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Klima-Investments sind cooler

Investmentgesellschaften bieten eine Vielzahl von Fonds mit Dekarbonisierungsstrategie. CO2-neutrale Portfolios sind jedoch nur ein erster Schritt.

Klima-Investments sind cooler

Von Wolf Brandes

Für die Fondsbranche haben die Worte Dekarbonisierung der Wirtschaft und ESG, also eine Auswahl von Investments nach Umwelt-, sozialen und Governance-Kriterien, ihren Schrecken verloren. Über lange Zeit im Raum stehende möglicherweise geringere Renditen bei grünen Investments werden nicht mehr diskutiert, die These gilt als widerlegt. ESG-Anlagen sind in Sachen Rendite nicht besser oder schlechter als herkömmliche Fonds – eher gibt es einen leichten Vorteil, weil die Risiken niedriger sind. Mittlerweile gilt: Nachhaltigkeit und Kohlenstoffneutralität bergen aus Sicht der Finanzbranche große Wachstumschancen. Die Zahl der Fonds mit „Carbon“ im Namen wächst immer weiter.

Da die Nachfrage nach sauberen und grünen Technologien zunimmt, steigen die Investitionen in diesem Bereich und die Anleger haben längst angefangen, umzudenken. Das Streben nach Nachhaltigkeit ist Treiber des Wandels zur klimaneutralen Wirtschaft. Unternehmen sehen sich gezwungen, auf ihre Kohlenstoffemissionen zu achten. „Immer mehr Kunden interessieren sich für Nachhaltigkeit, und das treibt die Gelder in die Strategien, die diese Veränderungen am besten unterstützen“, sagt Amanda O’Toole, Portfoliomanagerin bei Axa Investment Managers. Beispielsweise sei das weltweite Vermögen in nachhaltigen Fonds Ende 2020 auf einen Rekordwert von 1,7 Mrd. Dollar gestiegen, das entspreche einem Anstieg um 50% gegenüber dem Vorjahr.

 

Ein Viertel der Unternehmen

Seit dem Pariser Abkommen 2015 haben sich immer mehr Länder zu Netto-null-Zielen verpflichtet und viele Unternehmen folgen diesem Beispiel. Doch das Investmentuniversum für Klimafonds ist bei genauer Betrachtung noch überschaubar. Ein Problem sind auch die Daten. Nach Beobachtung von Thomas Höhne-Sparborth, Head of Sustainability bei Lombard Odier Investment Management, haben 50% der Unternehmen im MSCI World konkrete Angaben zu ihren Zielen oder Zusagen zur Verringerung der Kohlenstoffemissionen veröffentlicht. Er schätzt außerdem, dass nur 25% der Unternehmen im MSCI World darauf ausgerichtet seien, die Erwärmung unter 2 Grad zu halten. „Derzeit sind die Unternehmen im Index insgesamt auf eine globale Erwärmung von 2,9 Grad ausgerichtet – weit entfernt vom Ziel des Pariser Abkommens.“ Für CO2-orientierte Aktienfondsmanager sind das wesentliche Daten. Denn wenn Unternehmen Ziele verfehlen oder sich Strategien als undurchführbar erweisen, könne die Glaubwürdigkeit der Gesellschaften leiden, was zu Abschlägen bei der Bewertung führen könne.

An Zielen mangelt es im Feld der CO2-Investments auch bei den Fondsanbietern nicht. Auf dem Klimagipfel in Glasgow gab die Fondsgesellschaft Abrdn bekannt, eine Reduktion der CO2-Intensität ihres verwalteten Vermögens um 50% bis 2030 gegenüber 2019 anzupeilen. Stephen Bird, CEO von Abrdn, räumte aber ein: „Dabei müssen wir uns jedoch darüber im Klaren sein, dass wir die globale Klimakrise nicht lösen werden, wenn wir einfach nur das Geld unserer Kunden aus CO2-intensiven Aktien in grünere Alternativen umschichten.“ Die Dekarbonisierung eines Portfolios sei nicht mit der Dekarbonisierung einer Branche gleichzusetzen, dafür brauche es ein Engagement mit den Unternehmen. „Vermögensverwalter operieren nicht in einem Vakuum“, so Bird.

Die Gesellschaft Ninety One, die aus Investec hervorgegangen ist, kennt die Probleme bei der Suche nach attraktiven CO2-Reduktions-Kandidaten. Die Fondsmanagerin Deirdre Cooper verwaltet den vor drei Jahren aufgelegten Ninety One Global Environment Fund, der auf die Dekarbonisierung als langfristigen Wachstumstrend ausgerichtet ist. „Im Portfoliomanagement geht es darum, Firmen zu identifizieren, die auf dem Pfad der Dekarbonisierung sind beziehungsweise das Thema mit ihrer Tätigkeit voranbringen“, sagt Cooper. Weltweit sei das Universum für das Anlageziel mit 1.200 Unternehmen ausreichend groß, doch investiert wird nur in 25 Aktien. „Einer der reifen Sektoren mit starkem Fokus auf die Klimathematik sind die Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Eines unserer Top-Unternehmen ist die S&P-500-Firma Nextera Energy, weltgrößter Erzeuger von Solar- und Windkraftenergie.“ In anderen Sektoren sei es deutlich schwieriger mit dem Thema CO2. Sicherlich gebe es erste Entwicklungen im Bereich „grüner Stahl“, aber da gebe es noch viele offene Fragen, sagt Cooper. „Komplex ist auch die Thematik bei der Luftfahrt, denn die Entwicklung von alternativen Treibstoffen ist extrem schwierig.“

 

Halbleiter attraktiv

 

Attraktiv wiederum ist aus CO2-Sicht die Halbleiterbranche, da Elektroautos fünf- bis zehnmal so viele Halbleiter brauchen im Vergleich zu konventionellen Verbrennern. „Das zeigt das Potenzial der Elektromobilität für den Bereich Technologie allgemein und Halbleiter insbesondere. Halbleiter wurden im Zusammenhang mit dem Thema Dekarbonisierung bisher völlig unterschätzt“, so Cooper. Ihr Favorit in dem Segment ist Infineon. Schwierig dagegen ist für einen Klimafondsmanager der Nahrungsmittelsektor. Man werde das Ziel der Emissionsreduktion kaum erreichen, wenn die Bevölkerung weltweit in gleichem Umfang Fleisch isst wie bisher. Cooper: „Da ein Verbot politisch nicht durchsetzbar ist, wird man viel mehr Alternativen schaffen müssen.“

 

Blick aufs Ganze richten

 

Kein Rindfleisch aus Brasilien und am besten keine Schwellenländer mit höheren Emissionen im Portfolio. Doch die Branchenexperten nehmen meist eine globale Sichtweise an. „Man kann Einzelportfolios mit bestimmten Strategien schnell auf eine Emission von null herunterfahren, indem man in wenige Branchen investiert. Doch damit überlässt man das Problem den anderen am Markt. Das wäre jetzt wirklich zu einfach zu sagen: Ich bin grün, weil ich alles verkaufe, was schmutzig ist. Klingt cool, ist es aber nicht“, sagt Jean-Jacques Barbéris, ESG-Chef bei Amundi. Es sei daher wichtig, in den Emerging Markets engagiert zu sein. „Es ist nun mal eine Herausforderung der Finanzindustrie, auch in den Schwellenländern darauf hinzuwirken, dass Unternehmen weniger Emissionen emittieren und ESG-Kriterien erfüllen werden. Wir haben in Europa sicherlich die Emissionen reduziert – aber auch deshalb, weil wir Emissionen exportiert haben.“

Ninety-One-Managerin Cooper setzt das in ihrer Allokation um: „An den Schwellenländern zeigt sich, dass es einen sehr starken Zusammenhang zwischen Wachstum und Treibhausgasemissionen gibt mit einer Korrelation von 90 %. Das gilt es zu brechen. Unabhängig davon finden wir in den Emerging Markets viele attraktive Kandidaten für unser Portfolio. Daher ist der Schwellenländer-Anteil im Fonds deutlich höher als bei anderen Produkten.“

Das Thema Dekarbonisierung spielt nicht nur bei Aktienfonds eine Rolle. Der DWS Low Carbon Bonds investiert in Unternehmensanleihen und verfolgt das Ziel, die CO2-Intensität auf Portfolioebene mindestens 50% unterhalb des iBoxx Euro Corporate Bond Index zu halten. Der Wert müsse zu jeder Zeit unter 500 Tonnen (Scope 1 bis 3) pro Million Dollar Umsatz liegen, heißt es dazu im Factsheet. Anlagen im Kohlesektor seien außerdem nicht erlaubt.

Die Klimakonferenz in Paris 2015 war für die Fondsbranche besonders wichtig. Dort gab es den Startschuss für Paris-Aligned Benchmarks (PAB). Damit wurden transparente Indexfonds mit Klimaziel möglich. „Das Tolle an Paris Aligned Benchmarks ist, dass sie den europäischen Standard gesetzt haben. Eine EU-Regulierung ist ein großer Vorteil und schafft viel Vertrauen. Es gibt im Bereich von ESG und Klima zweifelhaftes Marketing bis hin zu Greenwashing. Beim PAB-Konzept ist das überhaupt nicht der Fall“, sagt Amundi-Manager Barbéris, der aber bedauert, dass PAB-Fonds noch kein Massenprodukt seien. Trotz eines großen Interesses fehle der durchschlagende Erfolg. „Das ist schon erstaunlich, weil PAB wirklich große Vorteile haben. Momentan sind es wohl nur die fortschrittlichsten Kunden, die hier investieren.“

 

Ehrgeizige Vorgaben

 

Indexanbieter S&P Global begrüßt es ebenfalls, dass Aktienindizes zum Erreichen der Pariser Klimaschutzziele beitragen. Das Haus profitiert davon, dass die Europäische Union nach Paris eine Neufassung ihrer Vorgaben zur Indexregulierung auf den Weg gebracht hat. Dadurch wird Anlegern die Möglichkeit gegeben, Kapital in klimafreundliche Aktienindizes zu leiten. Bei den neuen Indizes handelt es sich neben den PAB um die Climate Transition Benchmarks (CTB). Die Vorgaben zu den PAB-Indizes sind ehrgeizig formuliert und dienen auch zur Kennzeichnung klimafreundlicher Investments.

Der BNP Paribas Easy Low Carbon 100 Europe PAB ETF beispielsweise bildet die Wertentwicklung von 100 europäischen Unternehmen ab, die anhand ihrer Freisetzung von CO2-Emissionen positiv bewertet werden. Der Index erfüllt die Kriterien einer Paris-Aligned-Benchmark. „Ziel ist es, den CO2-Fußabdruck im Vergleich zum Anlageuniversum um rund 50 % zu reduzieren. Die PAB sieht einen Mechanismus vor, um den CO2-Fußabdruck des Portfolios um mindestens 7 % pro Jahr weiter zu reduzieren“, erläutert BNP Paribas.

Der Amundi MSCI Europe Climate Transition CTB zielt darauf ab, die Performance des CTB-Index nachzubilden. Dabei kommt es zu Abweichungen vom MSCI Europe. Der Sektor Industrie ist im CTB-Fonds mit 19,4% deutlich höher gewichtet als im klassischen Index (15,0%). Andererseits sind im Klimaindex nur 0,4 % Energiewerte enthalten im Vergleich zu 4,8% im traditionellen Index. Auch bei den Einzelwerten gibt es Abweichungen. Im Klimaindex ist Novartis mit 3,7% der größte Wert, während das Unternehmen im MSCI Europe nur mit 1,7% gewichtet ist. Beim CO2-Fußabdruck sieht man im Vergleich die Folgen einer Klima-Selektion. Im CTB-Index beträgt der CO2-Fußabdruck 31 Tonnen CO2-Äquivalente pro Millionen Euro Investition, während der konventionelle Index auf 77 Tonnen kommt.

Die Paris-Aligned Benchmarks als europäischer Standard zeigen die Bedeutung der Regulierung beim Klimaschutz und der Nachhaltigkeit für die Finanzbranche. „All diese Initiativen können und sollen Politik unterstützen, doch ohne noch mehr Regulierung wird es nicht gehen“ sagt Amundi-ESG-Chef Barbéris. Ein Ruf nach Regulierung sei in der Finanzbranche zwar unüblich, aber das Thema sei zu wichtig. Für sich genommen reichen die Net-Zero-Initiativen allein nicht aus. Barbéris fordert ein Mehr an Regulierung ungeachtet der Tatsache, dass sechs Jahre nach Paris das ESG-Thema schon jetzt massiv in die Regulierung eingeflossen sei. „Alles, was bisher an ESG-Regulierung auf dem Tisch liegt, ist hilfreich und wir unterstützen das“, sagt der Amundi-Vorstand.

 

Konkrete Abfragen

 

Was die Regulierung noch leisten müsse und was mit der Neufassung von Mifid II kommen werde, sei die Investorenperspektive.  Laut EU-Kommission müssen Berater ihre Kunden in der Beratung künftig fragen, ob sie in ihrer Kapitalanlage Nachhaltigkeit berücksichtigen wollen. Die Idee ist, dass konkret abgefragt werden muss, ob und in welchem Umfang bestimmte Kriterien bei der Geldanlage berücksichtigt werden wollen.

Zustimmung zur Regulierung im Bereich Nachhaltigkeit kommt auch von Cooper: „Die Regulierung treibt das Thema voran und wir unterstützen mit großer Überzeugung die Ziele der Taxonomie. Allerdings macht sie es schwieriger, in Schwellenländer-Unternehmen zu investieren. Dort bestehen die Voraussetzungen etwa hinsichtlich Transparenz oft nicht.“ So sei es beim Thema ESG und Dekarbonisierung eine Aufgabe der Investoren und Assetmanager, in den Schwellenländern Aufklärung und Entwicklungsarbeit zu leisten – damit sie für ihre Portfolios in attraktiven ESG-Firmen kaufen können, die den entsprechenden europäischen Regularien und Reportings genügen.

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