INVESTMENTFONDS - IM INTERVIEW: STEFAN BLUM, BB MEDTECH

"Gesundheit ist und bleibt das wichtigste Gut"

Medizintechniksektor wird wieder entdeckt - Stärkeres Umsatzwachstum in Orthopädie und Kardiologie

"Gesundheit ist und bleibt das wichtigste Gut"

Das Interesse der Investoren an den Medizintechnikunternehmen hat in den zurückliegenden Monaten deutlich zugenommen. Die Kursavancen zeigen, dass der Sektor neu bewertet wird. Im Interview der Börsen-Zeitung erklärt Stefan Blum, Lead Manager BB Medtech Fonds von Bellevue Asset Management, warum die Anleger die Medizintechnik-Unternehmen wieder entdecken.- Herr Blum, im Januar ist bekannt geworden, dass BlackRock große Anteile an Medizintechnikunternehmen wie Boston Scientific und Covidien aufgebaut hat. Woher rührt das wachsende Interesse von institutionellen Investoren an Medizintechnikunternehmen?Über die vergangenen fünf Jahre erzielte der Medizintechniksektor eine Outperformance gegenüber dem MSCI World Net von 20,4 %, und dies stetig in vier von fünf Jahren. Der Sektor zeigt damit erneut, dass er zu den defensivsten Sektoren mit nachhaltigem Potenzial zur Outperformance gegenüber dem breiten Markt gehört. Allerdings zeigten viele Investoren, vor allem in den USA, gegenüber dem Sektor eine gewisse Zurückhaltung. Der Hauptgrund dafür war, dass sich über die vergangenen Jahre das Umsatzwachstum in den reifen Absatzmärkten der Orthopädie und Kardiologie stetig verlangsamt und dadurch das Umsatzwachstum des Gesamtmarktes belastet hat. In diesem Jahr rechnen wir erstmals wieder mit einer leichten Beschleunigung des Umsatzwachstums und die Quartalsergebnisse des vierten Quartals 2012 bestätigen diese Einschätzung. Viele Investoren sind also trotz der mehrjährigen Outperformance eher unterinvestiert und entdecken die Attraktivität des Sektors neu, was zu erheblichen Zuflüssen und einer damit verbundenen Höherbewertung des Medizintechniksektors führen dürfte.- Welche Sektoren sind Ihrer Ansicht nach attraktiv?Wir investieren nicht nach einem Sektoransatz. Unternehmensspezifische Faktoren wie Innovationskraft, Produktzyklus oder die spezifischen Indikationen sind unseres Erachtens die kursrelevanten Faktoren. Generell sehen wir großes Potenzial bei minimalinvasiven Technologien, innovativen diagnostischen Verfahren und bei Unternehmen mit einer starken Ausrichtung auf die Schwellenländer.- Welche Rolle spielen die Schwellenländer für die Medtech-Unternehmen?Obwohl der Umsatzanteil der Schwellenländer am weltweiten Medizintechnikumsatz mit 10 bis 15 % noch relativ klein ist, sind diese für die Wachstumsdynamik des Sektors enorm wichtig. Unter Ausklammerung von neuen innovativen Technologien, welche komplett neue Märkte schaffen, machen Umsatzsteigerungen in den Schwellenländern bereits heute rund 50 % des globalen Sektorwachstums aus. Von jedem zusätzlichen Euro der für Medizintechnik ausgegeben wird, stammen 50 Cent aus den Schwellenländern. Unternehmen, welche in reifen Märkten tätig sind und keine starke Position in den Schwellenländern besitzen, verlieren somit bereits heute nachhaltig Marktanteile.- Leiden nicht Unternehmen wie beispielsweise die Zahnimplantathersteller unter den Billigprodukten aus den Schwellenländern?Bei den Zahnimplantaten spielen zwei Faktoren eine Rolle. Die Nachfrage ist einerseits abhängig vom gesamtwirtschaftlichen Umfeld. Wenn das Geld knapp ist, gibt es günstigere Behandlungsalternativen, wobei keine Behandlung vorzunehmen und die Zahnlücke offen zu lassen die günstigste Option darstellt. Andererseits leiden die Premiumanbieter unter dem Konkurrenzdruck von Billiganbietern. Diese kommen aber nur bedingt aus den Schwellenländern, sondern sind lokal gut vernetzte Anbieter, die sogar in Hochlohnländern wie der Schweiz oder in Skandinavien produzieren. Gespart wird auf der Dienstleistungsseite. Die Premiumanbieter haben bis heute noch keine Antwort auf diese Herausforderung gefunden und verlieren deshalb stetig an Boden.- Finden Medtech-Unternehmen aus den Schwellenländern Eingang in Ihr Portfolio?Natürlich, aber vor drei Jahren hatten wir einen deutlich höheren Anteil von 10 bis 15 % an lokalen Unternehmen aus China oder Indien im Portfolio. Heute setzen wir mehr auf multinationale Unternehmen mit hohem Schwellenländeranteil. Am Beispiel Chinas zeigt sich, dass die chinesischen Anbieter Mühe haben, sich im Topsegment zu etablieren. Der lokale Konkurrenzkampf im mittleren Segment wird zudem derart hart ausgetragen, dass die Ertragsmargen unter Druck geraten. Zusätzlich senkt die chinesische Regierung die Preise jährlich um 10 bis 15 %. Die Umsätze der Unternehmen wachsen also trotz Volumenwachstum von 30 % und mehr, nur noch mit 15 bis 20 %, und die Margen sind bestenfalls stabil. Die Aktien sind heute jedoch auch günstiger bewertet, weshalb wir wieder vermehrt Einstiegschancen sehen.- Auf der einen Seite profitiert der Medizintechniksektor sicherlich von der steigenden Lebenserwartung und der Zunahme der chronischen Krankheiten. Führt die Verschuldung der Haushalte nicht auf der anderen Seite zu Kürzungen der Gesundheitsbudgets?Bis jetzt ist es weitgehend bei Rhetorik geblieben. Die Gesundheit ist und bleibt das wichtigste Gut. Preisdruck findet vor allem bei nicht differenzierten Produkten statt. Innovative Produkte und Dienstleistungen, welche das Patientenwohl oder die Effizienz im Gesundheitswesen steigern, sind davon nicht betroffen. Unseres Erachtens kommt es direkt oder indirekt zu einer Umverteilung der Belastung vom Staat hin zum Patienten: Die Prämien für die Krankenversicherung und die Selbstbehalte werden weiter steigen, oder die Steuerbelastung nimmt zu. Ein Verzicht auf bestmögliche medizinische Versorgung ist keine Option.- Wo liegen die Risiken im Medtech-Sektor?Wir sehen da vor allem das regulatorische Risiko sowie Kostenerstattungsrisiken. Die Anforderungen an die Zulassung neuer Produkte, speziell in den USA, nehmen zu, und die Zulassungsprozesse dauern länger. Produkte, die keinen oder nur wenig zusätzlichen klinischen Nutzen bringen und zu Mehrkosten führen, haben da wenig Chancen zugelassen zu werden.- Welche Schwerpunkte haben Sie in Ihrem Portfolio gesetzt?Im Moment setzen wir zu 55 % auf günstig bewertete Value-Aktien, das heißt vor allem auf großkapitalisierte, breit abgestützte Medizintechnikunternehmen mit einer guten Produktpipeline und starker Schwellenländerausrichtung. 45 % des Portfolios ist in Wachstumstitel von Unternehmen investiert, welche über hochinnovative Produkte verfügen und neue Märkte erschließen.- Welchen Anteil haben Small und Mid Caps in Ihrem Portfolio?Aktien mit einer Marktkapitalisierung von unter 5 Mrd. Dollar haben aktuell einen Portfolioanteil von 19 %.- Wie sieht das Risikomanagement in Ihrem Depot aus?Risikomanagement beginnt bei uns bereits bei der Anlagephilosophie, welche besagt, dass Innovation und Qualität eines Unternehmens nachhaltig über dessen Erfolg bestimmen. Qualität bedeutet dabei, dass unsere Portfoliounternehmen über ein überdurchschnittliches Management und grundsolide Bilanzen verfügen. Zusätzlich berücksichtigen wir bei der Positionsgewichtung die Volatilität und Liquidität einer Aktie. Wir erachten einen Tracking Error im Bereich von 3 bis 6 % als angemessen.- Wie hoch ist die Volatilität des Fonds?Über die vergangenen drei Jahre liegt die Volatilität des BB Medtech Lux Fonds bei 15,2 %. Die Volatilität des Dax liegt über dieselbe Periode bei 22,4 %.- Wann verkaufen Sie eine Position?Wir definieren für jedes Aktieninvestment zeitlich determinierte Katalysatoren und relative Kursziele, welche laufend aktualisiert werden. Verändert sich unsere fundamentale Einschätzung löst dies Kauf- oder Verkaufsentscheide aus.—-Das Interview führte Armin Schmitz.