Immobilien

Am Bau droht eine Preisspirale

Die Verteuerung von Energie und Material sowie der hohe Bedarf treiben die Preise der Bauwirtschaft in die Höhe. Eine durchgreifende Entspannung ist nicht in Sicht.

Am Bau droht eine Preisspirale

hek Frankfurt – Fehlende Zulieferungen und galoppierende Energie- und Materialpreise kennzeichnen derzeit die Lage der Bauwirtschaft. Kosten- und Preiskalkulationen werden für Auftraggeber und Leistungserbringer zu einer kaum lösbaren Aufgabe. Stahlprodukte zum Beispiel haben sich rasant verteuert. So war Betonstahl im Juni 54% teurer als vor einem Jahr. Da falle der jüngste Rückgang um 2,8% von Mai auf Juni kaum ins Gewicht, kommentiert der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie (HDB).

Der teure Stahl schlägt sich im Neubau von Straßenbrücken nieder, wo der Anteil der Stahl- und Metallbauarbeiten mit 10% besonders hoch ist. Das für den Straßenbau wichtige Erdölprodukt Bitumen hat sich binnen Jahresfrist um fast 70% verteuert. Eine der Folgen sind die um 30% höheren Asphaltpreise.

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine am 24. Februar 2022 haben sich am Bau die Materialengpässe drastisch verschärft. Hinzu kommen fehlende Transportkapazitäten und stockende Lieferketten. „Während die Produktion von Baustoffen in der Pandemie zurückgefahren wurde, lief ein Großteil der Baustellentätigkeit weiter“, analysiert Harald Heim, Real-Estate-Partner von PwC Deutschland.

Immerhin macht das Ifo-Institut nun eine – wenn auch nur langsame – Entspannung aus. Im Juli hätten noch 45,6% der Betriebe im Wohnungsbau Lieferprobleme gemeldet, verglichen mit 47,6% im Vormonat. Für den HDB ist allerdings derzeit kein Ende der Engpässe und Preissteigerungen absehbar.

Bei den Energiekosten macht vor allem der binnen Jahresfrist um 52% gestiegene Dieselpreis Kummer. Die Hälfte des Energieverbrauchs im Baugewerbe entfalle auf Dieselkraftstoff, erläutert HDB-Hauptgeschäftsführer Tim-Oliver Müller.

Die Energiepreise schlagen auch auf die Erzeugerpreise für mineralische Baustoffe durch, die in Deutschland gewonnen bzw. hergestellt werden und einen hohen Energieeintrag haben. Während nach Angaben des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe bei Zement, Kalk, Beton und Kies ein eher linearer Zuwachs zu beobachten ist, gebe es bei Ziegeln mit +15% und bei Vliesen, die als Dämmmaterial dienen, mit +9,8% im Jahresvergleich eine hohe Dy­namik.

CO2-Umlage verteuert Energie

Die Baufirmen drehen weiter an der Preisschraube, um die Kostenschübe aufzufangen. Bereits seit zwei Jahren ziehen die Preise für Bauprodukte und Dienstleistungen infolge der Corona-Pandemie und stockender Lieferketten kräftig an.

Im zweiten Quartal 2022 lag der Preisanstieg bei Nichtwohngebäuden bei 19%. Die Baupreise für Wohngebäude sind um fast 18% gestiegen. Durch den Ukraine-Krieg wird sich die Preisspirale weiter drehen, befürchtet die Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC in ihrer Analyse.

Der Baugewerbeverband klagt, dass die Politik den Preisauftrieb beschleunige. Präsident Reinhard Quast sagt: „Die jetzigen Preise haben eine starke politisch, dauerhaft gewollte Komponente, und das ist die CO2-Umlage.“

Infolge der steigenden Preise und Zinsen gebe es eine verstärkte Unsicherheit bei der Auftragsvergabe, konstatiert Quast. So mancher potenzielle Bauherr stellt inzwischen sein Vorhaben auf den Prüfstand. Im Wohnungsbau gibt es laut Ifo-Institut seit April eine Stornierungswelle. „Noch sind die Auftragsbücher prall gefüllt. Aber die explodierenden Baukosten, höheren Zinsen und schlechteren Fördermöglichkeiten stellen mehr und mehr Projekte in Frage“, sagt Wirtschaftsforscher Felix Leiss.

Doch ob die mit den Stornierungen verbundene Hoffnung auf künftig günstigere Preise aufgeht, ist mehr als zweifelhaft. PwC erwartet, dass viele Auftraggeber in den kommenden Jahren Nachholinvestitionen vornehmen werden. Partner Heim rechnet damit, dass die Baupreise für Immobilien in den kommenden beiden Jahren um mehr als 20% klettern werden. Somit sei preislich keine Entspannung abzusehen. PwC nennt sechs Faktoren, die die Preisspirale anheizen. Neben der hohen Nachfrage, rasant gestiegenen Energiepreisen und der allgemeinen Inflation sind das Materialverknappungen, Fachkräftemangel und die dichte Regulierung.

Kernthema Fachkräftemangel

Das auf lange Sicht zentrale Thema ist der Fachkräftemangel. Schon jetzt fehlen Arbeitskräfte. Bis 2030 werde in der Branche ein Fachkräftemangel von mehr als 20% erwartet, schreibt PwC. Das könne zu unmittelbaren Lohnsteigerungen und damit zu höheren Preisen sowie zu längeren Wartezeiten führen. Dieser Trend sei bereits zu beobachten und könne sich in den kommenden Jahren verstärken.

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