Immobilien

Schweiz streitet über Wohnungsmarkt

Parteien und Regierung über Zugang ausländischer Finanzinvestoren uneinig

Schweiz streitet über Wohnungsmarkt

Von Daniel Zulauf, Zürich Die Schweizer sind ein Volk von Mietern. Politiker glauben deshalb, dass sich die Menschen vor einer Öffnung des Wohnungsmarktes für ausländisches Anlagekapital fürchten. Im Blick auf die anstehenden Parlamentswahlen stemmen sie sich gegen den Liberalisierungswunsch der Regierung.Wahltag ist Zahltag. Im Herbst wählen die Schweizerinnen und Schweizer ein neues Parlament, und die Liberalisierung beziehungsweise Abschottung des helvetischen Wohnungsmarktes ist ein Thema, mit dem sich offenbar Stimmen holen lassen. Kürzlich beschloss die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei (SP), den am 4. Juli von der Landesregierung (Bundesrat) unterbreiteten Vorschlag zur Abschaffung des “Bundesgesetzes über den Erwerb von Grundstücken durch Personen im Ausland” (Lex Koller) zurückzuweisen, damit sie “griffige Maßnahmen” gegen einen zu erwartenden “Spekulationsdruck” erarbeite. SVP sagt “Nein”Wenige Wochen zuvor hatte bereits die rechtsbürgerliche Schweizerische Volkspartei (SVP) das Anliegen des Bundesrates zurückgewiesen. Damit dürfte die endgültige Abschaffung der bald 50-jährigen Beschränkungen für ausländische Immobilieninvestoren erneut vertagt werden, denn SP und SVP sind die beiden wählerstärksten Parteien des Landes und belegen in der großen Parlamentskammer (Nationalrat) 107 der 200 Sitze. Trotzdem wird weiterdebattiert über die Frage, ob ausländischen Investoren der Kauf von Wohneigentum zum Zweck der reinen Kapitalanlage erlaubt werden soll. Zwar dürfen Ausländer seit 1999 Schweizer Wohnungen kaufen, aber nur wenn sie eine Eigennutzung nachweisen können. Die vollständige Öffnung des Marktes bereitet Politikern und Mieterschutzverbänden vor allem deshalb Bauchschmerzen, weil sie einen großen Nachfrageschub mit entsprechenden Preissteigerungen befürchten.Die Gegner einer Abschaffung der “Lex Koller” führen die Erfahrungen mit den letzten Liberalisierungsschritten im Schweizer Immobilienmarkt ins Feld. So lasse sich zum Beispiel nachweisen, dass die Preise an guten städtischen und stadtnahen Lagen kräftig gestiegen seien, seit Ausländer die entsprechenden Objekte für die Eigennutzung erwerben dürften. An der begehrten “Goldküste” am Zürichsee und am Hausberg der Wirtschaftsmetropole gehe zurzeit mehr als jedes zweite Objekt der gehobenen Preisklasse an einen vermögenden Käufer aus Deutschland, sagt Konrad Landolt vom Zürcher Immobiliendienstleister SPG Intercity Zürich. Nach einer vollständigen Marktöffnung würden sich neben Deutschen wahrscheinlich auch Personen aus Russland und Übersee für den Erwerb von attraktiven Erst- und Zweitwohnsitzen in der Schweiz interessieren, sagt Landolt. Dieter Marmet vom renommierten Immobilienberatungsunternehmen Wüst & Partner in Zürich hält die Angst vor einer Preistreiberei durch ausländische Zweitwohnungskäufer für völlig unbegründet. Diese Gruppe bringe nie eine genügend große Zahl von Transaktionen zusammen, dass sich daraus ein gesamtwirtschaftlicher Effekt ergeben könnte, argumentiert er. Auch die Häufung ausländischer Erstwohnungskäufe seit 1999 lasse sich in einem etwas größeren Raum statistisch kaum nachweisen. Die Preissteigerungen an den bevorzugten städtischen und stadtnahen Lagen habe viel mehr mit der hervorragenden Geschäftsentwicklung bei den Banken zu tun. Viele Manager hätten in den Vorjahren sehr gut verdient und das Geld in ein eigenes Haus gesteckt – mehrheitlich Schweizer. Die Lex-Koller-Befürworter verweisen auch auf die Preisentwicklung im Markt für Gewerbeimmobilien, der schon 1997 liberalisiert worden war. Hier haben ausländische Investoren in den vergangenen Jahren tatsächlich sehr viel eingekauft und dabei weit höhere Preise geboten als beispielsweise die Schweizer Pensionskassen. Nach einer Statistik von Wüst & Partner gingen 2006 von 20 Büroimmobilienverkäufen im Wert von über 25 Mill. sfr 16 an ausländische Investoren (vgl. Grafik). Jüngstes Beispiel ist der im Juli besiegelte Verkauf des Immobilienportefeuilles der Einzelhandelsgruppe Jelmoli, das für 3,4 Mrd. sfr an die israelische Delek Global Real Estate ging. Die Israelis operierten bei ihrem Gebot mit einem Fremdkapitalanteil von 85 %, was schweizerischen Anbietern zum Teil schon aus rechtlichen Gründen gar nicht möglich ist. Entwicklung verhindernEinflussreiche politische Kreise wollen eine solche Entwicklung im Wohnungsmarkt vermeiden, zumal etwa zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung in Mietwohnungen leben. Die Schweiz hat rund 2 Millionen Mietwohnungen, die einen Jahresertrag von etwa 60 Mrd. sfr abwerfen. Darunter gäbe es bestimmt interessante Renditeobjekte, die stark fremdfinanzierte Investoren aus dem Ausland anlocken würden, sagt Marmet. Für diese Investoren lohne es sich, die positive Differenz zwischen dem Ertragswert einer Liegenschaft und dem niedrigeren Hypothekarzinsniveau mit einem Hebel auszuspielen. Eine Preistreiberei sei davon aber nicht zu befürchten, denn die starke Nachfrage werde zwangsläufig die Renditen senken, so dass es wieder lukrativer werde, neue Liegenschaften zu erstellen, statt bestehende Objekte zu handeln. Der Vergleich mit dem Markt für Gewerbeimmobilien sei an den Haaren herbeigezogen, denn dort seien die höheren Preise allein mit der besseren Konjunktur zu erklären.Die Argumente der Liberalisierungsbefürworter scheinen in der Schweizer Bevölkerung aber nicht durchzudringen. Ein Grund könnte ein gewisses Misstrauen sein, ob die bestehenden Mieterschutzgesetze einer Liberalisierungswelle standhalten würden. Bislang gehen Mieter und Hauseigentümer in der Schweiz relativ pfleglich miteinander um. Das könnte sich allerdings ändern, wenn neue Investoren aus dem Ausland auf den Plan treten würden.