Prognose

Chemie geht mit Zuversicht ins neue Jahr

Die globale Konjunkturerholung und die starke Nachfrage nach Corona-Impfstoffen sorgen für Schwung in der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie. Im kommenden Jahr soll sich das spürbare Wachstum fortsetzen.

Chemie geht mit Zuversicht ins neue Jahr

swa Frankfurt – Die deutsche Chemieindustrie rechnet auch im nächsten Jahr mit einem signifikanten Wachstum. Die Dynamik sollte nach der kräftigen Erholung 2021 jedoch nachlassen – im laufenden Turnus gelang ein Umsatzplus von 15,5%.

„Trotz verschiedener Belastungsfaktoren rechnen unsere Unternehmen für 2022 mehrheitlich mit einem Plus im In- und Ausland. Vor allem in Übersee gehen sie von mehr Umsatz aus“, erklärte Christian Kullmann, Präsident des Verbands der Chemischen Industrie (VCI) und Evonik-Chef. Der Verband hält einen Anstieg der Produktion um 2% und ein Wachstum des Umsatzes um 5% auf 231 Mrd. Euro für möglich.

Aus einer Mitgliederumfrage des Verbands geht hervor, dass sich die Geschäftslage in den vergangenen Monaten eingetrübt hat. Es fehle zwar nicht an Aufträgen, doch Engpässe bei Vorprodukten und in der Logistik hätten sich weiter verschärft. Der Umfrage zufolge hat mehr als ein Drittel der Unternehmen wegen Lieferkettenproblemen ihre Produktion gedrosselt, rund 10% hätten Anlagen sogar vorübergehend stillgelegt (siehe Grafik). „Eine so noch nie da gewesene Situation für die chemische und pharmazeutische Industrie“, sagte Kullmann. Auch bei der Bearbeitung von Aufträgen komme es zu erheblichen Verzögerungen. Die Engpässe werden sich nach Einschätzung von Kullmann bis in den nächsten Sommer hinziehen.

Problematische Energiepreise

Kopfschmerzen bereite der Branche auch der rasante Preisanstieg von Gas und Strom in den vergangenen Monaten. Gut 60% der Unternehmen stellen fest, dass ihre Betriebsabläufe derzeit durch die Höhe der Energiepreise erheblich behindert werden. Die Hersteller versuchten zwar die steigenden Kosten zeitnah an ihre Kunden weiterzugeben, allerdings sähen sich 16% nicht dazu in der Lage. „Die Lage dürfte noch eine Weile kritisch bleiben. Die Mehrheit unserer Unternehmen glaubt nicht an eine signifikante Entspannung bei den Energiekosten im kommenden Jahr“, fasst es Kullmann zusammen.

Für das zu Ende gehende Jahr prognostiziert der VCI für den drittgrößten Industriesektor hierzulande unverändert einen Umsatzanstieg von 15,5% auf 220 Mrd. Euro. Dahinter steht ein Produktionsplus um 4,5% und ein kräftiger Anstieg der Erzeugerpreise um 8,5%. Der VCI erinnert daran, dass die Kosten für Rohbenzin (Naphta) um 70% kletterten und auch nachwachsende Rohstoffe, Metalle oder Mineralien deutlich teurer waren als 2020.

„Unsere Branche hat vielfachem Gegenwind standgehalten und ein beachtliches Ergebnis erzielt“, würdigt Kullmann das Rekordjahr. Grundlage für das starke Wachstum sei die konjunkturelle Erholung auf allen Kontinenten. Entsprechend positiv habe sich die globale Nachfrage nach Chemikalien, aber auch Impfstoffen aus deutscher Produktion entwickelt. Mit Blick auf die Knappheit von Corona-Impfstoffen sieht der Manager „sehr gute Chancen“, hier gegensteuern zu können.

Der neuen Bundesregierung bescheinigt Kullmann, mit dem Koalitionsvertrag „gute Ansätze zur Transformation“ erarbeitet zu haben. Nun müssten den „Buchstaben auch Taten folgen“. Der VCI-Präsident lobt, dass die neue Regierung bestrebt sei, Deutschland wieder zur „Apotheke der Welt“ zu entwickeln und entsprechende Investitionen unterstützen zu wollen. Er begrüßt zudem die angekündigte Abschaffung der EEG-Umlage Anfang 2023, um den Strompreis zu verringern. Davon werde vor allem der Mittelstand profitieren. In der Chemie summiert sich die EEG-Umlage laut VCI auf 1,2 Mrd. Euro pro Jahr.

Den beschleunigten Ausbau von Windkraft und Fotovoltaik hält auch der Chemieverband für unverzichtbar, um Klimaneutralität zu erreichen. Er müsse aber wegen des politisch forcierten Ausstiegs aus der Kohleverstromung durch die Errichtung moderner Gaskraftwerke begleitet werden. Erdgas sei für die chemische Industrie mit über 120 Terawattstunden im Jahr nicht nur der wichtigste Energieträger, sondern auch essenzieller Rohstoff: Knapp ein Drittel des Erdgases, das sie im Jahr verbrauche, gehe als Rohstoff in die Produktionsanlagen. Das entspreche 16% aller Rohstoffe, die die Chemie für die organische Produktion einsetzt.

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