Auf der Suche nach dem passenden HV-Format
Die Suche nach dem passenden HV-Format
Unternehmen erhoffen sich 2024 in der Hauptversammlung wieder einen stärkeren Fokus auf Inhalte
Die Debatte in der Hauptversammlungssaison 2023 war vielerorts davon bestimmt, in welchem Format Aktionärsrechte am besten gewahrt werden. Die von Unternehmen mehrheitlich bevorzugte virtuelle HV stößt bei Investoren auf Kritik. Emittenten erhoffen sich, dass es 2024 wieder mehr um Inhalte gehen wird.
swa Frankfurt
Nach der gesetzlichen Neuregelung der virtuellen Hauptversammlung (HV) sind die Unternehmen in den Aktionärstreffen 2023 nur zögerlich zum traditionellen Format der Präsenzveranstaltung zurückgekehrt. Einige begründeten dies mit der Unsicherheit über das Pandemie-Geschehen und der unzureichenden Vorbereitungszeit. Andere bekundeten, das reine Online-Format dauerhaft nutzen zu wollen, zumal der Gesetzgeber Gleichwertigkeit mit der Präsenz-HV hergestellt habe. Aus Sicht institutioneller Anleger halten sich Unternehmen mit dem virtuellen Format jedoch kritische Aktionäre auf Abstand, ein Dialog mit Vorstand und Aufsichtsrat auf Augenhöhe und ein Feedback sei nur in Präsenz möglich.
Noch kein Standard in der Praxis
Im ersten Jahr nach Abflauen der Pandemie und dem Auslaufen der Corona-Sonderregeln hat sich in der Praxis noch kein neuer HV-Standard herausgebildet. Für die Präsenzhauptversammlung hatte sich 2023 nur ein Viertel der Dax-Unternehmen entschieden, darunter Deutsche Telekom, BASF, Deutsche Post und SAP; die Telekom hatte ihre Aktionäre als einzige Gesellschaft im Dax schon 2022 wieder zur Präsenzversammlung eingeladen. Die Dax-Unternehmen haben die neuen gesetzlichen Regelungen sehr unterschiedlich genutzt. In virtuellen Hauptversammlungen hatten einige Gesellschaften mit teils schweren technischen Problemen zu kämpfen, was das Format diskreditierte. Einzelne Gesellschaften erhielten aber auch Lob für eine professionell durchgeführte Online-HV.
Inwieweit sich eine neue Best Practice herausbildet oder die Präsenzversammlung der „Goldstandard“ bleibt, ist schwer abzusehen. Die breite Mehrheit der Unternehmen hat sich die Ermächtigung geholt, in der Satzung die Option der virtuellen HV zu verankern. Es könnte weiterhin ein individuelles Szenario bleiben. Auf einer Veranstaltung des Deutschen Aktieninstituts (DAI) äußerten Emittentenvertreter die Hoffnung, dass sich die HV-Debatte wieder stärker auf Inhalte fokussieren wird und nicht mehr vorrangig über das Format geredet werde. Thematisch werde ESG an Bedeutung gewinnen, was politischere HVs erwarten lasse.
Auf den Aktionärskreis zugeschnitten
Aus Sicht des Syndikusrechtsanwalts Reiner Franke, der bei der Deutschen Telekom die Themen Corporate und M&A betreut, gibt es nicht das gute oder schlechte Format. Jeder Emittent müsse für sich entscheiden, welches Format das Richtige sei. Aus Sicht der Telekom hat sich die Präsenz-HV bewährt. Die Telekom sei die Gesellschaft mit den meisten privaten Aktionären in Deutschland und für diesen Kreis habe die HV eine besondere Bedeutung. Das Unternehmen wolle eine Beziehung zum Aktionär aufbauen, der oft auch Kunde sei.
Die Telekom hat während der beiden Pandemie-Jahre in der virtuellen Hauptversammlung schlechte Erfahrungen mit der Corona-Sonderregelung gemacht, wonach Fragen vorab einzureichen waren, was eine Flut an Fragen ausgelöst hat. Gelitten haben auch andere Unternehmen unter Kleinstaktionären, die in letzter Minute auf elektronischem Weg hunderte Fragen sendeten. Im neuen gesetzlichen Regime, wo ein Live-Rederecht verankert ist, haben nun die wenigsten Gesellschaften die Möglichkeit genutzt, Fragen vorab einreichen zu lassen.
Kostenfrage und Reichweite
Während die Telekom die Kosteneinsparungen im virtuellen Format für überschaubar hält, spricht Ina Moritz, Head of Corporate Law & Specialties bei Covestro, von erheblichen Kostenvorteilen. Der Kunststoffkonzern habe durch die virtuelle HV 2023 rund 800.000 Euro gespart im Vergleich zum Präsenzformat. Zudem habe das Unternehmen virtuell mehr Aktionäre erreicht.