels zu.- Kann das Übernahmerisiko der Banken auch auf andere Weise reduziert werden, etwa durch ein flexibles Kapitalerhöhungsvolumen?Bezugsrechtskapitalerhöhungen können auch als Bis-zu-Kapitalerhöhungen ausgestaltet werden. Dies ermöglicht es, das konkrete Kapitalerhöhungsvolumen danach auszurichten, in welchem Umfang tatsächlich Bezugsrechte ausgeübt werden und ein anschließender Rump platziert werden kann. Denkbar wäre es auch, dass flexible Preisfestlegungsverfahren mit einer Bis-zu-Kapitalerhöhung zu kombinieren.—-Prof. Dr. Michael Schlitt ist Partner der internationalen Anwaltsgesellschaft Willkie Farr & Gallagher LLP und Honorarprofessor an der Universität zu Köln. Die Fragen stellte Sabine Wadewitz.