Mit Healthcare in den "sicheren Hafen"
Angesichts nun wieder dunkler Wolken am Konjunkturhimmel und zunehmender Rezessionsängste können relativ konjunkturunabhängige Branchen wie der Gesundheitssektor dankbare Anlagemöglichkeiten bieten. Dennoch ist auch hier Vorsicht angebracht, wie die vergangene Krise 2008/2009 gezeigt hat, als die Aktien dieses Sektors zum Teil ebenfalls kräftig in den Keller gingen.Von Christiane Lang, FrankfurtDie fundamentalen Trends für den Healthcare-Sektor gelten als stabil. In den westlichen Industriestaaten steigt die Lebenserwartung der Bevölkerung stetig, und auch das Gesundheitsbewusstsein nimmt zu, sodass die Menschen verstärkt auch bereit sind, aus der eigenen Tasche in ihre Gesundheit zu investieren.Die Ausgaben für Arzneimittel und Hilfsmittel wie Brillen, Hörgeräte oder orthopädische Vorrichtungen werden demnach weiter kräftig steigen. Zugleich gibt es in den Schwellenländern einen großen Nachholbedarf: Immer mehr Menschen kommen dort zu Wohlstand, der ihnen eine bessere medizinische Versorgung und damit auch eine höhere Lebenserwartung ermöglicht, schreibt die Nord/LB in ihrem jüngsten Branchenreport. Und das Potenzial ist zum Teil riesig: Z. B. wird in Indien laut OECD erst 1 % des Bruttoinlandsprodukts für Gesundheit ausgegeben. Das sei eine der niedrigsten Quoten weltweit. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 11,6 % und in den USA 17,4 % (siehe Grafik). Den Turbulenzen getrotztIm Vergleich zum Euro Stoxx 50 hat sich der Healthcare-Sektor seit Beginn des Jahres überdurchschnittlich entwickelt. Diese Tendenz habe sich sogar seit Anfang August und damit in den Börsenturbulenzen der letzten Wochen verstärkt, so die Nord/LB weiter. Der Sektor sei in dieser Phase seinem Ruf als “sicherer Hafen” gerecht geworden.Dieser Trend dürfte sich auch künftig fortsetzen. Viele Unternehmen aus dem Medizintechnik- und dem Pharmabereich hätten die Markterwartungen im ersten Halbjahr 2011 erreicht oder übertroffen. Bislang haben nur Stada und Celesio nach den Halbjahreszahlen eine Gewinnwarnung ausgesprochen, die meisten Unternehmen haben die Aussichten bestätigt; Fresenius und Drägerwerk haben ihre Prognosen sogar angehoben. Selbst in einer Rezessionsphase rechnet die Landesbank damit, dass die Unternehmen weiter Wachstum generieren können.Laut dem Fachverband Spectaris erwarten die Medizintechnikunternehmen für das laufende Jahr trotz der Marktturbulenzen rund 8 % Wachstum. Im Krisenjahr 2009 hatte die Branche einen für sie ungewohnten Umsatzrückgang von 4 % hinzunehmen. Im Jahr darauf wurde aber wieder ein Plus von 9,4 % ausgewiesen, wobei die Impulse vor allem aus dem Ausland – China, USA und Russland – kamen. Entsprechend zurückhaltender fallen denn auch die Aussichten für rein inländisch orientierte Unternehmen aus. Sie leiden unter den gestiegenen Rohstoffpreisen, können aber aufgrund des Kostendrucks im Gesundheitswesen nur begrenzt Preiserhöhungen durchsetzen. Patente laufen ausBei den Pharmaunternehmen drücken zwar das Auslaufen wichtiger Patente und die Sparmaßnahmen vieler wichtiger Regierungen auf das Wachstum. Jedoch hätten viele Firmen durch Sparmaßnahmen ihre Kostenstrukturen erheblich verbessert, schreibt die Nord/LB. Hoffnung machten auch Fortschritte in der Medikamentenforschung, die einen erheblichen Umsatzschub auslösen könnten. Wenn der Staat spart . . .Nicht ganz so positiv sieht die Equinet Bank den Healthcare-Sektor. Sie mahnt in ihrer in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie zum deutschen Gesundheitsmarkt zur Vorsicht. Dabei verweist sie darauf, dass sich jüngste politische Entwicklungen negativ auf die Branche auswirken: So könnten in den USA die Medizinausgaben aufgrund der notwendigen Verringerung der Staatsverschuldung in den kommenden zehn Jahren um 320 Mrd. Dollar gekürzt werden. Zudem habe Barack Obama die Pharmaindustrie aufgefordert, ärmeren Bevölkerungsschichten Preisnachlässe oder Rabatte zuzugestehen, was zusätzlich 135 Mrd. Dollar in der nächsten Dekade kosten würde.Auch in Europa registrieren die Autoren beunruhigende Entwicklungen und verweisen auf die wachsenden Sorgen über die Solvabilität staatlicher Krankenhäuser in Südeuropa. So habe der Pharmakonzern Roche entschieden, einige griechische Krankenhäuser wegen seit Jahren unbezahlter Rechnungen nicht mehr zu beliefern, und auch die dänische Novo Nordisk habe die Lieferung von Insulinprodukten zeitweise ausgesetzt. Sorgen mache Roche sich nicht nur in Griechenland, sondern auch in Spanien, Portugal und Italien. Das schwache Umfeld in Europa habe diesen Sommer eine Spur der Schwäche durch das Healthcare-Universum gezogen, schreibt die Equinet Bank.In der Studie wird auch darauf verwiesen, dass die Aktien deutscher Healthcare-Unternehmen in der letzten Krise im Durchschnitt immerhin 41 % verloren haben – gerechnet vom 1. Juli 2008 bis zu ihrem Tief im Jahr 2009. Am glimpflichsten seien Fielmann (- 9 %), Carl-Zeiss Meditec (- 25 %), Fresenius Medical Care (- 26 %) und Rhön-Klinikum (- 30 %) davongekommen. Unterschiedliche ReaktionenAngesichts der aktuellen Befürchtungen einer neuen Rezession haben nach der Studie der Equinet Bank die Titel sehr unterschiedlich reagiert. Manche Aktien wie die des Gesundheitskonzerns Fresenius, des Dialysespezialisten FMC, des Augenoptikunternehmens Fielmann und des Medizintechnikherstellers Drägerwerk hätten kaum reagiert, während andere wie die Titel der Chemie- und Pharmaunternehmen Bayer und Merck, des Pharmagroßhändlers Celesio oder des Rhön-Klinikums schon wieder fast so viel an Wert verloren hätten wie in der letzten Krise.