2021 wird für Goldschürfer schwierig
Im Gegensatz zu den meisten Branchen kann sich die Goldminenindustrie über 2020 nicht beklagen. Der Preis für die Feinunze stieg nach fünfmonatiger Rally im August auf ein Rekordhoch. Als Folge verbesserten sich Margen und Bilanzkennziffern teils signifikant. Das neue Jahr wird dagegen schwierig. Sogar Goldoptimisten raten nur noch zu Schürfern, die Ausgabendisziplin wahren und ihren Aktionären dauerhaft mehr ausschütten.Von Martin Dunzendorfer, FrankfurtDie Hoffnungen sind groß, dass sich die Coronakrise bis zum Sommer oder spätestens Herbst nächsten Jahres so weit abgeschwächt hat, dass das öffentliche Leben wieder seinen normalen Gang nehmen kann. Träfe dies zu, wäre das für die Weltwirtschaft eine positive Nachricht – abgesehen von den wenigen Industrien, die von der Pandemie profitiert haben. Zu diesen gehört die Goldförderbranche. Beste Voraussetzungen Gold gilt als sicherer Hafen. Nach traditioneller Ansicht bietet das Edelmetall Schutz vor Krisen jeglicher Art und Inflation. 2020 brachte mit der Corona-Pandemie eine der größten globalen Krisen der vergangenen Jahrzehnte, und da die Regierungen und Staatenbünde zur Stabilisierung bzw. Stimulierung der Wirtschaft insgesamt 13-stellige Dollarbeträge – also Billionen – bereitstellten und auch die Zentralbanken ihre Geldhähne weit öffneten, waren alle Voraussetzungen für eine Gold-Hausse gegeben.So vorausschauend und kühl dachten Anleger aber nicht, als die Krise im Februar und März an den Aktienbörsen zu gewaltigen Einbrüchen führte. So ging auch der Preis für eine Feinunze (31,1 Gramm) zunächst mit dem Gesamtmarkt in den Keller, nachdem die Tragweite der Pandemie ab Mitte des ersten Quartals klar wurde. Am 8. März kostete die Unze noch 1 700 Dollar, nur elf Tage später wurde das Jahrestief von 1 471 Dollar erreicht. Dann allerdings ging es kräftig nach oben bis auf 2 069 Dollar Anfang August. Zu dieser Zeit lag die Einschätzung der konjunkturellen Lage national wie international gemäß dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zum letzten Mal auf dem seit April herrschenden, sehr tiefen Niveau. Den Goldproduzenten ging es freilich so gut wie schon lange nicht mehr: Die Goldrally, begünstigt durch den schwachen Dollar und niedrige Zinsen, hatte bei den Branchenvertretern zu erheblichen Margenverbesserungen und Rekorden beim freien Cash-flow geführt. Ein Anti-Vakzin-BarometerDoch der goldene Sommer war für die Edelmetallschürfer kurz. Schon nach wenigen Tagen war die 2000er Marke wieder unterschritten. Dafür hatte der ein oder andere Lichtblick in der Impfstoffentwicklung gesorgt sowie Konjunkturdaten, die besser ausgefallen waren als befürchtet. Seither pendelt der Preis zwischen 1 800 und 1 950 Dollar. Jede positive Nachricht zur Entwicklung, Produktion und Verabreichung eines Impfstoffs bzw. zur Wirtschaftsentwicklung belastet die Goldnotierung, jeder Rückschlag bei einem Vakzin oder jede Meldung über entdeckte Virusmutationen treibt ihn an.Heißt das im Umkehrschluss, dass mit der erwarteten Entspannung der Krise der Goldpreis fällt? Davon ist auszugehen. Allerdings heißt das auch nach Ansicht der zahlreichen Goldfans, die es an den Märkten gibt, nicht, dass die guten Zeiten für alle Minenbetreiber vorüber sind.Die Aktienkurse durchweg aller Produzenten – ob profitabel und in sicheren Regionen arbeitend oder defizitär und in Krisengebieten fördernd – haben im zu Ende gehenden Jahr eine Rally hingelegt, obwohl sich die Notierungen inzwischen wieder deutlich von ihren Hochs entfernt haben. Doch Goldbullen sagen für die Bewertung auch ein gutes Jahr 2021 voraus, sofern das Minenunternehmen in der Lage ist, seine Ausgaben zu reduzieren und den Return an die Investoren in Form von Dividenden oder Aktienrückkäufen wie schon in diesem Jahr zu erhöhen.Die Goldproduzenten haben einen Teil der unerwartet hohen Einnahmen dieses Jahres zur Verbesserung ihrer Bilanzrelationen genutzt, etwa durch Schuldenabbau. Nun trauen Analysten den Top-Adressen der Branche zu, auf Jahre hinaus die Ausschüttungen zu erhöhen. Tanya Jakusconek von der Scotiabank nennt laut Bloomberg als Beispiel die in Toronto ansässige Kinross Gold, die einen “besonders überzeugenden Wert” biete, solange das kanadische Unternehmen weiter einen nachhaltigen Cash-flow zeige. “Wirtschaft bleibt fragil” Es gibt jedoch auch Konjunkturpessimisten und Zweifler, die davon ausgehen, dass die erhofften Erfolge im Kampf gegen das Coronavirus überschätzt werden. Zu ihnen gehört Fahad Tariq. Der Analyst der Credit Suisse geht laut Bloomberg davon aus, dass die große Unsicherheit in der Öffentlichkeit und der Wirtschaft so schnell nicht verschwinden wird. “Die Wirtschaft bleibt fragil, und die Erholung nach der Pandemie wird sich bestenfalls auf eine lange Zeit strecken”, wird Tariq zitiert. Deshalb geht er von einem weiteren guten Jahr für Gold aus; Tariq sagt für 2021 einen Preis von 2 100 Dollar pro Unze voraus – im Jahresdurchschnitt!Die Korrektur des Goldpreises und der Goldminenaktien in der zweiten Jahreshälfte habe zum “Shake-out schwacher Namen” beigetragen, so Matthew Zabloski, Gründer des auf die Metall- und Minenindustrie fokussierten Investmenthauses Delbrook Capital. Diese hätten an der Rally im ersten Semester teilgenommen, ohne dass es dafür unternehmensspezifische Gründe gegeben hätte. Zabloski erwartet nun eine starke Gegenbewegung bei den Edelmetallpreisen, die erneut die Kurse der Produzenten mitziehen könnte.Wie viele Analysten differenziert auch Tariq stark zwischen jenen Produzenten, die Ausgabendisziplin wahren, und jenen, die dazu nicht imstande oder willens sind. Wenn ein Minenbetreiber zudem seinen Aktionären steigende Returns zukommen lasse und weiterhin signifikante freie Cash-flows generiere, sollten die Bewertungsmultiples des Unternehmens nach Meinung des Credit-Suisse-Analysten steigen. “Jeder kurzfristige Rückschlag des Goldpreises, der durch Genehmigungen von Vakzinen gegen Covid-19 und Impfungen zustande kommt, ist ein guter Einstiegszeitpunkt.” Zu seinen Top-Werten gehören die Branchenriesen Newmont und Barrick Gold sowie Agnico Eagle Mines, Yamana Gold und Endeavour Mining. Out- und Underperformance Im Jahresvergleich hat der Preis für eine Unze Gold um rund 24 % zugelegt. Der wohl wichtigste Index für Goldproduzenten, der Nyse Arca Gold Mines Index, liegt 23 % vorne. Da die Aktien der Minenbetreiber üblicherweise stark überproportional auf Veränderungen des Goldpreises reagieren, ist der lediglich gleichlaufende Anstieg des Aktienindex ungewöhnlich. Dass Investoren 2020 dennoch mit der Goldbranche besser gefahren sind als mit Standardaktien, zeigt der Vergleich mit einigen Blue-Chip-Indizes: So legte der Dax dank der Jahresendrally letztlich um etwa 3 % zu, der Dow Jones gewann 6 %. Der Euro Stoxx 50 verlor dagegen 5,5 %. Nur im Vergleich mit den Top-US-Technologiewerten kann der Goldminenindex nicht mithalten: Der Nasdaq 100 stieg 2020 um mehr als 46 %.