PORTFOLIO - GASTBEITRAG

Starker Kupon, schwache Bilanz

Börsen-Zeitung, 6.7.2013 Viele Investoren suchen momentan verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten. Die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen sind auf Rekordtiefen gesunken; Aktien sind nach wie vor ein Tabu. Da kommt die neue Anlageklasse...

Starker Kupon, schwache Bilanz

Viele Investoren suchen momentan verzweifelt nach Anlagemöglichkeiten. Die Renditen von Staats- und Unternehmensanleihen sind auf Rekordtiefen gesunken; Aktien sind nach wie vor ein Tabu. Da kommt die neue Anlageklasse Mittelstandsanleihen gerade recht. Anleihen, die von Mittelstandsunternehmen, also kleinen und mittelgroßen Unternehmen, begeben werden, bieten den Investoren Kupons zwischen 5,875 % und 11,5 %. Die Nachfrage ist so hoch, dass ständig neue Anleihen emittiert werden. Die wenigsten Anleger scheren sich offenbar darum, wieso die Unternehmen überhaupt so hohe Zinsen zahlen, obwohl das Zinsniveau aktuell sehr niedrig ist. Der vergleichsweise hohe Kupon hat jedoch seine Berechtigung, denn Mittelstandsanleihen bergen auch hohe Risiken. Restriktive KreditvergabeViele Unternehmen emittieren nur deshalb Anleihen, weil sie von Banken keine Kredite bekommen. Seit der Finanzkrise sind die Banken bei der Kreditvergabe restriktiver geworden. Damit die Unternehmen sich trotzdem genügend Geld beschaffen können, gehen viele eben an den Kapitalmarkt, obwohl damit zusätzliche Aufwendungen entstehen: Unternehmen müssen ihre Bilanzen veröffentlichen (je nach Börsensegment auch halbjährlich), es muss ein Wertpapierprospekt sowie ein Unternehmensrating erstellt werden und Emittenten haben die Pflicht, wesentliche Unternehmensnachrichten unverzüglich zu veröffentlichen.Für viele große Investoren kommt eine Anlage in Mittelstandsanleihen trotzdem nicht in Frage. Sie fordern noch mehr: eine quartalsweise Berichterstattung, testierte Geschäftsberichte, eine Investor-Relations-Abteilung, Analystenkonferenzen und ein Investment-Grade-Rating. Darüber hinaus sind die Emissionsvolumina der Mittelstandsanleihen mit 20 bis 50 Mill. Euro für große Investoren zu klein. Deshalb zielen Mittelstandsanleihen auf private Investoren und Vermögensverwalter. Viele Mittelstandsunternehmen sind im Vergleich zu den großen etablierten Firmen trotz der größeren Publikationspflichten immer noch zu intransparent. So gibt es bei manchen Emittenten nur den aktuellen Geschäftsbericht mit den Vorjahreswerten, aber keine längere Historie.Es werden auch Anleihen von Firmen emittiert, die neu gegründet wurden, um ein bestimmtes Projekt umzusetzen, beispielsweise um einen Solarpark zu betreiben. Bei diesen Firmen gibt es überhaupt keine Geschäftshistorie, sondern nur Planzahlen, so zum Beispiel bei MBB Clean Energy. Des Weiteren sind viele Firmen in Branchen aktiv, bei denen die Zukunftsfähigkeit des Geschäftsmodells schwierig einzuschätzen ist. Dazu zählt die Solar- und Windbranche. Ein weiteres Manko ist die oft schwer zu verstehende bzw. verwirrende Firmenkonstruktion. Beispielsweise hat die Katjes International GmbH & Co. KG eine Anleihe begeben. Die Katjes-Fruchtgummis werden aber von der Katjes Fassin GmbH + Co. KG produziert, die wiederum nicht für die Anleihe haftet. Anleger, die also blind auf den Markennamen vertrauen, könnten enttäuscht werden.Anleihen werden auch emittiert, um Übernahmen zu finanzieren. Die PNE Wind AG zum Beispiel möchte mit dem Emissionserlös den Mitbewerber WKN AG übernehmen – klassischerweise eine Aufgabe, die der Gesellschafter über Eigenkapital abzudecken hätte. Der Anleihekäufer lässt sich damit auf eine asymmetrische Risikoaufteilung ein: Einerseits hat er fast das gleiche Totalverlustrisiko wie der Aktionär, sollte das Projekt schieflaufen. Andererseits ist die Gewinnchance bei der Anleihe auf den jährlichen Zinskupon begrenzt, wohingegen sich die Aktie vervielfachen kann.Ferner suchen Unternehmen in einer Restrukturierungsphase neue Kapitalgeber. Ein Beispiel hierfür ist der Küchenhersteller Alno. Zwar haben hier die Banken auf Forderungen verzichtet und die Eigentümer die Kapitalbasis gestärkt, aber zum Jahresende 2012 weist das Unternehmen immer noch ein negatives Eigenkapital aus. Im ersten Quartal 2013 sank zudem der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 15 %. Die Anleihegläubiger gehen also ein hohes Risiko ein, um 8,5 % Rendite zu bekommen. Große NachfrageDie große Nachfrage nach Immobilien schlägt sich auch bei den Anleihen von Immobilienunternehmen nieder. So konnte die Immobilien-Projektgesellschaft Salamander-Areal Kornwestheim mbH (IPSAK) ihr Emissionsvolumen innerhalb weniger Stunden platzieren. Die Adler Real Estate konnte sogar das ursprünglich geplante Volumen von 20 Mill. Euro auf 35 Mill. Euro aufstocken. Dass eine Immobilienbesicherung keinen hundertprozentigen Schutz bietet, müssen derzeit die Anleihehalter der WGF schmerzhaft erfahren. Die in der Insolvenz befindliche Gesellschaft droht ihren Anleihegläubigern im Abwicklungsfalle mit empfindlichen Verlusten von 80 %. Auch an den Bilanzzahlen sieht man, dass Mittelstandsanleihen riskanter sind. Die durchschnittliche Eigenkapitalquote dieser Anleiheemittenten beträgt nur rund 20 %. Im Vergleich dazu haben die Industrieunternehmen aus dem Dax eine Eigenkapitalquote von ungefähr 40 %. Es gibt sogar Unternehmen, die eine Anleihe begeben haben, obwohl das Eigenkapital negativ war (Alno und FC Schalke 04). Eigentlich müssten die Aktionäre diesen Fehlbetrag ausgleichen und nicht die Gläubiger.Bisher konnten die Mittelstandsanleihen auch unter Renditegesichtspunkten nicht überzeugen. Der Bondm-Index, der die an der Börse Stuttgart emittierten Anleihen enthält, entwickelte sich deutlich schlechter als der RDax, der die Anleihen der Dax-Unternehmen aus dem Investment-Grade-Bereich enthält. Obwohl die erste Mittelstandsanleihe erst im Jahr 2010 emittiert worden ist, sind seitdem schon sechs Anleihen ausgefallen: BKN Biostrom, Centrosolar, Payom Solar (Solen), SIAG Schaaf, SiC Processing und Solarwatt. Solen konnte nicht einmal die erste Zinszahlung leisten. Ein weiteres Unternehmen, Flexstrom, wollte zwar eine Anleihe emittieren, ging davor jedoch pleite. Inzwischen sind die Anleger diesem Marktsegment gegenüber auch skeptischer geworden. So konnte die PNE Wind nicht die gewünschten 100 Mill. Euro von den Investoren leihen. Stattdessen wurden nur 66 Mill. Euro bei der Emission platziert.Die Geschichte ist voll von neuen Finanzprodukten, auf die sich alle Anleger gestürzt haben, bevor die Kurse in den Keller rauschten. In der Euphorie werden Risiken nicht wahrgenommen oder sogar bewusst ausgeblendet. Gerade bei diesen Mittelstandsanleihen ist eine solide Analyse der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung unerlässlich. Zudem gilt es, die Geschäftsmodelle zu verstehen, damit die investmentwürdigen Mittelstandsunternehmen von denen mit fragwürdigen Geschäftsmodellen unterschieden werden können. Ihr Vermögensverwalter übernimmt diese Analysen gerne für Sie.—-Max Schott, Geschäftsführender Gesellschafter Smart-Invest Asset Management; Benjamin Knöpfler, Analyst Smart-Invest Asset Management.