Immobilien - Gastbeitrag

Schweizer Modell passt für Deutschland nicht

Börsen-Zeitung, 1.10.2009 "Täglich fällige Anlegergelder in illiquiden Immobilien anlegen, das kann doch nicht funktionieren!" So hört man des Öfteren, wenn aus aktuellem Anlass über die offenen Immobilienfonds debattiert wird. Der aktuelle Anlass...

Schweizer Modell passt für Deutschland nicht

“Täglich fällige Anlegergelder in illiquiden Immobilien anlegen, das kann doch nicht funktionieren!” So hört man des Öfteren, wenn aus aktuellem Anlass über die offenen Immobilienfonds debattiert wird. Der aktuelle Anlass ist die Schließung einer Reihe von Fonds im Zuge der Finanzmarktkrise. Die vorübergehende Aussetzung der Rücknahme von Anteilscheinen wird als Beweis herangezogen für einen Geburtsfehler der offenen Immobilienfonds: die Fristen-Inkongruenz. Die Lösung dieses angeblichen Dilemmas wird gleich mitgeliefert. Sie heißt “Schweizer Modell”.In Deutschland können Anleger die Anteile im Normalfall börsentäglich zum Anteilwert plus einem Aufgeld von üblicherweise rund 5 % über ihre Bank erwerben. Der Anteilwert wird auf Basis der aktuellen Bewertung aller Vermögensgegenstände des Fonds ermittelt. Für die Immobilien wird der jeweils letzte gutachterlich ermittelte Verkehrswert herangezogen, der niemals älter als zwölf Monate ist. Die Anleger können ihre Anteile auch grundsätzlich täglich zum Anteilwert zurückgeben, ein Rückgabeabschlag wird dabei nicht berechnet. In Ausnahmesituationen, nämlich wenn die Liquidität im Fonds zu stark anwächst oder zu schnell abschmilzt, kann die Kapitalanlagegesellschaft zum Mittel der vorübergehenden Aussetzung der Anteilausgabe oder -rückgabe greifen. Ausgabe in TranchenAnders die Regelung in der Schweiz. Die Ausgabe von Fondsanteilen kann zwar theoretisch auch täglich erfolgen, dies aber nur in Tranchen. Die Ausgabe einer neuen Tranche ist in einem Emissionsprospekt anzukündigen. Tatsächlich erschöpft sich die Ähnlichkeit nicht in der Ausgabe neuer Anteile. Die Fondsgesellschaft ist nämlich verpflichtet, einen regelmäßigen börslichen Handel der Fondsanteile über die Schweizer Börse sicherzustellen. Der Preis des Anteils bildet sich dabei durch Angebot und Nachfrage, nicht durch Sachverständigengutachten.Dennoch werden auch die Immobilien des Schweizer Immobilienfonds regelmäßig von unabhängigen Gutachtern bewertet, und zwar jeweils zum Ende eines Geschäftsjahres oder unterjährig bei der Emission einer neuen Tranche. Der dabei ermittelte Anteilwert dient der Festlegung des Bezugswerts und ist auch maßgeblich für die Rücknahme von Anteilen. Anders als bei der börsennotierten Aktiengesellschaft hat der Anleger nämlich ein Rückgaberecht zum Anteilwert. Dieses ist aber in mehrerlei Hinsicht eingeschränkt.Erstens ist es üblicherweise mit einem Abschlag von 2 % versehen. Zweitens kann es nur mit einer Kündigungsfrist von zwölf Monaten zum jeweils nächsten Geschäftsjahresende ausgeübt werden und wird dann auch erst zwei Monate danach von der Fondsgesellschaft ausgeführt. Die Rückgabe erfolgt auf Basis des Anteilwerts per Ende des Geschäftsjahres, zu dem gekündigt wurde. Der Anleger weiß also zum Zeitpunkt der Kündigung nicht, welchen Wert er erhalten wird, und er muss zwischen 14 und 26 Monate auf die Abrechnung und auf sein Geld warten. Liquidität besser steuerbarIm Ergebnis bietet das Schweizer Modell den Vorteil, dass die Fondsgesellschaft die Liquidität im Fonds weitgehend selbst steuern kann. Sie gibt neue Tranchen aus beziehungsweise erfährt frühzeitig, ob Anleger ihre Anteile zurückgeben wollen. Daher kommt sie auch mit geringen liquiden Mitteln aus und kann mit einer hohen Investitionsquote etwas für die Fondsperformance tun.Im deutschen Modell hingegen muss die Kapitalanlagegesellschaft ausreichend Liquidität vorhalten, um Anteilrückgaben, die täglich möglich sind, jederzeit bedienen zu können. Dafür hat der Anleger hier den Vorteil, dass er, außer im Extremfall der Rücknahmeaussetzung, kurzfristig zum Anteilwert an sein Geld kommt. Letztlich erfüllen beide Modelle unterschiedliche Zwecke und haben damit ihre Existenzberechtigung.Das Schweizer Modell ist börsennäher, ähnelt der Immobilienaktie und unterliegt demnach auch größeren Kursschwankungen. Der deutsche offene Immobilienfonds hat aufgrund der Wertentwicklung einen ruhigeren Performanceverlauf und kommt daher insbesondere dem Anleger entgegen, der eine möglichst schwankungsarme langfristige Anlage sucht.Eine Anpassung des deutschen offenen Immobilienfonds an das Schweizer Modell ist nicht nur unnötig, sondern kontraproduktiv, wenn diesem Anlagemotiv auch in Zukunft Rechnung getragen werden soll. Das Problem der Fristen-Inkongruenz kann dadurch unter Kontrolle gehalten werden, dass die Fonds nicht nur auf der Aktivseite, also bei Anlage der Mittel in Immobilien, Risikostreuung betreiben, sondern das Gleiche auch auf der Passivseite tun, also bei der Verteilung der Anteile auf viele Kleinanleger. Die Reformvorschläge, die hierzu von der Branche auf den Tisch gelegt wurden und jetzt der Umsetzung durch den Gesetzgeber bedürfen, weisen genau in diese Richtung.