Asset Management

"Schauen gerne an, was unter die Räder gekommen ist"

Der Schweizer Fondsmanager Georg von Wyss verteidigt seine Engagements im kriselnden Finanzsektor

"Schauen gerne an, was unter die Räder gekommen ist"

Der Schweizer Georg von Wyss (44) führt mit seinen Partnern Thomas Braun und Erich Müller den 500 Mill. sfr schweren “Classic Global Equity Fund” und den kleineren “Classic Value Equity Fund”. Als bekennende “Contrarians” kaufen sie, wenn die Kurse fallen, gerne zu. Oft sind sie in Turnaround-Situationen investiert, so beim Pay-TV-Sender Premiere. Die Fonds mussten zwei Pleitefälle in den USA verkraften, jene der Bank IndyMac und des Elektronikhändlers Circuit City. Obwohl die bei Schweizer Privatanlegern populären Fonds in diesem Jahr über 55 % im Minus liegen, halten von Wyss und seine Partner an ihrem Anlagestil fest. Herr von Wyss, nach dem Ausbruch der US-Immobilienkrise investierten Ihre Fonds im Frühling 2007 in IndyMac. Im letzten Juli ging die kalifornische Bank ein. Was für Lehren haben Sie aus diesem Pleitefall gezogen – und welche aus der Pleite Ihres Investments Circuit City?Die Lehre ist, dass wir uns hüten müssen, in einen Sektor zu investieren, der von einer Spekulationsblase betroffen ist. Wenn eine Blase platzt, wird die Lage so verworren, dass sie unüberschaubar ist. Wenn der Wald dermaßen dunkel und voller gefährlicher Tiere ist, sollte man sich nicht für schlauer halten als andere und deshalb gar nicht erst hineingehen. Im Fall des Elektronikhändlers Circuit City ist die Lehre eine andere. Wenn wir in Turnaround-Situationen investieren, sollte das Geschäft des Unternehmens so gut und sicher sein, dass die Firma auch dann nicht ruiniert wird, wenn das Management weitere Fehler macht. – Wie stark leiden Ihre Fonds darunter, dass Anleger ihr Geld abziehen? Ihr “Classic Global Equity Fund” war Mitte 2007 noch mehr als 2 Mrd. sfr schwer. Unsere Fonds haben seit Anfang des Jahres Rücknahmen von total 17 % ihres Vermögens verzeichnet, das sind 0,4 % pro Woche. Wir waren gezwungen, Aktien zu Kursen zu verkaufen, zu denen wir normalerweise kaufen. Wir bauten bei den Titeln ab, die am wenigsten unterbewertet sind, wie bei Société Bic oder der britischen Baumarktkette Kingfisher. – Sie halten an Ihrem Anlagestil trotz allem fest. Ihre Fonds sind seit einem halben Jahr voll investiert. Ist Ihnen zurzeit nicht manchmal mulmig? Unser Ansatz ist es, unterbewertete Aktien zu kaufen. Wir schauen gerne an, was unter die Räder gekommen ist. Wenn wir billige Aktien finden, kaufen wir sie, basta. Wenn sie weiter sinken, macht das keine Freude. Aber es macht uns auch nicht nervös. Vorausgesetzt, dass unsere Bewertungen stimmen. – Nachdem die US-Regierung das 700-Milliarden-Rettungspaket für die Finanzindustrie angekündigt hatte, kauften Sie im September auch UBS-Aktien. Im Banksektor ist alles im Umbruch. Lässt sich die Ertragskraft der UBS schon hinreichend schätzen und reichen die bisherigen Kapitalaufstockungen?Der wahre Wert der UBS liegt im Private Banking, in der Vermögensverwaltung für Wohlhabende. Auch dort wird die Rentabilität in Zukunft tiefer sein, u. a., weil man den Kunden nicht mehr so viele der teuren Zertifikate wird verkaufen können. Aber das ist einkalkuliert. Allein der Wert des Private Banking übersteigt die Börsenkapitalisierung der UBS deutlich. – Das Schweizer Bankgeheimnis ist unter Beschuss. Wie schätzen Sie die Risiken für das Private Banking der UBS ein?Das grundsätzliche Modell der Schweizer Großbanken im Private Banking ist nicht in Frage gestellt. Der Finanzplatz Schweiz lebt davon, dass UBS und Credit Suisse dank ihrer Kraft im Markt wohlhabende Kunden in das Land ziehen. Sie können auch sehr viel anbieten. Lässt die Schweiz das Bankgeheimnis fallen, wer kann den Kunden dann Depots in einem sicheren Staat wie Singapur offerieren? Die Großbanken. – Sie konzentrieren sich bei UBS auf das Private Banking. Ist das Investment Banking, das sehr ertragreich sein kann, aber auch die hohen Verluste brachte, für Sie überflüssig?Ja. Ich würde es begrüßen, wenn die UBS diesen Teil abspaltete. Die Investment Banker verdienen viel, für den Investor war das Investment Banking immer ein lausiges Geschäft. Es spielt dort auch Psychologisches mit. Wir Schweizer sind gegenüber Leuten, die gut Englisch sprechen, komplexbehaftet. Kommt da ein Investment Banker, der in New York oder London geschliffen worden ist und meist redegewandt ist, lassen wir uns schnell beeindrucken und wollen dabei sein in dieser glamourösen Welt. – Ihre Fonds sind auch in Swiss Re investiert. Der Schweizer Rückversicherer wagte sich, um mehr Rendite herauszuholen, ins Investment Banking hinein und holte sich dort eine blutige Nase.Ich hoffe, diese ganze Investment-Banking-Kultur, die man bei Swiss Re hineinzubringen versuchte, verschwindet. Die Aktie ist auch darum so unter Druck, weil diese Investment-Banking-Strategien den Leuten nicht mehr gefallen, vielleicht haben sie auch nur der Konzernführung jemals gefallen. Swiss Re soll wieder langweiliger werden. Sicher, die Rückversicherung ist kein richtiges Wachstumsgeschäft mehr. Aber es bringt, über den Zyklus hinweg, einen schönen, schätzbaren Cash-flow. – Seit Jahren halten Ihre Fonds Anteile an MBIA. Obwohl der US-Kreditversicherer kriselt, investierten Sie im zweiten Quartal 2008 weiteres Geld in ihn. Ist das nicht ein Pleitekandidat?Ich meine: nein. Der Punkt ist, dass ein großer Teil des Schadens im Subprimebereich auf die CDO, die komplexen Kreditderivate, entfällt. MBIA muss aber frühestens in zehn Jahren Zahlungen für ausgefallene CDO leisten, der Hauptteil fällt erst in vierzig Jahren an. Es ist richtig, dass MBIA wegen ihres schlechten Ratings kein Neugeschäft mehr tätigt. Aber sie besitzt für viele Milliarden Wertpapiere, die in den nächsten 40 Jahren Zins bringen. Deshalb bin ich überzeugt, dass MBIA nicht pleite geht, selbst wenn die Finanzkrise noch dramatischere Ausmaße annimmt. Das Interview führte Andreas Kälin.