Wie Führungskräfte von Coaching profitieren
Die Finanzbranche befindet sich mitten in einem Transformationsprozess, der Führungskräfte unter anderem vor völlig neue Führungsanforderungen stellt. Coaching kann sie dazu befähigen, diese neuen Aufgaben zu erfüllen und ihren Beitrag zur Transformation aktiv zu gestalten.
Führen bedeutet das Überzeugen, Integrieren, Einbinden und Motivieren der eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Es bedeutet, sich der neuen Arbeitswelt 2.0 in der hybriden Form zu stellen – die in der Finanzbranche teils fast schon selbstverständliche Möglichkeit oder sogar Pflicht, im Homeoffice zu arbeiten und nur noch teilweise das Büro nutzen zu können.
Dazu kommt, dass lebenslanges Lernen heute als Pflichtprogramm absolut erforderlich ist, um nicht redundant zu werden: Fortbildung und Weiterentwicklung in Sachen Digitalisierung gehören ebenso dazu wie hybride und virtuelle Arbeitsmethoden und Arbeitstechniken. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die eigene Integration in ein System, also das Zurechtkommen mit der Entwicklung, sich selbst zu steuern, zu organisieren und auch in gewissem Maße zu distanzieren in der immer komplexer werdenden (Arbeits-) Welt, um nicht auszubrennen oder chronisch krank zu werden. Wie können Führungskräfte sich in diesem Prozess Unterstützung suchen?
Die klassische Weiterbildung im Sinne einer Wissensvermittlung ist zur fachlichen Entwicklung, also zum Erlernen insbesondere neuer Wissenstechniken, hervorragend geeignet. Sie stößt aber an ihre Grenzen, wenn eine Führungskraft Gelerntes im Arbeitsalltag ausprobieren, integrieren, umsetzen, anwenden soll, sofern die Aufgabe nicht rein technisch orientiert ist. Zum Beispiel kann man in einem Führungskräfteseminar lernen, worauf man als Führungskraft achten sollte, mit welchen Methoden man vorgehen soll, wie zum Beispiel Mitarbeitergespräche zu führen sind oder was man arbeitsrechtlich bedenken soll. Das Warum, Wozu und Wie lernt die Führungskraft jedoch nicht in dem Seminar, zumindest nicht die persönlichen Antworten, die auf ihre individuelle Situation zugeschnitten wären. Diese Antworten sind jedoch für die nachhaltige Integration des neu Erlernten in den persönlichen beruflichen Alltag unerlässlich, damit sich die zeitliche und finanzielle Investition lohnt sowie die gewünschte Transformation gelingt.
Ein Beispiel: Wie reagiere ich als Führungskraft, wenn ein Teammitglied im Mitarbeitergespräch unkooperativ oder wütend wird? Die emotionalen Reaktionen von Mitarbeitern bauen emotionale Gegenreaktionen bei der Führungskraft auf. Sie muss lernen, mit diesen Gegenreaktionen umzugehen, sich selbst zu kennen und zu steuern, damit sie weiterhin sachlich reagieren kann. Denn nur so ist es möglich, den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin nicht zu demotivieren, eine mögliche Konfrontationshaltung zu überwinden und zu einer zielgerichteten, wertschätzenden und effektiven Zusammenarbeit zurückzufinden.
Die klassische Weiterbildung im Sinne einer Wissensvermittlung endet, wenn der Faktor Mensch ins Spiel kommt. Für Aktionen und Reaktionen im zwischenmenschlichen Bereich Führungskraft versus Mitarbeiter gibt es keine Blaupause, sondern immer nur die Carte blanche, welche persönlich von der Führungskraft gestaltet werden sollte.
Was Coaching leisten kann
Coaching ist geeignet, das Verbindungsstück zwischen neuem Wissen einerseits und dem persönlichen Umgang, der Integration und der Umsetzung im beruflichen Alltag andererseits zu bilden. Also zwischen „Was soll ich tun?“ zum „Wie gehe ich es an – auf meine eigene Weise?“ und vor allem zum „Warum möchte ich genau so handeln?“. Die Frage nach dem Warum ist kein Nebenaspekt, sondern gibt der Führungskraft eine Antwort auf ihre eigene Motivation und bildet damit die Basis ihres Handelns und ihrer Entwicklung. Wenn ich weiß, wozu ich etwas auf die eine oder die andere Art und Weise mache, dann bin ich authentisch und langfristig erfolgreich, weil ich nach meinen eigenen Vorstellungen und Zielen handele.
Diese Motive werden im Coachingprozess herausgearbeitet. Dort geht es darum, zu erkennen, warum ich als Führungskraft oder Mitarbeiter so entscheide und handele. Wenn die Führungskraft sich selbst damit besser kennenlernt, kann der Coach gemeinsam mit ihr daran arbeiten, neue Wege auszuprobieren und Verhaltensänderungen herbeizuführen. Meistens bleibt im Berufsalltag wenig Zeit, um vermeintlich bewährte Verhaltensmuster zu reflektieren und zu modifizieren. Das gilt selbst dann, wenn sich diese Muster als kontraproduktiv oder disruptiv erweisen; vor allem wenn sich das Umfeld ändert, wenn zum Beispiel ein neuer Chef oder eine neue Chefin kommt oder eine neue Abteilung aufgebaut wird. Hier hilft Coaching.
Aufbau des Coachings
Inhalt und Schwerpunkte eines Führungskräftecoachings werden mit dem Klienten und – was manche überrascht – mit dessen Vorgesetzten zusammen unter Führung des Coachs festgelegt. Wenn ein Unternehmen die Kosten für ein Coaching übernimmt, sind ein sogenanntes Dreiecksgespräch und eine Auftragsklärung mit den Beteiligten vorab Standard. In einem Zwischengespräch kann nach etwa der Hälfte der vereinbarten Coachingtermine eine Zwischenbilanz gezogen werden. Wichtig ist, dass der Coach den Vorgesetzten des Klienten fragt, woran er oder sie eine Veränderung, einen Erfolg beobachten und messen will. Es geht darum, zu definieren, nach welchen Kriterien das Coaching als erfolgreich bewertet wird – und zwar von allen involvierten Parteien.
Individuelle Schwerpunkte
Die individuellen Schwerpunkte und Themen bearbeitet der Coach dann vertraulich mit dem Klienten. Wie dies vonstattengeht, ist von Person zu Person und von Fall zu Fall unterschiedlich. Die Steuerung des Coachings und die Anwendung verschiedener Tools zur Zielerreichung liegen in der Verantwortung des Coachs. Dieser sollte ausprobieren, was für den Klienten und dessen Thema funktioniert. Der Coach macht also Angebote, die der Klient annehmen kann. Mögliche Tools können sogenannte systemische Fragestellungen sein, Perspektivenveränderungen durch Fragen oder Visualisierungsarbeiten sowie Hilfsmittel wie Team- oder Organisationsaufstellung, die Interaktionen sichtbar machen können, die nicht offenliegen. Vielen, vor allem kognitiven Menschen, hilft es, ihre Themen haptisch oder visuell zu erfassen.
Beispiel: Homeoffice ist wunderbar – Die Führungskraft selbst hat Gefallen an der Arbeit im Homeoffice gefunden. Sie besitzt ein schönes Büro mit Blick ins Grüne und benötigt keine Fahrzeit ins Büro. Viele neue Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sind aber neu in der Stadt und haben noch keine soziale Anbindung. Deren Sozialkontakte beginnen im Büro, und auch die Einarbeitung ist persönlich oft effektiver und freundlicher. Deshalb ist es wichtig, im Büro präsent zu sein. Die Führungskraft ist also in einem persönlichen Motivationsdilemma. Coaching hilft, die eigenen Motive in Einklang mit denen der Teams zu bringen, und zwar nicht als „fauler Kompromiss“, sondern durch ein Sowohl-als-auch für sie und die Belegschaft.
Beispiel: 24/7 ist in der DNA – Die Führungskraft ist so sozialisiert, immer erreichbar zu sein, den Kunden gegenüber nie nein zu sagen. Dienstleistung ist in ihre DNA übergegangen. Das Team rebelliert allerdings dagegen. Es will die Freiheit, nicht immer „sofort“ zu reagieren und permanent erreichbar zu sein. Die Führungskraft hat jedoch Angst vor dem Verlust von Kunden oder Umsatzeinbußen, die Haltung ihres Teams widerspricht der eigenen Prägung und ihrem Antrieb. Beides sind extreme Hinderungskräfte.
Alte Motive werden ergänzt
Im Coaching werden attraktive Ziele erarbeitet, die es ermöglichen, das Verhalten in Einklang mit den Erwartungen des Teams zu bringen. Die „alten“ Motive bestehen weiterhin, werden aber ergänzt. Das Ergebnis sind positive Teambewertungen, die sich wiederum im Bonus niederschlagen. Ein motiviertes, engagiertes Team mit wenig Fluktuation bringt Geschäftswachstum und Lob durch das Management. Und die Führungskraft kann etwas entspannen, da die Arbeit nun auf mehrere Schultern engagierter Menschen verteilt ist.
Das Ergebnis eines Coachings sollte also Folgendes sein: Die Führungskraft agiert reflektiert, selbstbewusst und aktiv. Sie weiß, was sie selbst benötigt, und ist im eigentlichen Sinne des Wortes in Führung, anstatt sich selbst von den Strukturen der Organisation und des Transformationsprozesses führen zu lassen. Davon profitieren das Team und das gesamte Unternehmen. Konflikte verbleiben (hauptsächlich) auf der Sachebene und können besser gelöst werden.