Corporate Governance

Aktieninstitut setzt sich für Reform der Hauptversammlung ein

Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) erhofft sich über dosierte Reformschritte eine Modernisierung der Hauptversammlung.

Aktieninstitut setzt sich für Reform der Hauptversammlung ein

Deutsches Aktieninstitut setzt sich für Reform der Hauptversammlung ein

Emittentenvereinigung will Anfechtungsrecht einschränken und Fragen auch im Präsenz-Format vorab einreichen lassen

swa Frankfurt

Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) spricht sich für eine Professionalisierung und Straffung von Hauptversammlungen (HV) aus. In einem Reformvorschlag zur „Modernisierung“ der Aktionärstreffen schlägt die Emittentenvereinigung vor, an drei Stellschrauben zu drehen: am Beschlussmängelrecht, um für mehr Rechtssicherheit bei HV-Voten zu sorgen, an einer Ausweitung der Vorabeinreichung von Fragen auf die Präsenz-HV und an der Einschränkung von Aktionärsanträgen während der Versammlung.

Zur Vorbereitung des Vorstoßes hat das DAI gemeinsam mit der Anwaltskanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer die Praxis und den rechtlichen Rahmen für Hauptversammlungen in Deutschland, Großbritannien, den Niederlanden, Frankreich, der Schweiz und den USA verglichen.

Strikter Minderheitenschutz

Eine Modernisierung der HV ist aus Sicht des DAI in allgemeinem Interesse. „Gegenwärtig scheitert der Wunsch von Aktionären und Unternehmen nach einem offeneren und lebendigeren Austausch auf Hauptversammlungen vor allem an einem im internationalen Vergleich sehr strikten Beschlussmängelrecht“, sagt Henriette Peucker, Geschäftsführende Vorständin des DAI. Eine zumindest begrenzte Reform könne der Schlüssel für Veränderungen sein.

Die Forderung einer Reform des Beschlussmängelrechts ist ein juristischer Dauerbrenner in der Diskussion über Hauptversammlungen und Aktionärsrechte. Dabei geht es im Kern um die Frage, inwieweit in der Hauptversammlung getroffene Beschlüsse über Anfechtungsklagen rückwirkend wieder kassiert werden können und in welchem Umfang vermeintlich unzureichende Auskünfte des Unternehmens Grund für Aktionärsklagen sein können.

Erpressungspotenzial reduziert

Im Rahmen der Debatte über sogenannte „Berufskläger“ oder „räuberische Aktionäre“ hatte der Gesetzgeber bereits reagiert und dieses Gebaren über die Einführung eines Freigabeverfahrens deutlich entschärft. Aktiengesellschaften wurde es damit ermöglicht, wichtige HV-Beschlüsse trotz schwebender Anfechtungsklagen zu vollziehen. Das Erpressungspotenzial im Zusammenhang mit Kapitalerhöhungen, Umwandlungen oder Unternehmensverträgen war somit erheblich eingedämmt worden. Mit dieser Anpassung im Aktienrecht ist die Zahl der Anfechtungsklagen dann auch stark zurückgegangen.

Aus Sicht des DAI ist die Angst der Unternehmen vor Anfechtungsklagen dennoch geblieben. Nach wie vor könnten „bereits kleine Fehler oder Unvollständigkeiten bei der Beantwortung von Fragen“ dazu führen, dass ein Beschluss der HV mit einer Anfechtungsklage nichtig werde. Dieses „Alles-oder-Nichts-Prinzip“ wird von Unternehmen seit langem kritisiert und eine Differenzierung in den Rechtsfolgen gefordert.

Vorsichtig und formalistisch

Unternehmen sind nach Einschätzung des DAI aus Furcht vor Anfechtungsrisiken „sehr vorsichtig und formalistisch in ihrer Kommunikation“. „Um die Debattenkultur in der Hauptversammlung zu verbessern, empfehlen wir, die rückwirkende Unwirksamkeit von Beschlüssen auf für den Aktionär wesentliche, also schwere Fehler bei der Auskunftserteilung zu beschränken“, sagt die Gesellschaftsrechtlerin Sabrina Kulenkamp, Partnerin der Kanzlei Freshfields. Nicht jede unrichtige oder unvollständige Auskunft rechtfertige die Unwirksamkeit von Hauptversammlungsbeschlüssen.

Als weiteren Reformschritt schlägt das DAI vor, Unternehmen generell die Möglichkeit zu bieten, Fragen bereits vor der Hauptversammlung einreichen zu lassen. Diese Option hat der Gesetzgeber für die virtuelle Hauptversammlung geschaffen, im Präsenz-Format ist es bislang nicht gestattet. Aus Sicht des DAI sollte es den Unternehmen auch überlassen werden, ob sie vorab eingereichte Fragen vor oder in der HV beantworten. Im virtuellen Format müssen Unternehmen dies bis spätestens einen Tag vor dem Aktionärstreffen bewerkstelligt haben.

Investoren suchen direkte Konfrontation

Von Investorenseite gibt es bislang viel Widerstand gegen die Option der Vorabeinreichung von Fragen, sie suchen den direkten Austausch mit Vorstand und Aufsichtsrat während der HV. Aber auch Unternehmen nutzen die Möglichkeit bislang kaum, weil sie befürchten, dass auf elektronischem Weg eine Flut an Fragen eingehen könnte und viele Themen in der HV dann nochmal angesprochen werden.

Juristen warnen zudem, dass schriftlich beantwortete Fragen bei Rechtsstreitigkeiten eine höhere Verbindlichkeit haben als dies bei mündlichen Antworten der Fall ist. Mit der vom DAI vorgeschlagenen Option, schriftlich vorab eingereichte Fragen erst in der HV zu beantworten, wäre dieses Risiko aber vom Tisch. Peucker hält es mit Blick auf die Straffung der HV auch für sinnvoll, dass der CEO schon in seiner Rede auf vorab eingereichte Fragen eingehen kann. „Man kann sich anders auf die HV vorbereiten“, unterstreicht auch Freshfields-Anwältin Kulenkamp.

Gegen Zufallsmehrheiten

Das Aktieninstitut schlägt als weiteren Reformschritt vor, Anträge in der HV nur noch in Ausnahmefällen zuzulassen. Grundsätzlich sollten laut DAI Anträge von Aktionären 14 Tage vor der HV bekannt gemacht werden, um Zufallsmehrheiten zu vermeiden und Zeit für die Meinungsbildung zu geben.

„Die Hauptversammlung in Deutschland sollte so modernisiert werden, dass eine sichere und offene Kommunikation zwischen Vorstand und Aktionären unter Wahrung der Aktionärsrechte möglich ist“, resümiert Kulenkamp. Die Studie gebe dem Gesetzgeber Vorschläge an die Hand, „wie es gelingen kann, die Hauptversammlung zu einem attraktiven Forum des Austauschs für Aktionäre und Unternehmen zu machen“, hofft Peucker und ergänzt in Richtung Politik: „Wir wollen, dass das Thema auf der Agenda bleibt.“

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