Keine Einigung in Tarifverhandlungen

Bei Volkswagen bahnt sich ein Arbeitskampf an

Die Zeichen stehen auf Warnstreik: Bei Volkswagen bahnt sich noch vor Weihnachten ein Arbeitsausstand an.

Bei Volkswagen bahnt sich ein Arbeitskampf an

Bei VW bahnt sich ein Arbeitskampf an

Tausende Beschäftigte demonstrieren bei dritter Tarifverhandlungsrunde

ste Hamburg

Im Ringen um Perspektiven für die angeschlagene Volkswagen AG bahnt sich ein Arbeitskampf an. Die Gewerkschaft IG Metall und der Gesamtbetriebsrat des Autobauers, die am Vortag einen Vorschlag zur Reduzierung der Personalkosten um 1,5 Mrd. Euro vorgestellt hatten, zeigten sich am Donnerstag vor Beginn der dritten Runde über den VW-Haustarifvertrag entschlossen.

Wenn das Unternehmen die allerletzte Chance, noch vor Auslauf der Friedenspflicht zu einer Lösung ohne Werksschließungen und Massenentlassungen zu kommen, verstreichen lasse, seien Warnstreiks ab 1. Dezember möglich, sagte IG-Metall-Verhandlungsführer Thorsten Gröger. Wie er kritisierte auch VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo bei einer Kundgebung in Wolfsburg mit rund 7.000 VW-Beschäftigten aus allen deutschen VW-Werken, dass der Vorstand bislang nur Sparmaßnahmen fordere. „Strategische Offensive? Zukunftsbilder? Angriffspläne? Alles Fehlanzeige.“

Warnstreiks zuletzt 2018

Nach Ende der dritten Verhandlungsrunde teilte die IG Metall mit, es sei keine Lösung im Tarifkonflikt innerhalb der Friedenspflicht erzielt worden. Die Gespräche sollen am 9. Dezember fortgesetzt werden. Zuletzt hatte es bei VW 2018 flächendeckende Warnstreiks gegeben. Reguläre Streiks fanden in den Jahren 2003 und 1984 statt.

Tür nicht weiter geöffnet

„Es ist jetzt am Unternehmen, sich zu bewegen und auf die IG Metall zuzugehen“, so Betriebsratschefin Cavallo nach Abschluss der Gespräche am Donnerstag. Am Verhandlungstisch habe sich das Unternehmen zunächst interessiert am Konzept der IG Metall gezeigt und habe auch die Lösungsbereitschaft der Arbeitnehmerseite gewürdigt, noch vor Weihnachten zu einer Einigung zu kommen. Nachdem in der zweiten Tarifverhandlung der Türspalt durch VW, doch über Perspektiven für alle Standorte zu sprechen, geöffnet worden sei, sei dieser in der dritten Runde durch das Unternehmen nicht zugeschlagen, aber auch nicht weiter geöffnet worden.

In der vorangegangenen Verhandlungsrunde hatte das Unternehmen Ende Oktober unter anderem eine Entgeltabsenkung um 10% bei allen Tarifbeschäftigten gefordert, während die Gewerkschaft eine Anhebung um 7% verlangte. Der am Mittwoch von den Arbeitnehmervertretern präsentierte Vorschlag sieht neben dem Verzicht auf Teile der Bonuszahlungen für Vorstand, Management und Tarifbeschäftigte in den Jahren 2025 und 2026 insbesondere vor, eine anstehende Tariferhöhung bei VW befristet als Arbeitszeit in einen solidarischen Zukunftsfonds einzubringen. Im Gegenzug verlangen Gewerkschaft und Betriebsrat den Verzicht auf Werksschließungen in Deutschland sowie das Wiederinkraftsetzen der im September gekündigten Beschäftigungsgarantie durch den Vorstand.

Verkäufe für zwei Werke fehlen

Ende vergangenen Jahres hatten sich Vorstand und Betriebsrat auf Maßnahmen für eine Ergebnisverbesserung um 10 Mrd. Euro verständigt, um bei der Kernmarke Volkswagen Pkw 2026 auf eine operative Umsatzrendite von 6,5% zu kommen – nach 2,1% in den ersten neun Monaten dieses Jahres. Im Sommer signalisierte das Unternehmen, dass die Maßnahmen nicht ausreichen würden und verwies darauf, dass wegen geringerer Fahrzeugnachfrage in Europa verglichen mit den Jahren vor der Corona-Pandemie die Verkäufe für rund zwei Werke fehlen würden.

Die Arbeitnehmervertreter beziffern das Volumen des Programms zur Ergebnisverbesserung bei der Marke auf inzwischen 17 Mrd. Euro. Mit Blick auf Maßnahmen im Zuge der Absatzkrise von VW Anfang der 1990er Jahre sagte Ingo Speich von der Fondsgesellschaft Deka Investment, die damalige Einführung einer Viertagewoche könne auch jetzt kostenseitig sinnvoll sein, löse aber nicht das Grundproblem des Autobauers. VW müsse vor allem attraktivere Fahrzeuge auf den Markt bringen.

Bei Reformen zu spät

Aus Aktionärssicht sei die Lage bei VW sehr ernst und unbefriedigend, so Speich, der beim Fondsdienstleister der Sparkassen den Bereich Nachhaltigkeit und Corporate Governance leitet. Seit Jahresbeginn hat der Kurs der VW-Aktie fast 30% verloren, in den vergangenen fünf Jahren sogar mehr als 50%. „Unserer Ansicht nach ist diese Entwicklung eine Folge von eklatanten Fehlentscheidungen.“ Das operative Geschäft von VW sei viele Jahre lang eine Erfolgsgeschichte gewesen. „Doch damit ist es vorbei. Es wurden viel zu spät Reformen eingeleitet.“

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