Biotech-Start-up Again erhält frisches Geld für Chemikalienproduktion aus CO2
Biotech-Start-up Again erhält frisches Geld
Dänisch-deutsche Jungfirma produziert Chemikalien aus CO2 und sammelt 43 Mill. Dollar ein
kro Frankfurt
Die Nutzbarmachung von CO2 als Rohstoff treibt immer mehr Unternehmen um. Schon heute werden laut der Internationalen Energieagentur pro Jahr rund 230 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Treibhausgases industriell genutzt – besonders häufig passiert das in der Chemiebranche.
In diesem Feld will künftig auch das dänisch-deutsche Start-up Again mitmischen. Das 2021 gegründete Unternehmen hat ein Verfahren entwickelt, bei dem CO2 mithilfe von Wasserstoff und speziellen Bakterien in Bioreaktoren zu Acetat umgewandelt wird. Acetat ist als Basischemikalie in verschiedenen Alltagsprodukten wie Klebstoffen, Lösungsmitteln, Textilien, Kosmetik oder Arzneimitteln enthalten. „Es ist eine der wichtigsten Basischemikalien der Welt“, sagt Again-Mitgründer Max Kufner. „Der Markt ist 20 bis 30 Mrd. Euro schwer.“
Das Problem: Bei der konventionellen Herstellung der Chemikalie mit fossilen Rohstoffen fallen jede Menge Emissionen an. „Je nach Typ sind das zwei bis vier Tonnen CO2 pro produzierter Tonne Acetat“, sagt Kufner. "Wir stellen Acetat grüner her, indem wir Kohlendioxid recyceln. Je nachdem, welchen Wasserstoff wir verwenden, also grauen oder grünen, fallen bei uns zwischen null und minus 1,6 Tonnen CO2 an – wir sind also Carbon-neutral bis Carbon-negativ.“
In Kopenhagen steht bereits eine erste Demonstrationsanlage von Again. Diese bezieht ihr CO2 aus einer direkt vor Ort befindlichen industriellen Kläranlage, einer sogenannten Punktquelle, wie es im Fachjargon heißt. Bis zu einer Tonne Kohlendioxid kann dort pro Tag abgeschieden und in Acetat umgewandelt werden.
HV Capital steigt ein
Das Start-up will im nächsten Schritt vorerst ein bis zwei kommerzielle Anlagen errichten. Dabei helfen dürfte der Abschluss einer Series-A-Finanzierungsrunde, bei der Again gerade 43 Mill. Dollar eingesammelt hat. Hauptgeldgeber waren Alphabets Venture-Arm Google Ventures (GV) – der sich bereits im November an Again beteiligt hatte – und HV Capital (ehemals Holtzbrinck Ventures). Atlantic Labs aus Berlin und der kalifornische Wagniskapitalgeber Acme waren ebenfalls wieder an der Runde beteiligt. Zu den weiteren Neuinvestoren zählen die dänische VC-Firma Kompas sowie der dänische Investitionsfonds EIFO.
Mit dem Hamburger Chemie-Unternehmen Helm AG hat das Start-up bereits eine Abnahmevereinbarung über die ersten 50.000 produzierten Tonnen Acetat geschlossen. „Das ist sehr wichtig für eine Firma wie uns, da wir mit so einem Vertrag zu den Banken gehen können, um eine Finanzierung für die Anlagen zu bekommen“, sagt Kufner.
Über den künftigen CO2-Bedarf in der deutschen Chemie-Industrie
Viele Chemieerzeugnisse enthalten Kohlenstoff. Allein die deutschen Unternehmen der Branche wandeln jedes Jahr rund 21 Millionen Tonnen davon in Produkte wie Outdoorkleidung oder Autoreifen um. Um langfristig von den zumeist fossilen Quellen wie Erdöl oder Erdgas wegzukommen, will die Industrie das wichtige Element künftig vor allem aus Biomasse, aus Abfällen sowie aus abgeschiedenem CO2 beziehen.
Die vom Deutschen Chemieverband VCI und dem Verein Deutscher Ingenieure (VDI) ins Leben gerufene Plattform „Chemistry4Climate“ hat errechnet, dass der maximale jährliche CO2-Bedarf deutscher Chemieunternehmen ab dem Jahr 2045 bei etwa 52 Millionen Tonnen liegen wird. Hierbei gilt die Annahme, dass die Industrie zu dem Zeitpunkt bereits komplett transformiert ist und CO2-neutral produziert.
Die von Again geplanten Anlagen sollen Ende nächsten Jahres an den Start gehen und „viel größer“ als die Demonstrationsanlage werden, wie Kufner sagt: „Da stellen wir im Jahr mehrere Tausend Tonnen an Produkten her.“ Ob die Fabriken in Europa oder Amerika stehen werden, sei noch nicht entschieden. „Die Frage hängt teilweise mit den unterschiedlichen Förderungsmöglichkeiten zusammen“, so der Unternehmer. „Wenn man Produkte grün und mit erneuerbaren Energien herstellen kann, ist es momentan wirtschaftlich viel attraktiver, in Amerika zu produzieren.“ Mit den Wahlen in den USA sei derzeit allerdings nicht klar, ob der Inflation Reduction Act in seiner jetzigen Ausgestaltung fortbestehen wird.
In der Europäischen Union hatte die EU-Kommission im Februar eine Strategie für das industrielle CO2-Management vorgelegt, das nach 2040 „ein integraler Bestandteil des Wirtschaftssystems der EU“ sein soll. Dazu sollen bestehende Maßnahmen und Finanzierungsinstrumente in der Union ergänzt und vervollständigt werden. Bislang werden Technologien in dem Bereich unter anderem vom Innovationsfonds und vom Forschungsrahmenprogramm Horizont Europa unterstützt.
Chemieverband beklagt fehlenden politischen Rahmen
Der Europäische Chemieverband Cefic sieht derzeit allerdings noch keinen passenden politischen Rahmen, um in die Skalierung von Technologien zur Nutzung von abgeschiedenem CO2 zu investieren. Tatsächlich würden einige gesetzliche Regeln – wie die Produktionskriterien für erneuerbaren Wasserstoff (...) – sogar schon ein Ausstiegsdatum für die Nutzung von abgeschiedenem industriellen CO2 als Rohstoff vorsehen, „bevor die Technologie eine Chance hatte, ausgerollt zu werden“, so der Verband.
Chemikalien sind längst nicht das einzige Produkt, das sich heute aus Kohlendioxid herstellen lässt. So gibt es mittlerweile auch mehrere Start-ups, die essbare Proteine aus CO2 im industriellen Maßstab erzeugen wollen. Darunter fallen beispielsweise Farmless aus Amsterdam, Arkeon aus Österreich oder Solar Foods aus Finnland. Auch bei Again sei dies ein Thema: "Wir arbeiten auch daran, aus CO2 Proteine herzustellen, die zum Beispiel zu Fischfutter weiterverarbeitet werden sollen“, sagt Kufner.
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