Aktivisten attackieren stärker mit ESG-Themen
cru Frankfurt
Vorstände und Aufsichtsräte europäischer Unternehmen müssen sich mehr denn je in Acht nehmen vor den Attacken aktivistischer Investoren wie Elliott, Starboard oder Icahn, die mit ihren Beteiligungen zunehmend auf dem Feld der ESG-Themen (Umwelt, Soziales, Governance) Einfluss nehmen. Die Kanzlei Skadden Arps zählt derzeit 302 laufende Kampagnen der Aktivisten gegen Unternehmen in Europa – ein Anstieg um 16% gegenüber Ende 2020. Allerdings starteten Aktivisten nur 41 neue öffentlich wahrnehmbare Kampagnen im Jahr 2021 – nach 58 im Jahr 2020.
Wie bisher war auch 2021 das häufigste Ziel – bei 18 von weltweit 104 Kampagnen – die Eroberung von Sitzen in den Verwaltungsräten und Aufsichtsräten, da die Aktivisten ihre bevorzugten Vertreter einsetzen wollten. Schlagzeilen machte der winzige „grüne“ Hedgefonds Engine No. 1, als er beim US-Ölriesen Exxon mit einer kleinen Beteiligung drei von zwölf Verwaltungsratssitzen erfolgreich für sich beanspruchte und Exxon dazu brachte, sich ein Klimaschutzziel bis 2050 zu geben.
Weitere häufige Forderungen der Aktivisten waren laut Skadden Änderungen der Unternehmensführung (in 17 Fällen), eine Umstrukturierung des Managements oder des bestehenden Vorstands sowie Verkäufe oder Abspaltungen von Unternehmensteilen (jeweils 15), wie etwa bei RWE, wo Enkraft eine Abspaltung der Braunkohle fordert. Die produktivsten Aktivisten in Europa 2021 waren laut Skadden der britische Investor Bluebell Capital und Elliott aus New York, die jeweils fünf neue öffentliche Kampagnen starteten. Fast alle von Skadden befragten Unternehmen (98%) glauben, dass Firmen in Europa sehr besorgt sein sollten, bald zur Zielscheibe von US-Aktivisten zu werden. Dabei bekommen die klassischen Spieler neue Konkurrenz. Alle befragten Unternehmen gaben an, dass Hedgefonds zuletzt viel lauter als Aktivisten auftreten, während 88% bzw. 74% das Gleiche über erstmalige Aktivisten und Private-Equity-Firmen sagten.
Die überwiegende Mehrheit der Unternehmen (86%) rechnet mit einer Zunahme der Strategien des sichtbaren, öffentlichen Aktivismus. Diese Befürchtungen werden von den befragten Aktivisten bestätigt, von denen 54% ebenfalls zustimmen, dass der öffentliche Aktivismus in den Vordergrund tritt. 80% der befragten Aktivisten stimmen zu, dass sie ESG-Themen in ihren Kampagnenforderungen zunehmend Priorität einräumen. Nur 26% der Unternehmen sind der gleichen Meinung. Ebenso sind 40% der befragten Unternehmen der Meinung, dass die neuen ESG-Offenlegungspflichten keinen erkennbaren Einfluss auf die Kampagnen haben werden, während 53% der befragten Aktivisten einen deutlichen Anstieg erwarten. „Alle Unternehmen werden ihre Anfälligkeit für ESG-Kampagnen überprüfen müssen“, kommentiert Skadden-Partner Matthias Horbach.