Investmentfonds - Gastbeitrag

Nebenwerte sind weiterhin attraktiv

Börsen-Zeitung, 23.7.2009 Angesichts des deutlichen Abwärtstrends bei Aktien im Jahr 2008 und in den ersten zwei Monaten 2009 nach fast fünf Jahren stetig steigender Kurse stellen sich unweigerlich Erinnerungen an das Platzen der Dotcom-Blase im...

Nebenwerte sind weiterhin attraktiv

Angesichts des deutlichen Abwärtstrends bei Aktien im Jahr 2008 und in den ersten zwei Monaten 2009 nach fast fünf Jahren stetig steigender Kurse stellen sich unweigerlich Erinnerungen an das Platzen der Dotcom-Blase im Jahr 2000 ein. Von diesem Trend blieben damals auch die europäischen Nebenwerte nicht verschont. Insbesondere Beobachter aus Deutschland dürften sich mit einigem Grauen an den Niedergang des Neuen Marktes erinnert fühlen.Bei einem Vergleich zwischen damals und heute sehen wir mehr Unterschiede als Gemeinsamkeiten. Wir halten es für unüberlegt, wenn Anleger die Assetklasse Nebenwerte meiden würden, wie dies bei der vergangenen Verkaufswelle der Fall war. Erstens: Auf dem Höhepunkt der Technologieblase um das Jahr 2000 konzentrierten sich die bekannten Namen auf wenige Branchen: Die Lieblingskinder des Neuen Marktes hießen IT, Biotechnologie und Medien. Keine AnsteckungsgefahrHeute sind die Marktführer unter den kleineren Unternehmen in einem stärker differenzierten Spektrum angesiedelt: Das reicht vom Werkzeugbauunternehmen bis zum spezialisierten Finanzdienstleister und vom Nischenmarkenprodukt bis zum Ölfelddienstleister. Aufgrund der Diversifikation geht von einer negativen Wertentwicklung bei ein oder zwei Aktien keine Ansteckungsgefahr für andere Unternehmen mit ähnlichem Nachfrageverhalten oder Geschäftsmodell aus, wie dies etwa bei vielen börsennotierten deutschen Filmgesellschaften nach dem Platzen der Blase im März 2000 der Fall war.Zweitens: Die Bewertungen von Nebenwerten waren während der Aktienmarkthausse 2007, was das Wachstums- und Gewinnpotenzial der Unternehmen angeht, realistischer als im Jahr 2000. Damals ließen sich Investoren auf schwindelerregende Bewertungen auf der Basis vielversprechender Kennziffern zur Ertragslage eines Unternehmens ein, wie etwa die Zahl der Klicks bei Internet-Aktien oder die Ausgaben für Forschung und Entwicklung bei Biotech-Titeln.Drittens ist heute das Management von kleineren Unternehmen für die Beteiligung der Stakeholder an der Wertschöpfung viel stärker sensibilisiert. Die Bedeutung von Konzepten wie Economic Value Added (EVA), Cash-flow Return on Investment (CFROI) und Eigenkapitalrendite (ROE) wird auch in der obersten Führungsebene erkannt. Überschüssige Liquidität wird in Form höherer Dividenden an die Aktionäre ausgeschüttet, oder Unternehmen reduzieren Eigenkapital durch Aktienrückkäufe. Dass viele kleinere Unternehmen in Europa noch immer über Liquiditätsüberschüsse verfügen, ist ein weiterer Grund, warum die heutige Situation nicht mit der zu Beginn des Jahrtausends vergleichbar ist. Während des Dotcom-Booms unterlagen viele kleinere Unternehmen der Versuchung, sich nach einem fulminanten Debüt auf dem Börsenparkett auf spektakuläre Übernahmen einzulassen. Mit dem Ergebnis, dass sie danach hoch verschuldet waren und Unternehmen zusammengeführt wurden, die eigentlich nicht zusammenpassten. Während der Aktienhausse von 2003 bis 2007 waren die Unternehmenslenker umsichtiger. Expansionsmöglichkeiten wurden sorgfältig analysiert und drückende Schulden bei den Banken vermieden. Der fünfte Grund, warum wir der Meinung sind, dass 2008 nicht einfach nur als Abziehbild des Jahres 2000 betrachtet werden sollte, ist der erhebliche Fortschritt, der seitdem in puncto Corporate Governance erzielt wurde. Bessere ZusammenarbeitViele Unternehmen im Neuen Markt, die mit dem Platzen der Dotcom-Blase untergegangen sind, waren häufig in den Schlagzeilen zu finden: Mit Verstößen gegen die Rechte von Minderheitsaktionären, laxen Kontrollsystemen im Rechnungswesen und in der Unternehmensführung oder regelrechtem Betrug. Seitdem wurden dank der verbesserten Zusammenarbeit zwischen Privataktionären und institutionellen Investoren verbindliche Verhaltenskodizes für Mitglieder von Vorstand und Aufsichtsrat eingeführt und Übernahmeabwehrmaßnahmen wie z. B. “Poison Pills” sowie unterschiedliche Aktiengattungen aufgehoben oder reglementiert. Dies zeigt sich vor allem in Deutschland, wo die Vorzugsaktie auf dem Rückzug ist.Das unten stehende Chart vergleicht die Kursentwicklung in beiden Zeiträumen. Im Jahr 2000 blieben die europäischen Small Caps im Nebenwerteindex HSBC Smaller Europe ex UK in der Aufwärtsbewegung deutlich hinter den Standardwerten im FTSE World Europe ex UK Index zurück, verloren jedoch auf dem Weg nach unten fast genauso stark. Zwischen 2003 und 2007 hingegen schnitt der HSBC Smaller Europe ex UK im Aufwärtstrend zum letzten Hoch besser als der FTSE World Europe ex UK ab. Seitdem sind die Kurse von Standard- und Nebenwerten fast im Gleichschritt gefallen, wobei sich der FTSE World Europe ex UK in der jüngsten Baisse erneut etwa analog zum HSBC Smaller Europe ex UK verhielt. Die Kursentwicklung von europäischen Nebenwerten ist also heute mit der von Standardwerten vergleichbar. Schwieriger AusblickEin Ausblick für die Weltwirtschaft und die europäische Konjunktur ist derzeit schwierig. Die Frage ist, ob die Erholung bei Aktien seit Anfang März den Anfang einer neuen Haussephase oder nur eine neue Marktrally markiert. Ganz gleich, welches Szenario zutrifft: In unseren Augen gibt es unter den Small Caps noch viele Beispiele für Unternehmen mit intelligentem Geschäftsmodell, fortschrittlichem Management und aktionärsfreundlicher Einstellung. Diese Aktien können sich genauso gut wie die Standardwerte entwickeln, wenn die Erholung ganz eingetreten ist. Fonds, die in diesem Universum investieren, setzen in der Regel auf “Stockpicking” und können sich ganz auf die Unternehmen konzentrieren, die diese Merkmale optimal vereinen. Nebenwerte sind nach wie vor attraktiv.