Reform der Prospektrichtlinie auf dem richtigen Weg
Von Stephan Aubel und Christian Weber *) Im Rahmen ihres Aktionsprogramms zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands sowie der turnusmäßigen Überprüfung der Prospektrichtlinie (2003/71/EC) hat die EU-Kommission am 9. Januar 2009 ein Arbeits- und ein Hintergrundpapier veröffentlicht (http://ec.europa.eu/internal_market/consultations/2009/prospectus_en.htm). Danach geht die EU-Kommission davon aus, dass sich die Neuregelung des europäischen Prospektrechts, die in Deutschland durch das am 1. Juli 2005 in Kraft getretene Wertpapierprospektgesetz umgesetzt wurde, grundsätzlich bewährt hat. In einzelnen Bereichen sieht die EU-Kommission aber Verbesserungsbedarf. Daher schlägt sie verschiedene Änderungen der Prospektrichtlinie vor, die von der Praxis zum Teil bereits seit längerem gefordert werden, und stellt die Richtlinie insgesamt zur Diskussion. Die Marktteilnehmer sind aufgefordert, bis zum 10. März 2009 zu den Vorschlägen der EU-Kommission Stellung zu nehmen und weitere Verbesserungsvorschläge zu unterbreiten. Vorschläge begrüßenswertEin konkreter Änderungsvorschlag der EU-Kommission betrifft die Harmonisierung der Vorgaben für qualifizierte Anleger mit den für professionelle Investoren geltenden Anforderungen der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente (Mifid). Dies dient vor allem dem Ziel, die Durchführung von Privatplatzierungen zu erleichtern. Daneben schlägt die EU-Kommission die Erweiterung der Ausnahme von der Prospektpflicht bei Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen auf Unternehmen vor, deren Aktien nicht an einem organisierten Markt innerhalb des EWR notiert sind. Dadurch würde die Einbeziehung von Mitarbeitern in EU-Staaten in die Beteiligungsprogramme ausländischer Konzerne insbesondere mit Sitz in Nordamerika, Asien oder der Schweiz erleichtert. Weiterhin soll das Erfordernis für Emittenten, deren Wertpapiere an einem organisierten Markt innerhalb des EWR zugelassen sind, einmal jährlich ein Dokument zu veröffentlichen, in dem bestimmte, in den vorausgegangenen zwölf Monaten veröffentlichte Mitteilungen dem Publikum zusammengefasst nochmals zur Verfügung zu stellen sind, ersatzlos entfallen. Dies erscheint zur Vermeidung unnötigen Verwaltungsaufwands geboten, da die in das jährliche Dokument aufzunehmenden Informationen nach Umsetzung der Transparenzrichtlinie bereits anderweitig – in Deutschland im Unternehmensregister – zentral und dauerhaft für alle Marktteilnehmer zugänglich sind. Ferner schlägt die EU-Kommission eine Erweiterung des Wahlrechts des Herkunftsstaates bei der Emission von Nichtdividendenwerten, die Beseitigung von Unklarheiten bei der Weiterveräußerung von Wertpapieren durch Intermediäre (sog. Retail Cascade) sowie eine Harmonisierung des Widerrufsrechts nach der Veröffentlichung eines Nachtrags zu einem Wertpapierprospekt vor.Auch wenn diese Änderungsvorschläge der EU-Kommission im Detail noch der Überarbeitung bedürfen, sind sie aus Sicht der Praxis grundsätzlich zu begrüßen. Im Falle ihrer Umsetzung sollte sich der durch die Prospektrichtlinie verursachte Verwaltungsaufwand bei Wertpapieremittenten und Intermediären zumindest in Teilbereichen spürbar verringern, ohne dass anderen Marktteilnehmern hierdurch unverhältnismäßige Nachteile entstehen. Neben ihren konkreten Änderungsvorschlägen stellt die EU-Kommission einzelne Themen im Zusammenhang mit Wertpapierprospekten generell zur Diskussion. Dies betrifft u. a. Erleichterungen hinsichtlich der Prospektpflicht bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen. Ausgangspunkt dieser Diskussion ist die Feststellung, dass die Zahl der Kapitalerhöhungen mit Bezugsrecht der Aktionäre in den vergangenen Jahren europaweit rückläufig war. Eine Ursache hierfür wird darin gesehen, dass der Zeit- und Kostenaufwand für die Erstellung eines Wertpapierprospekts seit Inkrafttreten der Prospektrichtlinie erheblich zugenommen hat. So sieht die geltende Prospektverordnung (Nr. 809/2004) im Gegensatz zur Börsenzulassungsverordnung, die bei der Erstellung von Wertpapierprospekten in Deutschland vor Umsetzung der Prospektrichtlinie zu beachten war, keine inhaltlichen Erleichterungen für Wertpapierprospekte vor, die anlässlich einer Bezugsrechtskapitalerhöhung veröffentlicht werden. Daher sind die inhaltlichen Anforderungen an einen Wertpapierprospekt, der anlässlich einer Bezugsrechtskapitalerhöhung zu veröffentlichen ist, derzeit grundsätzlich die gleichen wie bei dem erstmaligen öffentlichen Angebot von Aktien im Rahmen eines Börsengangs. Dies erscheint angesichts der umfangreichen Berichtspflichten, denen insbesondere im regulierten Markt gelistete Unternehmen unterliegen, unverhältnismäßig, zumal ein begründetes Interesse der Investoren an derart umfangreichen Prospekten bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen nicht ersichtlich ist. Anders als bei einem Börsengang, bei dem der Wertpapierprospekt die zentrale Informationsquelle für Investoren ist, sind diese bei der Kapitalerhöhung eines börsennotierten Unternehmens bereits durch die laufende Berichterstattung über dessen Geschäftstätigkeit informiert. Deshalb sind viele Angaben in Wertpapierprospekten, die anlässlich einer Bezugsrechtskapitalerhöhung veröffentlicht werden, lediglich Wiederholungen öffentlich bekannter Informationen und damit auch aus Sicht der Investoren überflüssig. Angesichts des Umfangs, den Wertpapierprospekte bei Bezugsrechtskapitalerhöhungen mittlerweile erreicht haben (der anlässlich der Kapitalerhöhung der Postbank im November 2008 veröffentlichte Prospekt umfasste 608 Seiten), ist sogar zu befürchten, dass wesentliche Angaben in dieser Informationsflut untergehen.Aufgrund der Erwartung, dass der Eigenkapitalbedarf börsennotierter Unternehmen infolge der Finanzkrise in nächster Zeit erheblich zunehmen wird und damit auch wieder mehr prospektpflichtige Bezugsrechtskapitalerhöhungen durchgeführt werden, sollten die inhaltlichen Anforderungen an Wertpapierprospekte, die anlässlich einer solchen Maßnahme zu veröffentlichen sind, kurzfristig auf ein angemessenes Maß reduziert werden. Während dies von Marktteilnehmern in anderen EU-Staaten, insbesondere im Vereinigten Königreich, bereits seit geraumer Zeit erörtert wird, steht diese Diskussion in Deutschland erst am Anfang. Zwar können deutsche Emittenten die Erstellung eines Prospektes vor Durchführung einer Bezugsrechtskapitalerhöhung aufgrund der langjährigen Praxis der BaFin, Bezugsangebote, die sich ausschließlich an die bisherigen Aktionäre der Gesellschaft richten, nicht als öffentliches Angebot zu betrachten, vermeiden, indem sie keinen öffentlichen Bezugsrechtshandel einrichten. Diese Praxis wird aber von der EU-Kommission und den Aufsichtsbehörden der meisten anderen EU-Mitgliedsstaaten wie auch von Investoren und Banken aus verschiedenen Gründen kritisch betrachtet. Zudem entbindet sie Emittenten, deren Aktien in einem organisierten Markt zum Handel zugelassen sind, nicht von der Notwendigkeit, innerhalb eines Jahres nach Ausgabe der neuen Aktien einen Prospekt für deren Börsenzulassung zu erstellen, wenn die Zahl der neuen Aktien mindestens 10 % der Zahl der Aktien derselben Gattung ausmacht, die bereits zum Handel an demselben organisierten Markt zugelassen sind. Deshalb sollten auch deutsche Marktteilnehmer erwägen, sich im Rahmen des laufenden Konsultationsverfahrens der EU-Kommission für eine angemessene Reduzierung der Anforderungen an Wertpapierprospekte einzusetzen, die anlässlich einer Bezugsrechtskapitalerhöhung veröffentlicht werden. Konkret wäre etwa daran zu denken, den Finanzteil des Prospekts sowie die Analyse der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage auf den Zeitraum und die Angaben zu beschränken, die durch den letzten Jahresabschluss und etwaige Zwischenabschlüsse sowie Pro-forma-Finanzinformationen des Emittenten abgedeckt werden. Auch die Angaben über das Marktumfeld, die Geschäftstätigkeit sowie die rechtlichen Grundlagen des Emittenten könnten auf wesentliche aktuelle Entwicklungen begrenzt werden. Dies würde eine Beschränkung des Prospekts auf die für Investoren wesentlichen Informationen, insbesondere aktuelle geschäftliche Entwicklung, Mittelverwendung, Risikofaktoren und Angebot, ermöglichen. *) Dr. Stephan Aubel ist Partner bei Gleiss Lutz in Frankfurt, Dr. Christian Weber ist Rechtsanwalt und Syndikus der Dresdner Bank AG.