Finanzen persönlich

Gesetzesnovelle setzt Anlagen bei Zeitwertkonten enge Grenzen

Flexi-II-Entwurf: Aktienanteil darf 20 Prozent der Wertguthaben nicht übersteigen - Aber erstmals Übertragung auf neuen Arbeitgeber möglich

Gesetzesnovelle setzt Anlagen bei Zeitwertkonten enge Grenzen

Von Ellen Bocquel Die Lufthansa hat es und auch die Handelskette Edeka: In beiden Unternehmen können die Angestellten – vom Sachbearbeiter bis zum Topmanager – dank sogenannter Langzeit- oder Zeitwertkonten ihre Lebensarbeitszeit bei Bedarf reduzieren. Das wird möglich, wenn sie den Gegenwert von Sonderurlaub und Mehrarbeit sowie Sonderzahlungen und Tantiemen via Zeitwertkonto auf die hohe Kante legen. Jeder Fünfte ist betroffenIn ganz Deutschland spart inzwischen jeder fünfte Arbeitnehmer Arbeitszeit und/oder -entgelt an, um früher in Rente gehen zu können oder sich zwischendurch eine längere Auszeit vom Arbeitsplatz zu gönnen. Doch längst nicht jeder Arbeitgeber gesteht seinen Mitarbeitern diese Annehmlichkeit der flexiblen, nahezu selbstbestimmten Arbeitseinteilung und den geldwerten Ausgleich dafür zu. Der Gesetzgeber will nun mit dem “Gesetz zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Absicherung flexibler Arbeitszeitregelungen” (“Flexi-II-Gesetz”) den Insolvenzschutz für Zeitwertkonten verbessern und die Mitnahme von Zeitwertguthaben bei einem Arbeitgeberwechsel regeln. Bisher mussten in diesem Fall die Wertguthaben aufgelöst werden. Außerdem sieht der Gesetzentwurf vor, die Anlagemöglichkeiten für den Gegenwert der Wertguthaben zu beschränken. Das Bundeskabinett hat den Entwurf am 13. August gebilligt. Das Gesetzgebungsvorhaben wurde gleichzeitig als eilbedürftig eingestuft, damit der Bundestag die Neuregelungen noch rechtzeitig zum 1. Januar 2009 verabschieden kann. Der Bundesrat muss nicht zustimmen.Der Arbeitgeber soll künftig dazu verpflichtet werden, Wertguthaben einschließlich des darin enthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeitrags ab einer Höhe des Dreifachen eines Monatsgehalts vor Insolvenz zu schützen. Eine zweite Bedingung: Der Zeitraum für den Ausgleich einer Gutschrift auf dem Arbeitszeitkonto muss länger als 27 Monate sein. Kommt der Arbeitgeber der Pflicht zur Insolvenzsicherung nicht nach, sollen Arbeitnehmer künftig Anspruch auf Schadenersatz haben. Für den Insolvenzschutz wird im Gesetzesentwurf keine externe Anlage verlangt, sofern die Vertragsparteien ein gleichwertiges anderes Sicherungsmodell vereinbaren. Explizit nennt der Gesetzgeber hier Versicherungsmodelle, Verpfändungs- oder Bürgschaftsmodelle. Nicht umgesetzt hat der Gesetzgeber die zahlreichen Forderungen nach einem umfassenden Bestandsschutz für bestehende Modelle, bemängelt Zeitwertkonten-Experte Andreas Buttler von der FEBS-Consulting. Lediglich für die Einrichtung des erforderlichen Insolvenzschutzes würde der Gesetzgeber eine sechsmonatige Frist gewähren. Ob und wie unterlassener Insolvenzschutz geahndet werden soll, bleibt außen vor. Beispiele für Firmeninsolvenzen, in denen Zeitwertkonten bestanden, sind derzeit nicht bekannt. Portabilität kommtPositive Resonanz findet der Regelvorschlag für die sogenannte Portabilität bei Zeitwertkonten. Bisher wurde beim Arbeitgeberwechsel das Zeitwertkontoguthaben geldwert ausbezahlt und war nicht übertragbar. Künftig soll eine begrenzte Mitnahmemöglichkeit eingeräumt werden. Die Mitnahme zu einem neuen Arbeitgeber werde aber nur dann ermöglicht, wenn dieser bereits Zeitwertkonten habe. Für den Fall, dass der neue Arbeitgeber den Wertguthabenvertrag nicht übernehmen möchte oder aber der Beschäftigte in kein neues Beschäftigungsverhältnis eintritt, kann er sein Wertguthaben auf die Deutsche Rentenversicherung Bund übertragen lassen.Laut Flexi-II-Gesetzentwurf betreffen die Pläne nur sogenannte Wertguthaben, auf denen Arbeitnehmer Arbeitsstunden oder Arbeitsentgelt im Wert von mindestens drei Monatsgehältern angesammelt haben. Das sind im Westen etwa 7 000 Euro und im Osten etwa 6 500 Euro. Arbeitszeitkonten, die dem Ausgleich von Gleitzeit oder Überstunden dienen, sind davon nicht betroffen. Hier wird erneut deutlich, dass viele Bundesbürger bisher Zeitwertkonten mit Zeiterfassungssystemen verwechseln. Das fiel auch Helmut Hofmeier, Chef der Gothaer Lebensversicherung AG, auf, dessen Gesellschaft zu dem Dutzend Assekuranzunternehmen zählt, die Zeitwertkontenkonzepte inklusive ihrer Verwaltung auch für mittelständische Firmen anbieten. Auch Banken, Kapitalanlagegesellschaften und zahlreiche Spezialberatungsfirmen haben Zeitwertkontenangebote entwickelt, die sie größtenteils inklusive aller Back- Office-Arbeiten und Verwaltung in den Markt bringen.Der Bedarf für Zeitwertkonten sei vorhanden, betont Hofmeier. Fast 84 % der Arbeitnehmer, die an einer Gothaer-Online-Umfrage teilnahmen, wollen ihre Lebensarbeitszeit gern durch aufgesparte Zeit und angesparte Boni sowie Sonderzahlungen aus ihrem Zeitwertkonto reduzieren. 34 % der Befragten nähmen dabei sogar finanzielle Nachteile in Kauf, wenn in späteren Jahren der Tausch “Zeit gegen Geld” nicht mehr 1:1 möglich sei, hieß es.Der Flexi-II-Gesetzentwurf hat einen bitteren Beigeschmack: Bei den Kapitalanlagen soll der Anteil von Aktien(-fonds) auf maximal 20 % begrenzt werden. Gemäß Gesetzesbegründung kann es “nicht hingenommen werden, dass der Sozialversicherung und dem Fiskus allein durch riskante Anlageentscheidungen der Vertragsparteien Beiträge und Steuern in erheblichem Umfang verloren gehen, zumal wenn man bedenkt, dass in den Wertguthaben weit mehr als die Hälfte des Umfangs öffentlicher Mittel enthalten sind”.Höhere Aktienanteile gemessen an der Geldanlagesumme sollen nur dann möglich sein, wenn in einem Tarifvertrag bzw. einer Betriebsvereinbarung entsprechendes vereinbart oder wenn ein Lebenszyklusmodell beschlossen wurde. Dies betrifft laut Gesetzesbegründung Vereinbarungen über eine Freistellung in fernerer Zukunft, die “an das Erreichen einer Altersgrenze zur Gestaltung des Übergangs in die Altersvollrente” geknüpft sind. Mit dieser Aktienobergrenze blieben den Zeitwertkonteninhabern echte Renditechancen verwehrt, kritisiert der Präsident des Bundesverbandes Investment und Asset Management (BVI), Wolfgang Mansfeld. Seiner Meinung nach wäre das verpflichtende Angebot mindestens einer schwankungsarmen oder den Nominalwert garantierenden Anlagevariante “durchaus ausreichend”, wenn einem vermuteten Schutzbedürfnis der Arbeitnehmer in Deutschland Rechnung getragen werden solle. Schlag gegen AktienkulturMansfeld sieht den Gesetzentwurf als “einen Schlag gegen die Aktienkultur und letztlich nachteilig für Investitionen und Beschäftigung in Deutschland”. Der Kabinettsentwurf schieße weit über das Ziel hinaus, wenn Arbeitnehmern vorgeschrieben werde, in welchen Anlageformen sie ihre angesammelten Überstunden, nicht genommenen Urlaubstage oder Gehaltsbestandteile anlegen dürften. “Wenn ein Arbeitnehmer selbst erwirtschaftetes Einkommen nicht konsumiert, sondern für eine spätere Verwendung anlegen möchte, wieso sollte er dann nicht selbst entscheiden dürfen, in welcher Anlageform und mit welchem Chance-Risiko-Verhältnis er dies tut?”, fragt Mansfeld. “Der zentrale Mangel des Gesetzesentwurfs ist die fehlende Definition und die unterschiedliche Verwendung des Begriffs Wertguthaben”, so FEBS-Geschäftsführer Buttler. Nach dem aktuellen Entwurf sei es nicht mehr zwingend erforderlich, dass Vermögen gezielt oder getrennt angelegt werde, um Verpflichtungen aus den Arbeitsentgeltguthaben abzudecken. “Deshalb ist auch nicht nachvollziehbar, warum eine freiwillige Anlage von Vermögen in Höhe der Arbeitsentgeltguthaben umfangreichen Anlagerestriktionen unterworfen werden soll.”Es sieht so aus, als ob die Politiker in Berlin das Flexi-II-Gesetz noch rechtzeitig bis zum Jahresende auf den Weg bringen. Vereinbarungen zu Zeitwertkonten in den Unternehmen jetzt unter Zeitdruck zu lancieren wäre unsinnig, sagen die Fachleute. Es seien keine durchschlagenden Verschlechterungen mit dem Inkrafttreten im kommenden Jahr auszumachen; Verbesserungen allerdings auch nicht.