Agrarhandelskonzern

Baywa kämpft um ihren Fortbestand

Die Krise des Agrarhandelskonzerns Baywa hat sich verschärft. Mit einem Sanierungsgutachten versucht der Vorstand, die Gläubigerbanken zu beruhigen. Doch mit der Aktie ging es zum Wochenauftakt um über ein Drittel in den Keller.

Baywa kämpft um ihren Fortbestand

Baywa kämpft um ihren Fortbestand

Berater von Roland Berger durchleuchten hochverschuldeten Agrarhandelskonzern – Alarmsignal der Führung sorgt für Kurssturz

sck München

Die Krise des führenden europäischen Agrarhandelskonzerns Baywa hat sich verschärft. Mit einem beauftragten Sanierungsgutachten an Roland Berger versucht der Vorstand, die Gläubigerbanken zu beruhigen. Die Nachricht verunsichert die Anleger. Zum Wochenauftakt ging die Aktie des Münchner SDax-Mitglieds um über ein Drittel in den Keller.

Das in Auftrag gegebene Sanierungsgutachten ist ein Zeichen dafür, dass die hochverschuldete Baywa-Gruppe um ihren Fortbestand kämpft. Am Freitagabend nach Börsenschluss meldete das zum Genossenschaftssektor gehörende Unternehmen adhoc, mit diesem Gutachten „auf eine angespannte Finanzierungslage“ zu reagieren.

Alarmsignal für Anleger

Ob die Führung der börsengelisteten AG dies auf Druck der kreditgebenden Banken veranlasste, ließ Baywa offen. Vorstandschef Marcus Pöllinger und Finanzvorstand Andreas Helber suggerierten, das Heft des Handelns weiter in ihren Händen zu haben. „Der Vorstand geht aufgrund konstruktiver Gespräche mit Finanzierungspartnern und der eingeleiteten Maßnahmen davon aus, dass die Finanzsituation nachhaltig gestärkt werden kann. Damit verfolgt die Baywa weiterhin ihren Konsolidierungskurs.“

Die Anleger überzeugte das nicht. Sie werteten die Nachricht als Alarmzeichen. Die Aktie von Baywa brach am Montag im Xetra-Handel zeitweise über ein Drittel auf 15 Euro ein. Damit fiel das Papier auf das Niveau vom Juli 2005 zurück. Der Titel befindet sich seit Ende 2022 auf Talfahrt. Seinerzeit notierte der Anteilschein bei über 47 Euro. Auf der zurückliegenden ordentlichen Hauptversammlung am 11. Juni mokierten sich Aktionäre über die für 2023 gestrichene Dividende und die hohen Verluste. Baywa umfasst weltweit über 23.000 Mitarbeiter. Der Konzern ist ein wichtiger Versorger und Abnehmer für die Landwirtschaft in Deutschland.

Zinswende schlägt ins Kontor

Im ersten Quartal sorgten geschrumpfte Umsätze und ein tiefrotes Finanzergebnis dafür, dass der Nettoverlust von 108 Mill. Euro sogar noch größer ausfiel als im Gesamtjahr 2023 (- 93 Mill. Euro). Die Finanzverbindlichkeiten wuchsen von Ende 2023 bis Ende März dieses Jahres um 169 Mill. auf 5,6 Mrd. Euro, davon waren 2,5 Mrd. Euro kurzfristig, also mit bis zu einem Jahr Tilgungsfrist.

Die stark gestiegenen Marktzinsen infolge der Zinswende schlagen bei Baywa aufgrund hoher Finanzverbindlichkeiten ins Kontor. Der Zinsaufwand betrug allein im ersten Dreimonatsabschnitt 2024 über 97 Mill. Euro. Im gesamten vorigen Jahr waren es 362 Mill. Euro. 2023 kletterte dem Geschäftsbericht zufolge der durchschnittliche Zinssatz für variabel verzinsliche Finanzschulden um 267 Basispunkte auf 4,43%.

Verkauf des Solargeschäfts stockt

Infolge der Verluste schrumpfte das Konzern-Eigenkapital Ende März auf 1,59 Mrd. Euro. 2023 gingen die Eigenmittel um 205 Mill. auf 1,71 Mrd. Euro zurück. Der Anteil des Eigenkapitals an der Bilanzsumme machte zuletzt nur noch 12,3% aus. Im zurückliegenden Quartalsbericht machte die Baywa-Führung keine Angaben über den Cashflow (Kapitalflussrechnung). 2023 betrug der operative Mittelzufluss 455 Mill. Euro. Die liquiden Mittel lagen bei 233 Mill. Euro.

Pöllinger versucht, mit einer Restrukturierung Baywa nach dem Rekordjahr 2022 wieder auf Kurs zu bringen. In der zweiten Jahreshälfte will er in die Gewinnzone zurückkehren. Die Sanierung beinhaltet Verkäufe. Aus diesen Erlösen sollen die Finanzschulden reduziert werden. Der angestrebte Verkauf des Solarhandelsgeschäfts im Ausland stockt aber. Der Preisverfall in diesem Bereich drückt auf die Margen. Das Segment Regenerative Energien schrieb deshalb zuletzt rote Zahlen.

Druck auf Vorstand steigt

Der CEO und Finanzvorstand Andreas Helber wollen ihren Schrumpfkurs und Umbau ohne Kapitalerhöhungen bewältigen. Dadurch sollen die beiden Ankeraktionäre verschont bleiben. Die Bayerische Raiffeisen-Beteiligungs AG hält 33,8% des Grundkapitals. Hinter dieser stehen die Volks- und Raiffeisenbanken des Freistaats. Die Raiffeisen Agrar Invest AG aus Österreich verfügt über 28,1%. Auf den den Streubesitz entfallen 38,1%.

Mit dem Sanierungsgutachten unabhängiger Dritter steigt der Druck auf den Vorstand. Denn die Gutachter müssen eine Fortführungsprognose für die Firma im Rahmen eines aussagefähigen Testats abgeben. Das sollte so schnell wie möglich erfolgen. Bis wann dies geschehen soll, dazu machte Baywa keine Angaben. Nach Informationen der Börsen-Zeitung beauftragte die Konzernführung die Unternehmensberatung Roland Berger mit dem Gutachten. Ein Restrukturierungkoordinator soll von außen zusätzlich helfen. Der Konzern legt seine Halbjahreszahlen am 8. August vor. Abschlussprüfer für Baywa ist PricewaterhouseCoopers. Diese gab für 2023 ein uneingeschränktes Testat ab.

Ergebnis des Gutachtens entscheidend

Das Ergebnis des Sanierungsgutachtens bestimmt den Handlungsrahmen für die Gläubigerbanken. Fällt dieses positiv aus, könnte Baywa eine Insolvenz wegen Zahlungsunfähigkeit abwenden.

2021 vereinbarte die Baywa erstmals einen Konsortialkredit über 1,7 Mrd. Euro mit mehreren Banken. Die DZ Bank, LBBW und die HypoVereinsbank koordinierten das Darlehen als Bookrunner. Der Kreditrahmen erhöhte sich 2022 auf 2 Mrd. Euro und wurde 2023 um zwei Jahre bis September 2025 verlängert.

Expansion im Zinstief

Die hohen Finanzschulden sind das Resultat einer fremdfinanzierten internationalen Expansion der Baywa in der Phase des Zinstiefs, also zu Zeiten des billigen Geldes. Pöllingers Vorgänger Klaus Josef Lutz betrieb diese Strategie, um Baywa diversifizierter aufzustellen und damit krisenresistenter zu machen. Neben Agrar ist Baywa in den Bereichen Energie und Bau tätig. Im Frühjahr 2023 gab Lutz altersbedingt den CEO-Posten an seinen designierten Nachfolger Pöllinger ab.

Lutz wechselte danach in den Aufsichtsrat als Vorsitzender des Gremiums. Im Januar dieses Jahres kam es zu einem Zerwürfnis. Lutz warf hin, Pöllinger konnte bleiben. Vermutet wird, dass auch die angespannte finanzielle Lage ein Grund für die Auseinandersetzung war.

Neuer Chefaufseher ist seit Mai Gregor Scheller. Der Genossenschaftsbanker ist ein Vertreter des größten Einzelaktionärs. Er führte zuletzt als Präsident den Genossenschaftsverband Bayern. Scheller soll dafür sorgen, dass Baywa in ruhigeres Fahrwasser kommt. Dank seiner guten Vernetzung in der Finanzbranche wird von ihm auch erwartet, dazu beizutragen, die drohende Schieflage der Baywa abzuwenden.

Die Krise des führenden europäischen Agrarhandelskonzerns Baywa hat sich verschärft. Mit einem Auftrag für ein Sanierungsgutachten an Roland Berger versucht der Vorstand, die Gläubigerbanken zu beruhigen. Die Nachricht verunsichert die Anleger. Die Aktie des Münchner SDax-Mitglieds stürzte um ein Drittel ab.

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