Kapitalanlage

Schweizer Medizintechnik boomt

Große Innovationskraft treibt eidgenössische Medtech-Industrie an

Schweizer Medizintechnik boomt

Von Armin Schmitz, FrankfurtDer demografische Wandel in den Industrieländern und neue Kundenkreise im aufstrebenden Asien führen in den nächsten zehn Jahren zu überdurchschnittlichen Wachstumsraten in der Medizintechnik. In Europa sorgt insbesondere die Veränderung der Altersstruktur für einen erhöhten Bedarf an Hörgeräten, Zahnimplantaten oder Insulin-Spritzensystemen. Analysten erwarten auf Sicht von zehn Jahren ein durchschnittliches Gewinnwachstum des Medizintechnik-Marktes von bis zu 15 % p.a. Wegen des großen Wachstumspotenzials der Branche sondieren die Branchenriesen Philips, Siemens und General Electric den Markt nach geeigneten Kaufobjekten. Für Anleger sind Geschäftsmodelle, Produkte und Bewertung verständlicher als die des Biotech-Sektors. Hohe ForschungsausgabenEine Reihe von weltweit führenden Medizintechnikfirmen findet sich im Nachbarland Schweiz. Dieser Industriezweig verdankt seinen Erfolg der Tradition der Schweizer Präzisions- und Uhrenindustrie, den Universitäten und der starken Vernetzung von Wissenschaft und Wirtschaft. Derzeit geben die eidgenössischen Universitäten und Unternehmen umgerechnet beinahe 500 Mill. Euro jährlich für Forschung und Entwicklung aus. Der Erfolg der Branche rechtfertigt die vergleichsweise hohen Forschungsausgaben. Der Export medizintechnischer Produkte hat mittlerweile ein Volumen von nahezu 2 Mrd. Euro erreicht. Eine der größten Erfolgsgeschichten ist sicherlich die Straumann Holding. Die Schweizer entwickeln und produzieren Zahnimplantate und Produkte zur Geweberegeneration im Zahnbereich. Die Aktie ist mit einem für 2006 geschätzten KGV von 28 nicht mehr preiswert, weist aber eine hohe Wachstumsdynamik auf. Die starke Umsatzzunahme von 20 % im Jahr 2004 setzte sich auch im ersten Quartal 2005 fort. Damit entwickelt sich das Unternehmen besser als der Markt, der in den kommenden Jahren mit einer Rate von 15 bis 18 % wachsen soll. Überdurchschnittlich hoch ist auch die Gewinnmarge von 24,9 %. Für das aktuelle Geschäftsjahr strebt Straumann eine Verbesserung der operativen und der Reingewinn-Marge um rund 1 Prozentpunkt an. Weitere Wachstumsfantasie bringt die neu entwickelte Implantatoberfläche SLActive, die die Einheilzeit weiter verkürzen soll. Das Produkt soll im Juni 2005 eingeführt werden. Von den immer älter werdenden Menschen profitiert Phonak. Firmenchef Valentin Chapero hat den Hörsystem-Spezialisten Phonak zu einem der erfolgreichsten Schweizer Unternehmen gemacht. Im unlängst abgeschlossenen Geschäftsjahr 2004/5 (31. März) stieg der Umsatz um 9,5 % auf 678,8 Mill. sfr. Gleichzeitig konnten die Eidgenossen Marktanteile hinzugewinnen. Hörcomputer statt HörrohrEinen Umsatzschub verspricht das bereits prämierte neue Hörsystem Savia, das mit den alten Hörgeräten nichts mehr gemeinsam hat. Das neue Gerät setzt die Möglichkeiten biologischer Systeme in digitale Technik um. In Savia ist ein Chip integriert, der die Verarbeitung und Koordinierung von Tönen und Klängen der Umgebung für den Hörgeschädigten übernimmt. Dabei unterdrückt er selbständig störende Hintergrundgeräusche. Für das laufende Jahr strebt Phonak ein Umsatzplus von 10 % sowie eine Ebita-Marge von mehr als 20 % an. Der hohe technologische Standard ruft auch Begehrlichkeiten hervor. Phonak gilt aktuell als einzige Übernahmespekulation im Medtech-Bereich der Schweiz. Johnson & Johnson wird als möglicher Aufkäufer gehandelt. Der Wert befindet sich derzeit in einem Aufwärtstrend, die Aktie ist angesichts der Wachstumsdynamik mit einem KGV von 27 adäquat bewertet. Eine Spitzenposition nimmt auch Synthes mit ihrer Expertise von Instrumenten, Implantaten und Knochenersatzmaterialien für die Unfallchirurgie ein. Nach dem Zusammenschluss mit Mathys Medical sieht sich der Konzern selbst als globaler Marktführer. Eine der Grundlagen für den Erfolg ist die enge Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Arbeitsgemeinschaft für Osteosynthese (AO). Diese wissenschaftliche Organisation ist wichtig für die Forschung und Ausbildung auf dem Gebiet der Unfallchirurgie. Ein fast doppelt so hohes Wachstum wie der Gesamtmarkt verzeichnet das Unternehmen insbesondere durch die Einführung neuer Produkte für die Halswirbel- und Lendenwirbelsäule und für die Rekonstruktionen im Gesichts- und Kopfbereich. Ohne Berücksichtigung der Akquisition von Mathys Medical verzeichnete das Unternehmen im vergangenen Jahr ein Umsatzwachstum von 20 %. Die Marge von 31,5 % bezogen auf den Betriebsgewinn ist eine der höchsten innerhalb der Branche. Mit einem KGV von 39 ist die Aktie allerdings nicht mehr preiswert. Aufgrund der hohen Innovationskraft lohnt sich ein Blick auf die Schweizer Medizintechnik-Unternehmen. Anders als die Pharmaindustrie ist diese Branche weniger anfällig gegenüber dem Ablauf des Patentschutzes und enttäuschenden Testergebnissen. Andererseits besteht ein hohes Risiko bei fehlerhaften Geräten und Regressansprüchen wie das Beispiel Sulzer Medica zeigt, die wegen verunreinigter Implantate für Hüft- und Kniegelenke mit mehr als 1 Mrd. sfr zur Kasse gebeten wurde.