AT&T gibt im Wettlauf mit Netflix auf
scd Frankfurt
Gut drei Jahre nach der 85 Mrd. Dollar schweren Übernahme von Time Warner wirft AT&T im Streaming-Rennen das Handtuch. Die Tochter Warner Media, zu der neben dem Bezahlsender HBO auch der Nachrichtensender CNN sowie das Filmstudio Warner Bros. zählen, wird ausgegliedert und geht mit dem Wettbewerber Discovery zusammen, der sich bislang vor allem auf Dokumentationen und Reality-TV-Formate stützt. Mit dem Ausstieg erhält AT&T rund 43 Mrd. Dollar in einer Kombination von Barmitteln und Schuldtiteln. Zudem erhalten die AT&T-Aktionäre einen Anteil von 71% an der neuen Gesellschaft aus Discovery und Warner Media.
Aus der Kombination soll ein stärkerer Wettbewerber im globalen Streaming-Markt entstehen, teilen die Unternehmen mit. Gelingen soll dies unter der Führung von Discovery-CEO David Zaslav, der die Leitung des neuen Mediengiganten übernehmen wird. Ob der bisherige WarnerMedia-Chef Jason Kilar an Bord bleiben wird, war zunächst unklar. Der vormalige Hulu-CEO Kilar war von AT&T-Chef John Stankey im Mai 2020 geholt worden, um mit Hilfe des riesigen Film- und Serienkatalogs von HBO einen Streaming-Wettbewerber für Netflix und Disney+ zu entwickeln. Finanzseitig lässt sich AT&T bei der Transaktion von Goldman Sachs beraten. J.P. Morgan unterstützt Discovery.
HBO Max abgeschlagen
Allerdings hinkt das Angebot HBO Max den Rivalen nach knapp einem Jahr noch immer deutlich hinterher. HBO und HBO Max kommen insgesamt auf knapp 45 Millionen zahlende Kunden, Disney+ auf 104 Millionen und Netflix auf 208 Millionen. Die Zahl der reinen Streaming-Kunden dürfte bei HBO Max deutlich unter den Rivalen liegen. Ende des vierten Quartals lag diese laut AT&T bei gut 17 Millionen, wobei bestehende HBO-Kunden das Angebot sogar ohne Aufpreis nutzen durften.
Große Hoffnungen setzt AT&T in die internationalen Wachstumschancen von HBO Max. Bis Mitte des Jahrzehnts soll das Angebot global 120 Millionen bis 150 Millionen Abonnenten zählen – mehr als die Hälfte davon jenseits des US-Heimatmarktes. Ob das realistisch ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Die Vermarktung außerhalb der USA beginnt erst im Juni. Zum Problem des bislang geringen Interesses am Streaming-Angebot kommt hinzu, dass die mit dem Kauf von Time Warner stark gestiegene Verschuldung von AT&T zuletzt keineswegs gesunken ist. Primär die kostspieligen Auktionen für 5G-Mobilfunkfrequenzen haben den Schuldenstand im ersten Quartal um weitere 21 Mrd. auf 169 Mrd. Dollar nach oben getrieben. Das entspricht dem 3,1-fachen Ergebnis vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) der vorangegangenen vier Quartale. Mit der Transaktion, deren Abschluss unter der Voraussetzung der Zustimmung durch Kartellbehörden und Discovery-Aktionäre bis Mitte 2022 erwartet wird, werde die Nettoverschuldung auf das 2,6-fache Ebitda sinken, teilte AT&T mit. Bis Ende 2023 wird eine weitere Verbesserung auf weniger als das 2,5-fache Ebitda angepeilt.
Zur Absenkung der Schulden hatte AT&T im ersten Quartal bereits die Satelliten-TV-Tochter DirecTV abgespalten und 30% an den Private-Equity-Investor TPG für 9 Mrd. Dollar verkauft. Der zugrunde gelegte Wert von 30 Mrd. Dollar liegt deutlich unter dem Kaufpreis von 49 Mrd. Dollar, den AT&T 2015 berappen musste. Allerdings ist die Nutzerzahl in den vergangenen fünf Jahren auch von 20 Millionen auf weniger als 16 Millionen gefallen.
Wertberichtigt Seite 6