Amprion fordert Kuratel für Kraftwerke
In der Kohlekommission werden die Konditionen des Kohleausstiegs derzeit hart umkämpft. Mit Befremden reagieren die Kraftwerksbetreiber auf einen brisanten Vorschlag des Netzbetreibers Amrion. Der fordert einen “klimaoptimierten Systembetrieb” der Kraftwerke, die dann gleichsam unter Kuratel stünden.cru Düsseldorf – Kraftwerksbetreibern wie RWE, Uniper, EnBW und EPH droht im Zuge des Kohleausstiegs ein erheblicher Eingriff in ihre Eigentumsrechte. In der Kohlekommission der Bundesregierung, die derzeit den Ausstieg aus der Kohleverstromung vorbereitet, fordert der Übertragungsnetzbetreiber Amprion, die Kraftwerke in Deutschland für die Zeit des Umbaus der Netze und der Erzeugung zur Erfüllung der Klimaschutzziele vorübergehend unter Kuratel nach staatlichen und von den Stromautobahnbetreibern umgesetzten Regeln zu stellen. Das geht aus einem “Memo” der Amprion GmbH, die von den Geschäftsführern Hans-Jürgen Brick und Klaus Kleinekorte geführt wird, für die jüngste Sitzung der Kohlekommission am 29. August hervor, das der Börsen-Zeitung vorliegt.In dem Papier heißt es: “Soll nun aus Gründen des Klimaschutzes die Erzeugungsseite deutlich zügiger (als die Netze) und noch vor Umsetzung der identifizierten Maßnahmen (zum Netzausbau) verändert werden, so bedarf es einer ,Klammer` zwischen den beiden Zielen.” Eine solche “Klammer” könne ein “klimaoptimierter Systembetrieb” sein. “Das bedeutet, dass die Kohlekraftwerke aus einem rein marktgeführten Betrieb herausgenommen werden und temporär in einen klima- und systemoptimierten Betrieb überführt werden”, schreibt Amprion. Bei Dunkelflaute anschaltenKonkret bedeute dies, dass die Kohlekraftwerke immer dann gefahren würden, wenn es stromsystemseitig zwingend sei, beispielsweise bei einer Dunkelflaute – also an Tagen ohne Sonne und Wind – oder einer Hitzewelle. “Diese ,Klammer` erlaubt eine vorzeitige CO2-Emissionsminderung bei gleichzeitigem Erhalt des Versorgungssicherheitsniveaus auf dem heutigen hohen Stand”, argumentiert Amprion. Dies schaffe dann den nötigen Übergangszeitraum, um den Netzausbau samt Neubau von Gaskraftwerken umzusetzen, der dann die Kohleverstromung geordnet beende.Dass dies einem Kraftwerksbetrieb unter staatlicher Kuratel gleichkommt, scheint dem Übertragungsnetzbetreiber klar zu sein: “Die vorgenannte Maßnahme des klima- und systemoptimierten Kraftwerksbetriebs stellt einen Markteingriff dar, ebenso wie die auf klimapolitischen Druck angestrebten Stilllegungszeitpunkte konkreter Kraftwerksblöcke.” Nur der erstgenannte Ansatz ermögliche es, in kritischen Situationen ausreichend gesicherte Leistung bereitzustellen. “Technisch ist dieses Konzept unmittelbar möglich”, verspricht Amprion. Die finanzielle Ausgestaltung sei eine politische und regulatorische Aufgabenstellung.Amprion war im Jahr 2011 nach Vorgaben der EU-Kommission zur Entflechtung der Energiekonzerne aus dem RWE-Konzern abgespalten worden. Der Stromautobahnbetreiber gehört zu 74,9 % einem Fonds der Commerzbank-Tochter Commerz Real und zu 25,1 % RWE selbst. Wesentliche Investoren in dem Commerzbank-Fonds sind Versicherungen (Meag für Munich Re/Ergo, Swiss Life, Talanx), ärztliche Versorgungswerke (Ärzteversorgung Westfalen-Lippe und Brandenburg), Pensionskassen und kirchliche Versorgungseinrichtungen.In Kreisen der Kraftwerksbetreiber wird alarmiert auf den Amprion-Vorschlag reagiert: “Der Vorschlag eines ,klimaoptimierten Systembetriebs` von Amprion wandelt das heutige marktbasierte System zum Einsatz von Kraftwerkskapazitäten vollständig in ein netzorientiertes System um – dominiert durch Übertragungsnetzbetreiber als Superdispatcher”, heißt es in einer Kommentierung der Sitzungsunterlagen der Kohlekommission, in der die Kraftwerksbetreiber nicht unmittelbar durch Mitglieder vertreten sind.Die Umsetzung des Amprion-Vorschlags sei – in Verbindung mit dem nochmals beschleunigten Erneuerbare-Energien-Ausbau – das “Ende des liberalisierten und jüngst mit dem Strommarktgesetz optimierten Strommarktes”. “Unbundling ausgehebelt”Das “Unbundling” als Grundlage des europäischen Binnenmarktes für Energie, also die strikte Trennung des natürlichen Netzmonopols von den wettbewerblich organisierten Bereichen der Erzeugung, Speicherung und des Vertriebs, würde so ausgehebelt, heißt es. Europarechtlich sei der Vorschlag daher keinesfalls umsetzbar.Es sei “befremdlich”, dass Amprion den Vorschlag als “technisch unmittelbar möglich” bezeichne, was so ohne Weiteres allein schon mit Blick auf die Bewirtschaftung von Tagebauen sicherlich unzutreffend sei – ohne gleichzeitig zu sagen, dass der Vorschlag keinerlei rechtliche Umsetzungsmöglichkeit habe.Der Vorschlag sei auch deshalb befremdlich, weil ein “klimaoptimierter Systembetrieb” ohnehin schon durch die Wirkweise des Europäischen Emissionshandels (ETS) angereizt werde, der verlässlich dazu führe, dass die europäischen Treibhausgas-Minderungsziele in allen vom Emissionshandel umfassten Sektoren erreicht würden. Im Emissionshandel habe sich der Preis für ein Emissionszertifikat zudem in den letzten Monaten auf mittlerweile über 21 Euro mehr als vervierfacht.