Asset Management

Solvency II bringt Spezialfonds-Anbieter in Bedrängnis

Europäisches Aufsichtsregime macht Immobilienanlagen weniger attraktiv - Investorenverband arbeitet mit Hochdruck an Änderungsvorschlägen

Solvency II bringt Spezialfonds-Anbieter in Bedrängnis

Von Julia Roebke, Frankfurt Die Anbieter von Immobilien-Spezialfonds lernen das Fürchten. Die neuen, EU-weiten Regeln für die risikogewichtete Eigenmittelausstattung der Assekuranz (Solvency II) sollen bereits 2013 in Kraft treten und die Spielregeln für die Versicherungsbranche vereinheitlichen. Der Haken dabei: In ihrer derzeitigen Ausgestaltung könnten sie dazu führen, dass Investitionen in Immobilien für Versicherer weit weniger attraktiv sein werden, als dies bisher der Fall ist. Den Spezialfonds-Anbietern bricht die wichtigste Kundengruppe weg, so das Extremszenario.”Sollte Solvency II in der heute diskutierten Form umgesetzt werden, so dürfte einerseits ein Trend zurück zum Investment im Direktbestand, aber noch viel mehr zu einem Immobilieninvestment in hochrentierliche und damit höher risikobehaftete Engagements entstehen”, erläutert Jochen Schenk, Vorstandsmitglied des Investmenthauses Real I.S. Doch wie könnte eine Systemharmonisierung, die auf eine Verbesserung des Risikomanagements der Versicherer zielt, dazu führen, dass diese nun mehr Risiko eingehen? Der Hintergrund ist folgendermaßen: Solvency II sieht derzeit vor, dass Immobilieninvestitionen mit einer Standardquote von 25 % Eigenkapital hinterlegt werden. Geht es um die Entwicklung eines Projektes oder nutzt der Investor Fremdkapital, steigt der Satz auf 39 %. In der Spitze könne der Satz sogar bei 49 % liegen, wenn es sich um fremdfinanzierte Objekte handelt, die nicht in einem OECD-Land liegen, so Schenk.Auch andere Anlagen, die Versicherer tätigen, müssen mit bestimmten Eigenkapitalquoten hinterlegt werden, lediglich Staatsanleihen von Ländern aus dem Europäischen Wirtschaftsraum gelten in dem System als risikolos. Pikant ist, dass nach den Ergebnissen der ersten Auswirkungsstudien – derzeit läuft davon die fünfte – die Versicherer generell mehr Eigenkapital werden vorhalten müssen. Bei knappem Kapital werden demnach Investments getätigt, die mehr abwerfen, dabei aber auch riskanter sind. “So werden zum Beispiel Investitionen in den Wohnungsbau unattraktiv, mit der Folge von Angebotsverknappungen und Mietsteigerungen”, sagt Schenk.Wolfgang Kubatzki, Mitglied der Geschäftsleitung der Ratingagentur Feri, macht folgende Rechnung auf: “Bei 1 Bill. Euro Assets in der deutschen Lebensversicherung und einer Immobilienquote von 4 % kommen wir auf 40 Mrd. Euro Immobilieninvestment. Bei einer Hinterlegung von 25 % müssten die Versicherer 10 Mrd. Euro an Eigenkapital schaffen.” Es seien die Dimensionen, über die man sich Gedanken machen müsse, so der Immobilienexperte. Er prognostiziert auch Auswirkungen auf die Märkte, wobei sich der Verkaufsdruck seiner Meinung nach auf große und liquide Büromärkte wie Paris und London konzentrieren werde. Im Studierstübchen”In der Branche sind derzeit alle im Studierstübchen und versuchen herauszufinden, wie die neuen Regeln unser Geschäftsmodell beeinflussen werden”, sagt Paul Heinrich Muno, Geschäftsführer der Commerz Real Spezialfondsgesellschaft. Er bezeichnet 2011 als ein entscheidendes Jahr für die Anbieter von Immobilien-Spezialfonds. “Eine Gleichstellung mit Aktien könnte zu grundlegenden Veränderungen im Anlageverhalten von Versicherungen führen – und damit auch die Angebotspalette der Fondsgesellschaften nachhaltig verändern”, sagt Muno.Er macht dies am Beispiel der Finanzierungsfrage deutlich. Wird eine Fremdfinanzierung bei den Versicherern mit einer höheren Eigenkapitalquote belegt, so wird diese uninteressant. Bei Auslandsinvestments würden damit alle positiven Steuereffekte wegfallen, sodass diese nicht mehr konkurrenzfähig wären. “Deutschlandinvestments tätigen jedoch besonders die größeren und damit für Anbieter von Spezialfonds besonders attraktiven Versicherer selbst”, so Muno.Was bleibt der Branche, die für ihre Kunden derzeit Assets von rund 30 Mrd. Euro in Immobilien-Spezialfonds verwaltet? Denkbar wäre ein Ausweichen auf andere Kundengruppen, wie etwa Pensionsfonds, Stiftungen oder Banken. Deren Immobilienquote ist zwar schon jetzt zum Teil deutlich größer als die der Versicherer (siehe Grafik), doch das Gros der Gelder, die investiert werden müssen, liegt eben bei den Versicherern. “Wir sehen dort kein so großes Wachstum, das die eventuell ausbleibenden Investitionen der Versicherer ausgleichen könnte”, sagt Muno.Der Commerz-Real-Geschäftsführer registriert trotz vieler Neugründungen sogar den Beginn einer Branchenkonsolidierung. “Zum Jahreswechsel haben wir den ersten Kauf einer Kapitalanlagegesellschaft gesehen, wir gehen davon aus, dass dieser Trend sich 2011 fortsetzen wird.” Im Dezember hatte das Immobilienunternehmen Patrizia den Hamburger Fondsanbieter LB Immo Invest von der HSH Real Estate übernommen. Auch stark gestiegene Anforderungen an Risikomanagement und Reportingstandards würden die Konzentration der Anbieter forcieren, so Muno. Lange ist nichts passiert”Als Verband und als Branche haben wir das Thema Solvency II zu lange schleifen lassen”, zeigt sich Muno selbstkritisch. Das soll sich nun ändern. Der europäische Immobilien-Investorenverband INREV erarbeite gerade Vorschläge, die an entsprechender Stelle auf EU-Ebene vorgebracht werden sollen, erläutert Schenk von Real I.S. Die Hoffnung ruht dabei auf der Tatsache, dass für den derzeitigen Hinterlegungssatz auf Daten aus London zurückgegriffen wird. Der deutsche Immobilienmarkt sei hingegen bei weitem nicht so volatil, eine geringere Eigenkapitalhinterlegung daher opportun, so die Idee. Doch mit der Überzeugungsarbeit stehe man “unter zeitlichem Druck”, weiß auch Schenk.