Chipbranche setzt zu neuem Rekord an
Von Stefan Kroneck, München
Nach dem Rekordjahr 2021 zeichnet sich für die Chipbranche ab, dass der operative Höhenflug sich auch im laufenden Zwölf-Monats-Turnus fortsetzen könnte. Die Halbleiterindustrie setzt 2022 zu neuen Bestwerten im Umsatz und voraussichtlich in der Profitabilität an. Im zurückliegenden Jahr überschritt der weltweite Chipsektor erstmals die Umsatzschwelle von einer halben Billion Dollar. Nach Angaben des Beratungsunternehmens Gartner sprangen die Erlöse um ein Viertel auf insgesamt 584 Mrd. Dollar.
Ob die Dynamik in dieser Stärke 2022 anhält, hängt unter anderem davon ab, wie sich die Konjunktur in China entwickelt. Zieht der Motor der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt wieder an, könnte der Boom im Geschäft mit elektronischen Bauelementen sogar an Zugkraft gewinnen.
Die Stimmung der Unternehmen ist gut. Die Großkonzerne verbreiten Optimismus. Das verdeutlichten dieser Tage die Zahlen und Prognosen von STMicroelectronics, TSMC, Texas Instruments, Intel und ASML. Sie übertrafen großteils die Erwartungen der Analysten. Daher empfehlen sie Halbleitertitel weiterhin zum Kauf. Am Donnerstag veröffentlicht Infineon ihren Quartalsbericht. Von Deutschlands größtem Halbleiterproduzenten werden ebenfalls überzeugende Nachrichten erwartet.
Die operativ gute Lage der Chipkonzerne steht allerdings in einem deutlichen Kontrast zu der Stimmung an den Märkten. Die Technologiewerte stehen unter Druck. Die Zins- und Inflationssorgen sowie die Ukraine-Krise verunsichern derzeit die Anleger. Vor diesem Hintergrund sind die Aktien der Chipfertiger nicht mehr so gefragt. Die Volatilität an den Börsen nimmt zu. Die Zeiten atemberaubender Kurssprünge von Halbleitertiteln scheint vorerst beendet zu sein. Wer also in der Branche investiert bleibt, braucht derzeit Geduld und starke Nerven.
Auf kurze bis mittlere Sicht stehen operativ die Zeichen für den Halbleitersektor aber weiterhin auf Grün. Denn die Nachfrage ist ungebrochen hoch. Die Anbieter kommen kaum nach, den Bedarf zu decken. Denn die Lieferketten sind nach wie vor angespannt. Die Versorgung mit Chips ist weiter kritisch, insbesondere in der Autoindustrie. Das sind Folgen der Corona-Pandemie. Die Halbleiterhersteller bemühen sich zwar, die Engpässe zu beheben. Sie sind eifrig dabei, in den Aufbau zusätzlicher Produktionskapazitäten zu investieren. Doch das dauert, bis es wirkt. So rechnen Konzerne wie Infineon damit, dass die Chipknappheit erst 2023 überwunden sein könnte. Ob das in ein Überangebot an Halbleitern mündet, ist offen. Dagegen spricht, dass der Bedarf an elektronischen Bauelementen auf lange Sicht hoch bleibt. Denn die durch Corona beschleunigte Digitalisierung, der Trend zu erneuerbaren Energien aufgrund des Klimawandels, die Elektromobilität und die zunehmende Automatisierung in vielen Wirtschaftszweigen sorgen dafür, dass eine ausreichende Versorgung mit Halbleitern eine Grundvoraussetzung für ein stetiges Wirtschaftswachstum in den Industrieländern und in den aufstrebenden Volkswirtschaften ist. Ohne Mikrochips läuft so gut wie nichts mehr.
Insofern trägt das dazu bei, dass die Anbieter auch künftig in der Lage sein werden, mit zweistelligen operativen Margen aufzuwarten. Die Chipknappheit sorgt derzeit in Bezug auf die Profitabilität für zusätzlichen Rückenwind. Wenn der Versorgungsmangel beendet ist, bedeutet das allerdings nicht, dass die Umsatzrenditen der Adressen auf breiter Front in den Keller gehen. Die Zeiten extremer zyklischer Ausschläge sind vorbei. Breit aufgestellte Häuser verfügen über eine gute Basis, durchgehend solide Zahlen zu liefern.