Geldanlage über Robo-Advisors birgt Gefahr von Missbrauch und Konflikten
– Herr Becker, Herr Meister, Robo-Advisors, die Kunden auf Basis von Algorithmen zu Anlagen beraten, diese vermitteln oder Vermögen verwalten, spielen eine immer größere Rolle für Finanzdienstleister. Wie sind Robo-Advisors rechtlich einzuordnen?Becker: Bislang ist oft unklar, ob die Programme als Anlageberatung, Finanzportfolioverwaltung oder Anlage- und Abschlussvermittlung zu qualifizieren sind. Diese Einordnung ist entscheidend für viele regulatorische Pflichten hinsichtlich des Marktzugangs und laufenden Betriebs. Laut BaFin ist die Grenze zur erlaubnispflichtigen Anlageberatung gemäß Kreditwesengesetz bereits überschritten, wenn ein Tool den Anlagehorizont und -betrag des Kunden erfragt und anschließend einen Fonds empfiehlt. Fintechs kooperieren deshalb oft mit etablierten Finanzinstituten, die über eine Erlaubnis für Anlageberatung und Vermögensverwaltung verfügen. – Wer haftet für digitale Berater?Becker: Ob die Schwelle vom Informationsangebot zur Anlageberatung überschritten ist, ist auch entscheidend für die Haftung. Mangels spezifischer Regeln für künstliche Intelligenz haftet der Anbieter beim digitalen Dialog auf der Website oder einer Smartphone-App bisher genauso wie bei Beratung von Angesicht zu Angesicht. Sobald der Durchschnittskunde von einer individuellen Anlageempfehlung ausgeht, kann er bei einer Falschberatung Schadenersatzansprüche geltend machen: Etwa wenn das Programm nicht erkennt, dass seine Antworten auf Fragen des Robo-Advisors widersprüchlich oder missverständlich waren. Einstehen muss der Finanzdienstleister als Betreiber der Website, nicht der Entwickler der Algorithmen. Er kann die Haftung nicht rechtssicher mit einem Disclaimer in den allgemeinen Geschäftsbedingungen, auf der Website oder in der App ausschließen, dass sein Angebot keine Anlageberatung umfasse. – Wie lässt sich Haftungsansprüchen im Programm vorbeugen?Becker: Wie beim persönlichen Gespräch hängt das Ergebnis einer Beratung sehr stark davon ab, welche Informationen der Verbraucher bekommt, und wie kompetent er selbst ist. Vor allem bei vollautomatisierten Angeboten ohne jegliche menschliche Interaktion ist unter Umständen aber schwerer, Verständnisprobleme mitzuteilen und nachzufragen. – Was sagen die Aufseher?Becker: Aus Sicht der European Securities and Markets Authority müssen Robo-Advisors besondere Anforderungen erfüllen hinsichtlich Information des Kunden, Fragebogen und Belastbarkeit der Systeme zur Feststellung von Widersprüchen. Wichtige Aspekte für die Programmierung sind: Ist der Privatkunde in der Lage, die Vorschläge des Roboters und das Verlustrisiko zu bewerten? Führt die Benutzeroberfläche treffsicher zum individuell passenden Produkt? Bricht das Programm sofort ab, wenn Antworten unvollständig oder widersprüchlich sind?- Wie objektiv sind die Programme?Meister: Auch wenn digitale Anlageberater regelbasiert und anders als Menschen ohne eigene Absichten entscheiden, gilt es, Interessenkonflikten vorzubeugen. Beispielsweise ist denkbar, dass sie im Eigeninteresse ihrer Betreiber programmiert sind, um bestimmte Vertriebsziele zu erreichen, bevorzugt hauseigene Produkte zu verkaufen oder solche mit höherer Provision. Eine wichtige Aufgabe ist es daher, algorithmische Organisationspflichten für Robo-Advisor zu formulieren, die Konflikten und Missbrauch vorbeugen.- Was heißt das für Verbraucher?Meister: Sie müssen sich bewusst sein, dass eine automatisierte Beratung nicht zwangsläufig objektiv ist. Voreinstellungen oder Suggestivfragen etwa zur Risikoneigung können Kunden dazu verleiten, ungünstige Entscheidungen zu treffen und höhere Risiken einzugehen.- Wie ist der Datenschutz geregelt? Meister: Nicht immer ist Nutzern klar, dass digitale Anlageberater extrem abhängig von persönlichen Daten sind. Beispielsweise lässt der Kunde oft zu, dass ein Fintech Einblick in seine persönlichen Datenströme aus dem Online-Banking sowie Bewegungen im Internet oder sozialen Netzwerken bekommt und diese analysiert, um individuelle Finanztipps zu geben. Anbietern muss bewusst sein, dass die EU-Datenschutzgrundverordnung weitgehende Einwilligungen und Informationen verlangt. – Wie viel Regulierung ist wünschenswert?Meister: Es bedarf mehr Klarheit: Wann ist die Schwelle zur Anlageberatung überschritten? Wie viel Information braucht der Kunde? Welche Organisationspflichten sind zu erfüllen, um Interessenkonflikten und Missbrauch vorzubeugen? Doch es bedarf Augenmaß. Die Regulierung muss zu den neuen Geschäftsmodellen passen und darf sie nicht behindern.—-Roman Becker und Laurent Meister sind Partner bei Menold Bezler.Die Fragen stellte Walther Becker.