BDI-Präsident Russwurm beklagt fehlende Verlässlichkeit der Bundesregierung
Eine schlecht koordinierte Verkehrspolitik, zu wenig Impulse innerhalb der EU und fehlende Konzepte in der Energiepolitik: Der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI), Siegfried Russwurm, geht mit der Bundesregierung hart ins Gericht. „Es fehlen uns Klarheit, Verlässlichkeit langer Linien und sehr grundsätzliche Entscheidungen“, sagt Russwurm im Interview mit der Börsen-Zeitung.
So habe etwa die Anhebung der Maut und die höheren CO2-Preise den Transport von Gütern per benzin- oder dieselangetriebenen LKW verteuert. „Nur: Dort wo hingelenkt werden soll, ist zurzeit noch gar keine Alternative verfügbar“, beklagt Russwurm. LKW mit Elektroantrieb kämen erst langsam auf den Markt und die Infrastruktur für deren Nutzung fehle ebenfalls. Da die Bahn wiederum keine freien Kapazitäten habe, könne der Gütertransport auch nicht von der Straße auf die Scheine verlegt werden. „De facto ist das Anheben des CO2-Preises zunächst nichts anderes als eine Steuererhöhung.“
Russwurm bemängelt Europapolitik der Ampel
Die Energiepolitik der Ampel-Koalition hält Russwurm für nicht konsistent. Erst habe die Regierung eine Senkung der Stromsteuer für die Industrie beschlossen und dann wenig später wegen des Haushaltslochs für 2024 die Übertragungsnetzentgelte erhöht. „Wer wundert sich noch, wenn bei solchen Entscheidungen zunehmend Zweifel an der Verlässlichkeit der Politik aufkommen.“ Zudem fehle es weiterhin an einer dringend benötigten ausgearbeiteten Kraftwerksstrategie.
Andere Maßnahmen, um den Bundeshaushalt zumindest mittelfristig zu stärken, gehe die Bundesregierung dagegen nicht an. So fordert Russwurm Fortschritte bei den Freihandelsgesprächen der EU etwa mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten. Mehr Handel würde das Steueraufkommen erhöhen und gleichzeitig die internationale Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen erhöhen. Für den BDI-Präsidenten versucht die Bundesregierung zu wenig, um die Verhandlungen voranzutreiben. „Andere Regierungen sind weit weniger scheu, ihren Einfluss innerhalb der EU geltend zu machen“, so Russwurm. Allgemein führten die Streitigkeiten in der Ampel-Koalition dazu, dass sich Deutschland in der Europapolitik zu oft enthalte. „Aus Perspektive der Wirtschaft ist das ein Unding. Das wirtschaftlich stärkste Land Europas bezieht keine Position, weil sich die Koalitionsparteien nicht entscheiden können.“
AfD ist ein „Standortrisiko“ für Deutschland
Scharfe Kritik äußert Russwurm auch am neuen EU-Lieferkettengesetz. Es beinhalte „Regelungen, deren Umsetzung ich schlicht für unmöglich halte“. Damit meint der BDI-Präsident zum einen die zivilrechtliche Haftung auch für Verstöße außerhalb des eigenen Unternehmens und der direkten Vertragspartner. Zum anderen sei es „zutiefst wirklichkeitsfremd, beispielsweise von Komponentenherstellern die vollständige Rück- und Weiterverfolgung von Wertschöpfungsketten vom Rohstoff bis zum Endnutzer zu verlangen“.
Mit Sorge blickt Russwurm auf die Erfolge der Alternative für Deutschland (AfD). Die Partei ist für den BDI-Präsidenten ein Standortrisiko für Deutschland. Gerade für die deutsche Wirtschaft, für die Exporte eine wichtige Rolle spielen, sei Offenheit wichtig. Trotz der Enttäuschung und Verärgerung, die viele der Arbeit der Ampel entgegenbringen, ist die AfD für Russwurm keine Alternative. „Meine Antwort ist klar: Die AfD spaltet unser Land und schadet ihm.“