China lockert Coronaregeln für Schlüsselindustrien
nh Schanghai
Chinas Regierungsapparat stemmt sich mit wachsender Verzweiflung gegen immer offensichtlichere Lieferkettenstörungen, Produktionsunterbrechungen und anderweitige wirtschaftliche Schäden, die mit der selbst verordneten Corona-Nulltoleranzpolitik und Lockdown-Maßnahmen in Schanghai sowie anderen wichtigen Industriestandorten verbunden sind. Nachdem die Pekinger Zentralregierung seit Märzbeginn die Verantwortlichen auf Provinz- und Lokalregierungsebene mit immer härteren Verordnungen zur bedingungslosen Durchsetzung von Restriktionen auch bei minimalen Ansteckungsraten verpflichtet hat, sieht man nun, dass die strikte Befolgung der Anweisungen die Versprechungen zur möglichst wirtschaftsschonenden Corona-Politik konterkarieren. Chinas Vizepremier Liu He hat nun Provinzregierungen angeordnet, auf die bislang verordneten Coronatests zu verzichten, die chinesische Trucker auf Autobahnen und Bundesstraßen zu stunden- und bisweilen tagelangen Aufenthalten zwingen, mit denen die Logistikketten landesweit immer stärker kompromittiert werden.
Schanghai gibt sich Ruck
In Schanghai als gegenwärtigem Epizentrum der neuen Coronawelle in China hat die Stadtverwaltung nun in Abstimmung mit der Zentralregierung einen neuen Plan zur partiellen Wiedereröffnung von wichtigen Produktionsstätten aufgestellt. Er soll es trotz des harten Lockdowns mit totaler Bewegungseinschränkung Unternehmen in einigen als „Schlüsselindustrien“ eingestuften Branchen ermöglichen, die Produktion wieder aufzunehmen, ohne gegen Coronaprotokolle zu verstoßen. Dazu bedarf es allerdings einer Verpflichtung von Arbeitskräften zu einem mehrwöchigen Daueraufenthalt in den Betrieben, die nach dem Beispiel der Vorkehrungen bei den Olympischen Winterspielen in Peking als eine abgeschlossene und sich selbst versorgende „Corona-Bubble“ fungieren sollen.
Tesla legt wieder los
Zu den wichtigsten Kandidaten für eine Produktionsaufnahme unter dem neuen Schutzprotokoll gehört die in Schanghai extrem wuchtig vertretene Autoindustrie, die Halbleiterbranche und andere Hightech-Unternehmen und Elektronikausrüster. Darunter befinden sich der US-Elektroautobauer Tesla mit seinem Schanghai-Werk, das auch europäische Märkte beliefert, der chinesische Staatsriese Saic mit seinen Joint Ventures für den Bau von Volkswagen- und General-Motors-Markenfahrzeugen, der Zulieferer Bosch sowie Chinas führender Chipauftragsfertiger Semiconductor Manufacturing Industry Co (Smic). Dem Vernehmen nach ist es bei diesen Adressen zur Wochenmitte zur ersten Produktionswiederaufnahme mit der unter dem neuen Protokoll zurückbeorderten Belegschaft gekommen.