Baywa wird zum Restrukturierungsfall
Baywa wird zum Restrukturierungsfall
Nach hohem Jahresverlust setzt Agrarhandelskonzern zum Umbau an – Aufsichtsrat deckt Vorstand nach Machtkampf erneut den Rücken
Von Stefan Kroneck, München
Die Baywa kommt nicht aus den negativen Schlagzeilen heraus. Nach einem dubiosen Machtkampf schockierte der Agrarhandelskonzern die Anleger dieser Tage mit einem hohen Jahresverlust und der Streichung der Dividende. Seit Ende 2022 befindet sich die Aktie des SDax-Mitglieds auf Talfahrt. In dieser Zeit verlor das Papier nahezu die Hälfte an Wert. Am Dienstag lag der Kurs im Handelsverlauf auf Xetra mit 24,90 Euro rund 1% schwächer.
„Jahr der Konsolidierung“
Zur Bilanzvorlage am Gründonnerstag kündigte Vorstandschef Marcus Pöllinger an, das bislang auf Expansion ausgerichtete Geschäftsmodell einer genauen Prüfung zu unterziehen. 2024 soll aus seiner Sicht ein „Jahr der Konsolidierung“ werden. Er signalisierte, dass unrentable Bereiche abgestoßen werden, sollten diese keine Trendwende zeigen. Die Konzernführung sprach von „Portfolio-Optimierung“. Im Detail handelt es sich um ein Bündel von Maßnahmen. Pöllinger will an den „richtigen Stellschrauben drehen“, um wieder nach Steuern schwarze Zahlen schreiben zu können. 2024 werde sich das Ergebnis „signifikant verbessern“, so der CEO. Mit dieser Kurskorrektur leitet er eine Restrukturierung des traditionsreichen Unternehmens ein.
Handlungsbedarf
Für den seit einem Jahr amtierenden CEO besteht dringender Handlungsbedarf. 2023 wies der Konzern einen Nettoverlust von 93 Mill. Euro aus. Das war nach Unternehmensangaben der erste Fehlbetrag in der Firmengeschichte. Zum Vergleich: 2022 erwirtschaftete die Baywa noch einem Rekordgewinn von 240 Mill. Euro. Ein wesentlicher Grund für diesen Absturz in die roten Zahlen sind die gestiegenen Marktzinsen. Der um 160 Mill. auf 362 Mill. Euro hochgeschnellte Zinsaufwand sorgte für ein negatives Finanzergebnis von 327 Mill. Euro. Dadurch wurde das erzielte Ergebnis vor Zinsen und Steuern von 304 Mill. Euro komplett aufgezehrt. Hinzu kamen unter anderem Wertberichtigungen auf steuerliche Verlustvorträge. Das Vorsteuerergebnis, welches voriges Jahr –38 Mill. Euro betrug, soll 2024 laut Baywa in einer Spanne von 65 Mill. bis 75 Mill. Euro liegen.
Die Ursache für den Rückschlag in der Erfolgsrechnung liegt tiefer. Der Baywa-Konzern ist hoch verschuldet. Ende 2023 betrugen die Finanzverbindlichkeiten 5,4 Mrd. Euro, davon waren 2,4 Mrd. Euro kurzfristig. Gegenüber 2022 wuchsen diese insgesamt um 145 Mill. Euro. Aufgrund des Verlustes schrumpfte das Eigenkapital um 10% auf 1,7 Mrd. Euro. Dessen Anteil an der Bilanzsumme ging um einen Prozentpunkt auf 13,7% zurück. Die Baywa entfernte sich damit von ihrer Zielquote von 20%. Die bereinigte Nettoverschuldung von 3,7 Mrd. Euro machte 2023 mehr als das Sechsfache des operativen Ergebnisses Ebitda (587 Mill. Euro) aus. Der Konzern riss die Vorgabe des maximalen Faktors von 4,5.
Hohe Finanzschulden
Diese Bilanzstruktur ist dem rasanten Expansionskurs der vergangenen Jahre geschuldet. Der Konzern finanzierte Zukäufe überwiegend mit Fremdkapital, um sich zu einem diversifizierten Mischkonzern, der auch im Windkraft- und Solarenergiegeschäft tätig ist, zu mausern. Im Zinstief ging diese Strategie auf. Seit der Zinswende wächst der Druck, die Finanzschulden konsequent abzubauen, um die Passivseite der Bilanz zu stabilisieren. Das ist die Aufgabe von Finanzvorstand Andreas Helber. Dieser setzt auf einen neuen Anlauf, eine Konzerntochter für Solarhandel gewinnbringend zu veräußern.
Letzteres erwies sich bislang jedoch als zähes Unterfangen. Denn in diesem Marktsegment herrschen Überkapazitäten. Das sorgt für einen Preisverfall. Das Beispiel zeigt, dass die Restrukturierung für die Baywa kein Selbstläufer ist.
Rückendeckung für CEO
Rückendeckung für die Neuordnung erhalten Pöllinger und seine Vorstandskollegen vom Aufsichtsrat. Einen Tag vor der Bilanzvorlage sprach das Kontrollgremium dem Management erneut „das uneingeschränkte Vertrauen“ aus. Eine interne Untersuchung, mit der eine Kanzlei beauftragt worden war, habe ergeben, dass „kein Compliance-Verstoß“ festgestellt worden sei, so die Baywa. Dem ging ein Konflikt zwischen Pöllinger und seinem Amtsvorgänger Klaus Josef Lutz voraus. Lutz, der 2023 in den Aufsichtsrat wechselte und dort die Leitung übernahm, warf dem neuen CEO vor, gegen Regeln der guten Unternehmensführung verstoßen zu haben. Die übrigen Aufsichtsratsmitglieder folgten ihm aber nicht. Nach einer außerordentlichen Sitzung des Kontrollgremiums Ende Januar warf Lutz das Handtuch. Er trat sofort zurück. Über die Hintergründe des Streits machte der Konzern keine näheren Angaben. Vermutet wird, dass es um interne Bewertungen von Führungskräften ging, die Pöllinger veranlasst haben soll. Eine dafür verantwortliche Managerin soll diese Bewertungen einer Beratungsfirma zugeschickt haben.