RECHT UND KAPITALMARKT

Auftakt zur einheitlichen Finanzmarktaufsicht in Europa

Vorschlag der EU-Kommission zur Neuordnung der Kompetenzen

Auftakt zur einheitlichen Finanzmarktaufsicht in Europa

Von Patricia Volhard *)Die EU-Kommission hat am 20. September 2017 einen Vorschlag für eine Verordnung zur Restrukturierung der europäischen Finanzmarktaufsichtsbehörden veröffentlicht. Es handelt sich um die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA), die Europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) und die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA). Neben internen strukturellen Reformen und der Finanzierung zu 60 % durch Gebühren der überwachten Unternehmen sollen die aufsichtsrechtlichen Kompetenzen der Behörden, insbesondere der ESMA, erweitert werden. Ein Schwerpunkt liegt bei Themen mit Bezug zu Drittstaaten außerhalb der EU und der Vereinheitlichung der Auslegung europäischen Aufsichtsrechts. Dies könnte ein erster Schritt in Richtung einer einheitlichen europäischen Finanzmarktaufsicht sein. Insbesondere die Vorschläge für die Investmentfondsbranche sind erheblich.So soll ESMA zusätzliche Kompetenzen bei Auslagerungen von wesentlichen Aufgaben an Unternehmen in Drittstaaten erhalten. Dies ist von besonderer praktischer Relevanz, da Fondsmanager üblicherweise grenzüberschreitend agieren und die Teams entsprechend auf verschiedene Länder verteilt sind. Der Entwurf sieht vor, dass ESMA bei der Auslagerung von wesentlichen Aufgaben in Drittstaaten aktiv in den Genehmigungs- und laufenden Aufsichtsprozess eingreifen kann. Die nationale Aufsicht muss nach dem Entwurf ESMA über solche Auslagerungsabsichten informieren. ESMA kann dann empfehlen, die Auslagerung zu unterbinden.Diese Vorschläge erhalten besondere Brisanz im Rahmen des Brexit, da sich mit London einer der wichtigsten europäischen Finanzstandorte auf dem Weg zum Drittstaat befindet. Bereits jetzt laufen die Post-Brexit-Planungen auf Hochtouren. Unternehmen müssen heute schon Lösungen finden, die ausreichend Rechtssicherheit für die Weiterführung ihres Geschäftes geben. Viele Unternehmen beabsichtigen daher, durch Aufbau eines kontinentaleuropäischen Ablegers weiterhin im EU-Binnenmarkt vertreten zu sein. Da es aber nicht möglich und nicht sinnvoll ist, von heute auf morgen alle Mitarbeiter und Funktionen in London abzubauen, werden in der Regel Auslagerungen von bestimmten Funktionen vereinbart, aufgrund derer ein Teil der Aufgaben weiterhin aus London erbracht werden (freilich unter Beachtung der geltenden Auslagerungsvoraussetzungen). ESMA wird nach dem Entwurf die Einhaltung der Auslagerungsvoraussetzungen besonders kontrollieren. Keine ÜberraschungDer Kommissionsentwurf kommt nicht vollkommen überraschend. Erst von einigen Wochen hatte ESMA hintereinander zwei Stellungnahmen zum Thema Brexit veröffentlicht und hierin betont, dass bei Umzug und Restrukturierung von britischen Finanzunternehmen und -gruppen einheitliche Maßstäbe zur Auslegung europäischen Rechts durch nationale Aufsichtsbehörden angelegt werden sollen. Insbesondere sei sicherzustellen, dass der Etablierung kontinentaleuropäischer Briefkastenfirmen entgegengewirkt wird. Der Vorschlag der Kommission spielt daher ESMA in dem Bestreben einer einheitlichen Anwendung des europäischen Rechts in die Hände.Es geht in dem Entwurf der Kommission daher offenbar nicht um eine Änderung des geltenden Rechts als vielmehr um Sicherstellung einer einheitlichen Anwendung dieser Anforderungen. Dennoch können die Änderungen erhebliche praktische Auswirkungen haben, etwa wenn die Einbindung von ESMA zu einer Verlängerung von Erlaubnisverfahren führt oder wenn Auslagerungen in Drittstaaten im Ergebnis erheblich erschwert werden.Eine weitere sehr wesentliche Änderung betrifft die Aufsicht über europäische Risikokapitalfonds (EUVECA), europäische Fonds für soziales Unternehmertum (EuSEF) und europäische langfristige Investmentfonds (ELTIF). Hierbei handelt es sich um Fondsprodukte, die allein den Regelungen europäischer Verordnungen unterliegen. Der Vorschlag sieht vor, die Aufsicht über Fondsmanager, die von diesen Regimen Gebrauch machen, von den nationalen Aufsichtsbehörden auf ESMA zu übertragen.Der Entwurf ist nicht unumstritten, und es bleibt abzuwarten, ob er sich im gesetzgeberischen Verfahren im Parlament und Rat durchsetzt. In dem Fall könnten die neuen Vorschriften allerdings recht schnell zur Anwendung kommen. Es handelt sich nämlich um eine Verordnung, die ohne weiteren Umsetzungsakt unmittelbar in allen europäischen Mitgliedstaaten gilt. Eine einheitliche Anwendung europäischen Rechts kann durchaus eine positive Entwicklung sein. Entscheidend wird aber sein, wie ESMA die neuen Kompetenzen anwenden wird und ob ausreichend Personal vorhanden ist, um sicherzustellen, dass Erlaubnisverfahren zügig und unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Fondsindustrie umgesetzt werden. Anders als teilweise angenommen, sind Finanzdienstleister und Fondsmanager in aller Regel nicht an einer laxen, sondern vielmehr an einer zuverlässigen, fachlich guten und industrienahen sowie effizienten Aufsicht interessiert.—-*) Patricia Volhard ist Partner bei Debevoise & Plimpton.