Immobilien - Gastbeitrag

Keine Krise in Großbritannien

Börsen-Zeitung, 21.2.2008 Die Hypothekenmarktkrise in den USA und die Immobilienblase in Spanien haben Marktbeobachter stark sensibilisiert. Bereits unvermeidliche zyklische Abwärtsbewegungen am Markt werden inzwischen teilweise schon als nächste...

Keine Krise in Großbritannien

Die Hypothekenmarktkrise in den USA und die Immobilienblase in Spanien haben Marktbeobachter stark sensibilisiert. Bereits unvermeidliche zyklische Abwärtsbewegungen am Markt werden inzwischen teilweise schon als nächste Krise empfunden, wie sich derzeit am britischen Immobilienmarkt zeigt.Dabei liegen Abwärtsbewegungen in der Natur eines jeden Marktzyklus: Auch ein Markt mit einer langjährigen Aufschwungphase, wie wir sie am britischen Immobilienmarkt gesehen haben, kühlt früher oder später wieder ab. Die Entwicklung am amerikanischen Hypothekenmarkt verstärkt diese Abwärtsbewegung zwar, ist aber keineswegs deren Auslöser. Schließlich hat der zeitweise sehr steile Anstieg der britischen Häuserpreise bereits seit vier Jahren sukzessive an Dynamik verloren. Für 2008 ist mit einer annähernden Stagnation des Preisniveaus zu rechnen, was auch die Möglichkeit von Preisrückgängen einschließt. Allerdings dürfte die Entwicklung insgesamt weiterhin relativ moderat verlaufen, denn trotz des langjährigen Preisaufschwungs gab es in Großbritannien in den letzten Jahren nur eine mäßige Bautätigkeit. Hierin unterscheidet sich der britische Wohnimmobilienmarkt stark vom spanischen: Hat sich die Zahl der fertiggestellten Objekte in Spanien zwischen 2000 und 2007 von 400 000 auf 830 000 mehr als verdoppelt, so betrug der Zuwachs in Großbritannien im selben Zeitraum lediglich 22 %. Statt 180 000 Objekten 2000 waren es 2007 rund 220 000. Daher ist der Angebotsüberhang in Großbritannien deutlich geringer, was die Wahrscheinlichkeit eines Preisverfalls stark reduziert.Auch auf dem Gewerbeimmobilienmarkt ist das Reden von einer Krise übertrieben. Der Londoner Büromarkt befindet sich zyklisch betrachtet auf einem Höhepunkt, und die Wachstumsphase mit zweistellig zunehmenden Mietpreisen ist zunächst beendet. Denn der geschätzte Stellenabbau im Banken- und Finanzsektor von 5 000 bis 10 000 Stellen als Folge der Turbulenzen auf dem Finanzmarkt wird voraussichtlich zu einer gedämpften Nachfrage führen. Allerdings wäre es vermessen, die Entwicklung mit der Immobilienkrise der neunziger Jahre gleichzustellen, während der allein 1992 rund 50 000 Bankangestellte in London ihre Stelle verloren. Noch weitaus weniger betroffen von einer Immobilienkrise ist der Einzelhandelsimmobilienmarkt. Die Mieten in diesem Bereich steigen 2008 um lediglich 2 bis 3 %, weil in diesem Jahr ein höheres Fertigstellungsvolumen erwartet wird und es damit zu einem gewissen Überangebot kommen könnte. Moderater ZinsanstiegEs ist unbestritten, dass die Folgen der Krise am amerikanischen Hypothekenmarkt bis nach Großbritannien reichen. Das Gefahrenpotenzial für ein vergleichbares Krisenszenario wie in den USA ist jedoch gering: Dafür spricht auch, dass die Leitzinsen in Großbritannien zwischen 2003 und dem Höchststand im vergangenen Jahr weitaus weniger drastisch gestiegen sind (von 3,5 auf 5,75 %) als in den Vereinigten Staaten (von 1 auf 5,25 %). Zudem wurde die Vergabe von Hypothekenkrediten in Großbritannien bei weitem nicht so lax gehandhabt, wie dies teilweise in den USA geschehen ist.