Berlin unterliegt am EuGH im Gas-Streit
dpa-afx Luxemburg
Im Streit über eine Ausweitung russischer Erdgaslieferungen hat Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) eine Niederlage hinnehmen müssen. In einem am Donnerstag veröffentlichten Urteil wies der EuGH Rechtsmittel Deutschlands gegen einen Beschluss des EU-Gerichts zurück. Konkret geht es um größere Liefermengen durch die Pipeline Opal, eine Verlängerung der seit 2011 betriebenen ersten Nord-Stream-Pipeline in der Ostsee, über die russisches Gas nach Europa transportiert wird (Rechtssache C-848/19).
Polen hatte geklagt
Polen hatte gegen die größeren Liefermengen vor dem Gericht der Europäischen Union (EU-G) geklagt, weil sie die Versorgungssicherheit des Landes gefährdeten und gegen den Grundsatz der Energiesolidarität verstießen. Das Gericht gab der Klage statt, woraufhin Deutschland Rechtsmittel beim EuGH einlegte, die nun zurückgewiesen wurden.
Im September 2019 hatte Polen in erster Instanz einen Beschluss der EU-Kommission stoppen lassen, der der russischen Gazprom die stärkere Nutzung der Opal-Pipeline erlaubte (Rechtssache T-883/16). Gazprom durfte ursprünglich nur die halbe Leitungskapazität nutzen, um andere Lieferanten nicht zu benachteiligen. Mit einem Beschluss von 2016 erlaubte die EU-Kommission Gazprom dann auf Antrag der Bundesnetzagentur eine deutliche Erhöhung der Lieferungen. Dass diese Entscheidung vom EU-G zu Recht für nichtig erklärt wurde, bestätigte nun der EuGH.
In einem zuvor veröffentlichten Gutachten des Gerichtshofs hieß es, Deutschland „macht im Wesentlichen geltend, dass die Energiesolidarität lediglich ein politischer Begriff und kein rechtliches Kriterium sei“. Entsprechend könnten daraus keine unmittelbaren Rechte und Pflichten abgeleitet werden. Dem widerspricht nun das oberste Gericht der EU. Da der Grundsatz der Solidarität allen Zielen der Energiepolitik der Union zugrunde liege, sei die Annahme unzulässig, dass dieser keine verbindlichen Rechtswirkungen erzeuge. Der Grundsatz beinhalte Rechte und Pflichten für die EU-Länder.
Das Urteil kann nach Einschätzung des Generalanwalts Campos Sánchez-Bordona auch Auswirkungen auf die umstrittene Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 haben. In seinem Gutachten schreibt er, dass es für Gazprom und verbündete Unternehmen schwieriger werden könne, „in den Genuss einer vorübergehenden Ausnahme von der Anwendung der Unionsbestimmungen (…) auf die Gasfernleitung Nord Stream 2 (…) zu kommen“.
Kritik an Nord Stream 2
Diese Unionsbestimmungen schreiben einen freien und fairen Wettbewerb der Gasflüsse vor. Hoffnungen Gazproms auf Vorteile auf dem Energiemarkt nach der Fertigstellung von Nord Stream 2 dürften entsprechend einen Dämpfer bekommen. Der Bau der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 wird von Teilen Europas und der USA kritisiert. Die Rohrverlegearbeiten stehen schon länger kurz vor dem Abschluss. Es gab jedoch immer wieder Widerstand aus anderen Ländern.