Ausblick von Auto1 macht Investoren bange
sp Berlin
Der Berliner Online-Gebrauchtwagenhändler Auto1 hat im Schlussquartal besser abgeschnitten als erwartet, spürt nach dem russischen Angriff auf die Ukraine aber die wachsende Unsicherheit von Verbrauchern vor allem in Osteuropa. „Wir sehen, dass das zu einer gewissen Zurückhaltung führt, auch wegen der gestiegenen Spritpreise“, sagte Finanzchef Markus Boser im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Wir sehen uns mit stark steigenden Gebrauchtwagenpreisen konfrontiert, und der Krieg in der Ukraine sorgt dafür, dass sich die Menschen verstärkt Sorgen machen, was sich eben in Teilen auch auf die Nachfrage zumindest in Osteuropa auswirkt“, sagte Firmenchef Christian Bertermann zu Reuters.
Nach einem Umsatzsprung von 2,8 Mrd. auf 4,8 Mrd. Euro im vergangenen Jahr traut sich Auto1 für den neuen Turnus am oberen Ende zwar erneut einen Satz um 2 Mrd. auf 6,8 Mrd. Euro zu. Am unteren Ende stellt der SDax-Konzern aber nur 5,7 Mrd. Euro in Aussicht. Grundlage für diese Prognose sei die Annahme, dass die in den vergangenen Wochen beobachtete Kaufzurückhaltung der Verbraucher für den Rest des Jahres anhalte, sagte Boser. Um das obere Ende der Spanne zu erreichen, müsste irgendwann in den nächsten Wochen die Rückkehr auf das Niveau von 2021 erfolgen, erklärte der Finanzchef.
Die Investoren rechnen offenbar nicht so bald mit einer Aufholbewegung auf dem osteuropäischen Gebrauchtwagenmarkt, obwohl Auto1 in Russland und der Ukraine selbst kaum exponiert ist. Die Aktie, die im vorbörslichen Handel knapp 10% zulegte, rutschte im Tagesverlauf um bis zu 18% ab und ging 12% schwächer aus dem Handel. Beim Tiefstwert von 9,2 Euro notierte der Titel etwas mehr als ein Jahr nach dem Börsengang zeitweise gut 75% unter dem Angebotspreis von 38 Euro. „Mit der Gesamtsituation wackelt auch ein bisschen das Geschäftsmodell“, sagte ein Händler zu dem Kursrutsch.
„Der Rückgang unseres Aktienkurses spiegelt nicht die Entwicklung des Unternehmens wider“, betonte Firmengründer Bertermann. Auch der Finanzchef macht sich trotz des Abstiegs der Aktie aus dem MDax Anfang dieser Woche und der anhaltenden Kursflaute keine Sorgen. „Wir sehen viele Leute, die Geld bei Carvana verdient haben, uns anschauen und einen genauso großen Markt sehen“, sagte Boser unter Verweis auf den US-Konzern Carvana, der das Geschäftsmodell mit dem Online-Verkauf von Gebrauchtwagen in den USA marktgängig gemacht hat und derzeit eine Marktkapitalisierung von gut 20 Mrd. Dollar auf die Waage bringt. Auch die Aktie des US-Gebrauchtwagenhändlers hat in den vergangenen Monaten aber mehr als die Hälfte ihres Werts eingebüßt.
Operativ lief es für Auto1 zuletzt besser als erwartet. Im vierten Quartal verkaufte der Online-Gebrauchtwagenhändler knapp 167000 Fahrzeuge an Gebrauchtwagenhändler und Endkunden. Die Suche nach Elektroautos sei wegen der steigenden Benzinpreise sprunghaft in die Höhe gestiegen, sagte Bertermann. „Das E-Auto-Segment wächst aber schon seit einiger Zeit sehr stark.“ Insgesamt mache das Geschäft immer noch einen geringen Anteil an den Verkäufen von Auto1 aus, erklärte Finanzchef Boser. „Grundsätzlich funktioniert der Verkauf von Elektroautos über unsere Plattform aber genauso wie mit anderen Fahrzeugen“, sagte Boser. Im neuen Jahr will Auto1 bis zu 770000 (596731) Autos verkaufen – bis zu 90000 (41380) davon in der Retailsparte.
Der Umsatz wurde im Schlussquartal auf 1,6 Mrd. Euro verdoppelt, wobei das verhältnismäßig neue Geschäft mit Retailkunden in der Sparte Autohero auf 209 (i.V. 53) Mill. Euro besonders kräftig zulegte. Der Rohertrag pro verkauftem Fahrzeug kletterte in dieser Sparte im Schlussquartal auf 418 (290) Euro, wie Boser hervorhob. Damit liegt Autohero zwar immer noch deutlich unter dem Merchant-Geschäft mit Gebrauchtwagenhändlern, das einen Rohertrag von 804 (721) Euro pro Einheit erzielte. Weil Auto1 in Zukunft mehr und mehr Gebrauchtwagen verkaufen will, die an firmeneigenen Produktionsstandorten aufpoliert werden, rechnet der Konzern aber mit einem beschleunigten Wachstum des Rohergebnisses in den kommenden Quartalen.
Betriebsverlust steigt
Im Gesamtjahr stieg das Rohergebnis um 51% auf 431 Mill. Euro. Für 2022 werden 470 Mill. bis 580 Mill. Euro erwartet. Der bereinigte Betriebsverlust (Ebitda) weitete sich 2021 wegen Investitionen in die Marke Autohero und in eigene Werkstätten auf 107 (15) Mill. Euro aus. Die bereinigte Ebitda-Marge rutschte von –0,5 auf –2,2% und wird 2022 zwischen –2,0 und –3,0% erwartet.
Auto1 Group | ||
Konzernzahlen nach IFRS | ||
in Mill. Euro | 2021 | 2020 |
Umsatz | 4775 | 2830 |
Autohero | 579 | 133 |
Rohergebnis | 431 | 286 |
Autohero | 15 | 3 |
Bereinigtes Ebitda | – 107 | – 15 |
Ber. Ebitda-Marge (%) | – 2,2 | – 0,5 |
Börsenwert (23.3.22) | 2 100 | |
Börsen-Zeitung |