Immobilien - Gastbeitrag

Immobilien durch Aufsicht adäquat berücksichtigen

Börsen-Zeitung, 20.1.2011 In der aktuellen Debatte um Stresstests der europäischen Banken, die Verbesserung von Risikomanagementsystemen oder um die Eigenkapitalunterlegung von Immobi lieninvestments bei Versicherungen zeigt sich ein...

Immobilien durch Aufsicht adäquat berücksichtigen

In der aktuellen Debatte um Stresstests der europäischen Banken, die Verbesserung von Risikomanagementsystemen oder um die Eigenkapitalunterlegung von Immobi lieninvestments bei Versicherungen zeigt sich ein stiefmütterlicher Umgang mit der Assetklasse Immobilie.Erstes Beispiel: Versicherungen sollen laut Solvency II zukünftig Immobilienanlagen grundsätzlich mit 25 % Eigenkapital unterlegen, bei Projektentwicklungen oder Einsatz von Fremdkapital sogar mit 39 %, womit die einzelnen Assets völlig undifferenziert hinsichtlich regionaler oder sektoraler Allokation ein gestuft würden.Die europäische Versicherungsaufsicht CEIOPS hatte sich der Abbildung von Immobilienmarktrisiken zunächst über Indizes für Immobilien-AGs angenähert. Dies ist bezogen auf die Verfügbarkeit von langjährigen Zeitreihen mit zahlreichen Datenpunkten ein angemessener Ansatz, wenn im Vordergrund steht, mit mindestens 250 Datenpunkten die Schwankungsbreite eines Marktes zu ermitteln. Aktienindizes ungeeignetImmobilienaktienindizes sind jedoch zur Abbildung der Wertentwicklung von Portfolios institutioneller Bestandshalter denkbar ungeeignet. Immobilienaktienindizes haben eine viel höhere Korrelation mit Aktienindizes als mit Immobilien. Der Wechsel zum IPD UK All Property Index als relevanter Zeitreihe für die Immobilienperformance war somit ein wichtiger Schritt, um wirklich die Entwicklung und die Risikosituation in einem Immobilienmarkt abzubilden.Wohlgemerkt in einem Immobilienmarkt – als alleiniger Repräsentant für die europäischen und globalen Immobilienmärkte sieht IPD den UK IPD Index jedoch nicht. Soll sich die geringe Volatilität des Hamburger Wohnungsmarktes durch die starken Schwankungen des Londoner Büromarktes abbilden lassen?Sich allein von der guten Verfügbarkeit der Daten leiten zu lassen, wird der Realität internationaler Investoren nicht gerecht. IPD berechnet auf Basis von Primärdaten Indizes für 25 verschiedene Länder und zusätzlich einen Pan-European Index und einen Global Index. Jedoch reichen diese Indizes nicht so weit in die Vergangenheit zurück wie der IPD UK Index. Abschläge je nach GustoZweites Beispiel: In den Stresstests der europäischen Finanzbranche im Sommer 2010 wurden vom Committee of European Banking Supervisors (CEBS) keine konsistenten Vorgaben für den Immobiliensektor angewandt, sondern auf Schätzungen der jeweiligen nationalen Finanzaufsicht zurückgegriffen. Während in einigen Ländern deutliche Abschläge im Krisenszenario unterstellt werden, bleiben die Werte in anderen Ländern diskussionswürdig, wenn beispielsweise für wirtschaftlich angeschlagene Peripherieländer geringere Abschläge angesetzt werden als für Deutschland.Eine konsistente Quelle für die Wertentwicklungen wäre somit notwendig, um ein realistisches Bild zu zeichnen, zumal in den Büchern der Banken große Bestände in- und ausländischer Immobilienfinanzierungen stehen. Immobilien nur 3. LigaDie augenscheinlich mangelhafte Einordnung und Abbildung von Immobilienmärkten und -risiken lässt vermuten, dass für die Aufsichtsbehörden entweder die Anlageklasse Immobilie relativ zu den Anlageklassen Wertpapiere und Aktien eben nur die 3. Liga darstellt oder dass Finanzwirtschaft und Aufsichtsbehörden unzureichend auf eine objektive Beurteilung der Assetklasse Immobilie vorbereitet sind.Zugegeben, Immobilien sind natürlich heterogen, und die Immobilienmärkte sind recht kleinteilig, sodass die Datenlage schwierig ist, um die aktuelle und historische Performance, deren Volatilität an den einzelnen Märkten und damit das Potenzial von Auf- bzw. Abwertungen ermitteln zu können. Hier stellt sich die Anforderung an verlässliche Informationen zur Wertentwicklung von Immobilien: Allgemein akzeptierte Daten, internationale Standards der Erhebung und Vergleichbarkeit der Ergebnisse, Verfügbarkeit der Daten für sämtliche etablierten Märkte und eine möglichst große Zahl von Emerging Markets oder die Bereitstellung von Informationen auf kleinräumiger Ebene für die Beurteilung von einzelnen Objekten. Eigenkapital nur nach RisikoAuch wenn der Begriff schon überstrapaziert erscheint – eine größere Transparenz würde allen Beteiligten helfen, auch wenn ein Optimum oder nur ein angemessener Standard schwer erreichbar scheint. Um die Risiken von Immobilieninvestments und -finanzierungen national und international hinreichend bewerten zu können, wären z. B. kürzere Bewertungsintervalle als die in Deutschland bei vielen Investoren üblichen jährlichen Bewertungen wichtig.Gerade bei Engagements im Ausland sind die teilweise starken Marktschwankungen ein wesentlicher Faktor für die Beurteilung der Leistungskraft von Investoren und finanzierenden Institute. Eine zeitnahe Erfassung von Veränderungen, die sich in Marktindizes widerspiegelt, kann dazu dienen, die Risiken adäquat abzubilden.Dies schließt eine Beurteilung der Einzelobjekte auf der Basis von kleinteiligen, nach (Teil-)Markt und Nutzungsart differenzierten Benchmarks ein – und steht in deutlichem Gegensatz zu der bislang gegebenen Vernachlässigung bzw. Generalisierung von Immobilienanlagen seitens der Finanzaufsichtsbehörden. Den höheren Aufwand würden Investoren bzw. Finanzinstitute aufgrund steigender Genauigkeit akzeptieren, weil nur Eigenkapital gebunden wird, das dem tatsächlichen Risikopotenzial entspricht.