RECHT UND KAPITALMARKT

Neue Regulierung für Finanzanlagenvermittler

Große rechtliche Umbrüche mit erheblicher Breitenwirkung - BaFin-Aufsicht, Prüfungen und Umlagen

Neue Regulierung für Finanzanlagenvermittler

Von Bernd Geier *)Das Recht der Finanzanlagenvermittler ist im Umbruch. Mehr als 38 000 Personen waren in den letzten Jahren als Finanzanlagenvermittler in Deutschland registriert. Zahlreiche Vertriebsstrukturen beruhen auf der Unterstützung durch diese Vermittler. Rechtsänderungen haben damit eine nicht zu unterschätzende Breitenwirkung. Viele kleine und mittlere Unternehmen sind betroffen, deren Handlungsspielraum und interne Aufstellung es gegebenenfalls schwierig macht, auf kurzfristig in Kraft tretende, regulatorische Änderungen umfassend und zeitnah zu reagieren.Seit Inkrafttreten der Mifid II besteht die Pflicht, das Regulierungsniveau für Finanzanlagenvermittler in Deutschland anzuheben. Europarechtlich ermöglicht Mifid II den EU-Mitgliedstaaten zwar, für lokale Unternehmen rein nationale Regelungen zu finden. Jedoch ist ein Regulierungsniveau zu schaffen, das den Anforderungen der Mifid II in wesentlichen Teilelementen entspricht. Die bislang in §§ 34 f, h Gewerbeordnung sowie der Finanzanlagenvermittlungsverordnung (FinVermV) geregelten Anforderungen genügten diesen Vorgaben anerkanntermaßen nicht. Welches Regulierungsniveau tatsächlich europarechtlich geboten ist, war lange umstritten. Am Ende wurde ein politischer Kompromiss gefunden, der als “Zweite Verordnung zur Änderung der Finanzanlagenvermittlungsverordnung” zum 1. August 2020 in Kraft treten wird.Finanzanlagenvermittler werden dann verpflichtet, eine Vielzahl neuer Vorschriften zu beachten, die der Mifid II entlehnt sind. Hierzu gehört – neben der Aufzeichnung elektronischer Kommunikation – auch die technisch gegebenenfalls sehr aufwendige und teure Aufzeichnung von Telefonaten, soweit die Beratung in oder Vermittlung von Finanzanlagen betroffen ist. Diese gesetzlich zwingende Beweissicherung erstreckt sich auch auf diejenigen Teile der Telefongespräche (und der elektronischen Kommunikation), in denen die angebotene Dienstleistung, Chancen, Risiken und Ertragschancen sowie die Ausgestaltung der Finanzanlagen erörtert werden.Die seit Inkrafttreten der Mifid II für Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende Product Governance wird ebenfalls (mit leichten Modifikationen) auf Finanzanlagenvermittler übertragen, insbesondere auch in Bezug auf die Prüfung der Zielmarktkonformität von Produkten. Ebenso besteht eine Verpflichtung, Kosten und Gebühren aus der Erbringung von Dienstleistungen und gegebenenfalls den Produkten ex ante und – unter bestimmten Voraussetzungen – auch jährlich ex post offenzulegen, sowie – im Bereich der Anlageberatung mit Privatkunden – eine Geeignetheitserklärung zur Verfügung zu stellen. Hohe KomplexitätDamit finden Vorgaben Anwendung, die in ihrer Komplexität seit Inkrafttreten der Mifid II sogar große Wertpapierdienstleistungsunternehmen vor Herausforderungen gestellt haben. So zeigte eine von der BaFin 2019 durchgeführte Untersuchung, dass rund 10 % der Kostenausweise um mehr als 5 % von den tatsächlichen Kosten abweichen und fast 90 % der Geeignetheitserklärungen nicht den gesetzlichen Anforderungen genügen. Diese Erfahrungswerte können zwar nicht eins zu eins auf den Finanzanlagenvermittlermarkt übertragen werden, zumal sich Geschäftsmodelle und interne Struktur nicht unerheblich unterscheiden. Die Zahlen der BaFin lassen jedoch vermuten, dass die Einhaltung der neuen Regulatorik keine triviale Aufgabe sein wird.Die neue FinVermV folgt der Mifid II nicht sklavisch. Vor allem im Bereich Interessenkonflikte und Zuwendungen geht sie partiell ihre eigenen Wege. Finanzanlagenvermittler werden daher auch künftig – anders als Wertpapierdienstleistungsunternehmen – nicht gehalten sein, Zuwendungen zur Steigerung der Dienstleistungsqualität einzusetzen. Ein Provisionsdeckel ist damit wohl vom Tisch. Insgesamt erhöht sich, auch aufgrund zahlreicher weiterer Nachjustierungen, das Regulierungsniveau jedoch erheblich.Bereits im Juli 2019 kündigte das Bundesfinanzministerium an, es nicht bei der Überarbeitung der FinVermV zu belassen, und veröffentlichte im Dezember 2019 den Referentenentwurf eines Gesetzes zur Übertragung der Aufsicht über Finanzanlagenvermittler auf die BaFin (Finanzanlagenvermittler-Aufsichtsübertragungsgesetz – FinAnlVÜG). Gegenstand des Entwurfs ist vor allem die Zentralisierung der Aufsicht über alle Finanzanlagenvermittler bei der BaFin. Aktuell liegt die Zuständigkeit je nach Bundesland bei den IHK oder den Gewerbebehörden. Es steht zu erwarten, dass die BaFin nicht nur wesentlich genauer die Einhaltung der Vorschriften überwachen, sondern dass sie auch ihr Normverständnis aus dem WpHG und Mifid II zumindest partiell einbringen wird. Die Wirkungen dieser intensivierten Aufsicht sollten vor dem Hintergrund der bisherigen Verwaltungspraxis vieler Gewerbebehörden und IHK nicht unterschätzt werden.Gleichzeitig wird eine risikoorientierte Flexibilisierung des Prüfungsturnus eingeführt, weg von zwingend jährlichen Prüfungen, kombiniert mit einer jährlich abzugebenden Selbsterklärung. Die BaFin kann künftig auch selbst Prüfungen durchführen. Zur Finanzierung der BaFin-Aufsicht führt das FinAnlVÜG eine neue Umlage ein, die bei der Ertragsplanung zu berücksichtigen ist.Das FinAnlVÜG schafft erstmals ein sogenanntes Haftungsdach für Finanzanlagenvermittler. Vertriebsgesellschaften können künftig Finanzanlagenvermittler als Handelsvertreter angliedern oder sich vertraglich gebundener Vermittler bedienen. Das Konzept des vertraglich gebundenen Vermittlers ist in anderen Bereichen des Aufsichtsrechts seit Jahren etabliert. Es ermöglicht Dritten, den vertraglich gebundenen Vermittlern, ihre Tätigkeit unter dem Haftungsdach einer Vertriebsgesellschaft ohne eigene Zulassung auszuüben. Die Vertriebsgesellschaft ist dann gehalten, auf Ebene der vertraglich gebundenen Vermittler die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben sicherzustellen, und haftet für Verstöße.Vertriebsgesellschaften bedürfen künftig einer zusätzlichen, erweiterten Erlaubnis. Sie sind verpflichtet, bestimmte, sonst nur für Wertpapierdienstleistungsunternehmen geltende organisatorische Vorgaben einzuhalten und eine umfassende Compliance, Risikomanagementfunktion sowie Innenrevision und z. B. Strukturen für ein umfassendes Beschwerdemanagement zu schaffen.Die Möglichkeit, über Vertriebsgesellschaften Zulassungen und gegebenenfalls auch die gebotene Infrastruktur zu zentralisieren, birgt erhebliche Synergieeffekte und ermöglicht eine Flexibilisierung der Vertriebsstrukturen. Dies gilt allerdings nur für die Einbindung vertraglich gebundener Vermittler. Vertriebsgesellschaften kraft “Angliederung” von Handelsvertretern begründen künftig gegebenenfalls regulatorisch ineffiziente Strukturen mit Doppelaufsicht. Ambitionierter ZeitrahmenDie Änderungen der FinVermV treten zum August 2020 in Kraft und sind bis dahin umzusetzen. Der Referentenentwurf zum FinAnlVÜG sieht die Übertragung der Aufsicht an die BaFin nebst Einführung des Haftungsdachs, der Umlagepflicht und Flexibilisierung von Prüfungen zum Januar 2021 vor. Der Zeitrahmen erscheint recht ambitioniert. Bestehende Zulassungen gelten jedoch im Wesentlichen 2021 ohne Weiteres fort, sofern rechtzeitig alle erforderlichen Unterlagen bei der BaFin eingereicht werden. Welche Unterlagen wann erforderlich sind, richtet sich nach der Art der Tätigkeit und Erlaubnis.Das Recht der Finanzanlagenvermittler steht damit insgesamt vor großen Umbrüchen, die nicht nur durch die Schaffung neuer Strukturen und Prozesse, sondern auch durch eine Neuaufstellung bestehender Vertriebsnetzwerke ausgelöst werden. Vermittlern stellt sich die Frage, ob sie unter ein Haftungsdach schlüpfen. Haftungsdächer können neben Wertpapierhandelsunternehmen künftig auch Vertriebsgesellschaften zur Verfügung stellen. *) Prof. Dr. Bernd Geier ist Partner von Bryan Cave Leighton Paisner und Professor für Wirtschaftsrecht, Bank-/Kapitalmarktrecht und Regulierung.