RECHT UND KAPITALMARKT

Den Aufsichtsrat gibt es nicht zum Nulltarif

Gremium sollte autonom über Ressourcen zur Ausübung des Amts entscheiden können - Gesondertes Budget nicht erforderlich

Den Aufsichtsrat gibt es nicht zum Nulltarif

Von Andreas Austmann und Georg Seyfarth *) Der Aufsichtsrat bestellt und entlässt die Vorstandsmitglieder, er berät sie und überwacht ihre Tätigkeit. Diese drei zentralen Leistungen des Aufsichtsrats sind nicht zum Nulltarif zu haben. Neben der Vergütung der Aufsichtsratsmitglieder, über welche die Hauptversammlung durch Festlegung in der Satzung oder einfachen Beschluss entscheidet, verursacht die Aufsichtsratstätigkeit Personal- und Sachkosten. Es liegt auf der Hand, dass intensive Personalsuche und sorgfältige Beratung und Überwachung einen höheren Preis fordern als oberflächliches Durchblättern von Unterlagen und rasches Durchwinken von Entscheidungen. Deshalb hängt die Qualität der Aufsichtsratsarbeit auch von den dafür zur Verfügung stehenden Ressourcen ab. Umso erstaunlicher ist es, dass die in den letzten Jahren gestiegenen Anforderungen an die Aufsichtsratstätigkeit in börsennotierten Unternehmen und die gewachsene individuelle Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder sich zwar in höheren Vergütungen für die Aufsichtsratstätigkeit, nicht aber in deutlich besserer sachlicher und personeller Ausstattung des Aufsichtsrats niedergeschlagen haben. Das ist problematisch. Denn hier geht es um nichts Geringeres als die diffizile Machtbalance zwischen Aufsichtsrat und Vorstand. Althergebrachte juristische Auffassungen werden hier nicht selten ins Feld geführt, um dem Engagement des Aufsichtsrats Grenzen zu setzen.Das beginnt bereits beim Aufwendungsersatz. Von Rechts wegen hat jedes Aufsichtsratsmitglied – unabhängig von seiner Vergütung – einen Anspruch auf Ersatz angemessener Aufwendungen für die Wahrnehmung des Amtes. Aber wer soll darüber entscheiden, ob die Kosten für die Anreise zur Aufsichtsratssitzung, zum Beispiel für Transportmittel und Hotel, angemessen und damit erstattungsfähig sind? Nach immer noch verbreiteter Auffassung soll der Vorstand diese Entscheidung treffen, einige wollen dem Aufsichtsrat in Streitfällen ein Letztentscheidungsrecht einräumen. In eigener HandEs geht aber doch gar nicht an, dass der Vorstand auch nur theoretisch einem Aufsichtsratsmitglied die möglicherweise teure Anreise aus dem Auslandsurlaub zu einer Aufsichtsratssitzung oder die Wahrnehmung eines Ortstermins mit einem Berater durch Versagung des Kostenersatzes erschweren könnte. Deshalb muss die Entscheidung über den Ersatz von Auslagen für die Aufsichtsratstätigkeit ausschließlich in der Hand des Aufsichtsrats liegen. Im Rahmen seines Selbstorganisationsrechts kann sich der Aufsichtsrat selbst eine Regelung in der Geschäftsordnung oder eine Kostenrichtlinie geben. In Streitfällen sollte ein Aufsichtsratsmitglied die Entscheidung in das Plenum des Aufsichtsrats oder zu einem dafür nach der Geschäftsordnung oder Kostenrichtlinie zuständigen Ausschuss eskalieren können. Der Vorstand hat damit nur ganz am Rande zu tun: Er bleibt selbstverständlich für die Kosten des Unternehmens insgesamt verantwortlich, und dazu gehören auch die Kosten des Aufsichtsrats. Wenn er insgesamt oder in Einzelfällen Auswüchse feststellt, hat er einzuschreiten, nicht anders als der Aufsichtsrat gegenüber dem Vorstand, der es möglicherweise mit dem eigenen Aufwendungsersatz übertreibt.Die Rechtsauffassung, dass der Aufsichtsrat autonom über die Angemessenheit seiner Aufwendungen entscheidet, bricht sich zu Recht heute immer mehr Bahn und kann inzwischen als verlässliche Handlungsgrundlage gelten. Einige wollen noch weiter gehen und dem Aufsichtsrat ein eigenes Budget zuerkennen, über das – wie über die Vergütung – die Hauptversammlung, nach vereinzelter Auffassung sogar Vorstand und Aufsichtsrat im Einvernehmen miteinander, zu entscheiden hätte. Damit soll – über die Autonomie beim Aufwendungsersatz hinaus – verhindert werden, dass der Vorstand überhaupt Einblick in die kostenrelevante Tätigkeit des Aufsichtsrats erhält. Das ist allerdings ein seltsames Anliegen. Denn eine einblicksfreie Zone sollte es im System der Checks and Balances der drei Organe Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung nicht geben. Es ist auch unklar, warum der (nachlaufende) Einblick des Vorstands in die Kostenverursachung durch den Aufsichtsrat diesen von erforderlichen Überwachungsmaßnahmen abhalten sollte. Wenn der Aufsichtsrat sinnvoll agiert, wird er keine Probleme damit haben, die dabei verursachten Kosten im Nachhinein zu rechtfertigen, falls diese infrage gestellt werden. Auch die allgemeine Prognoseunsicherheit spricht gegen die Einräumung eines Budgets für den Aufsichtsrat: Im Voraus lässt sich nur ganz selten sicher genug sagen, welche Aufwendungen der Aufsichtsrat tätigen muss. Man denke nur an die unvermeidliche Intensivierung der Aufsichtsratstätigkeit in einer Krise des Unternehmens oder bei der Untersuchung möglichen Fehlverhaltens des Vorstands.Wenn man daher den Budgetgedanken zu Recht verwirft, erübrigt sich auch die Frage, ob der Aufsichtsrat über eigene Bankkonten verfügen oder zumindest eigene Bankvollmachten haben sollte. Das ist nicht erforderlich. Weil es bei Aufwendungsersatz verbleibt, kann der Aufsichtsrat die Bankgeschäfte nach seiner Anweisung getrost den üblichen Stellen im Unternehmen (und damit dem Verantwortungsbereich des Vorstands) überlassen. Knapp gehaltenTraditionell werden Aufsichtsräte in der logistischen Ausstattung des Amtes eher knapp gehalten. Dies rührt aus einer Zeit, zu der die Aufsichtsratsvorsitzenden meistens zugleich in einem anderen Unternehmen den Vorstandsvorsitz innehatten und die Ressourcen dieses Unternehmens kurzerhand für die Ausübung ihrer Aufsichtsratstätigkeit bei dem anderen Unternehmen einsetzten. Nach dem weitgehenden Verschwinden der Deutschland AG und ihrer Personalverflechtungen treffen wir indessen als Aufsichtsratsvorsitzende heute vielfach pensionierte Vorstandsmitglieder an, die ihren zum Teil vielfältigen Aufsichtsratsämtern berufsmäßig nachgehen. Es sollte dieser Tage bei börsennotierten Unternehmen selbstverständlich sein, hat sich aber immer noch nicht flächendeckend durchgesetzt, dass jedes Unternehmen seinem Aufsichtsrat ein funktionierendes Büro, das heißt Räumlichkeiten, IT und Personal, zur Verfügung stellt, das unter der Leitung des Aufsichtsratsvorsitzenden steht und von allen Aufsichtsratsmitgliedern genutzt werden kann. Die Ausstattung eines solchen Büros, insbesondere mit Personal, hängt von der Größe des Unternehmens und dem Umfang der Überwachungstätigkeit des Aufsichtsrats ab und kann im Zeitablauf je nach Aufgabenanfall schwanken. In jedem Fall ist sicherzustellen, dass das dort tätige Personal vom Vorstand weisungsfrei gestellt ist und nur den Anordnungen des Aufsichtsrats unterliegt. Expertise, die im Aufsichtsratsbüro nicht dauernd vorzuhalten ist, darf der Aufsichtsrat durch externe Berater und Sachverständige einholen. Dies gilt etwa für die Personalsuche (Headhunter), die Ausgestaltung der Vorstandsvergütung (Vergütungsberater), die gesetzlich geforderte Stellungnahme des Aufsichtsrats bei einem Übernahmeangebot, interne Untersuchungen der Ordnungsmäßigkeit des Vorstandshandelns und Regressprozesse gegen Vorstandsmitglieder (Rechtsberater) und schließlich in besonderen Situationen auch für Kommunikationsberater. In wichtigen Fällen ist es sogar von Rechts wegen erforderlich, dass der Aufsichtsrat externe Hilfe in Anspruch nimmt. Dadurch verursachte Kosten, sofern die Angemessenheit gewahrt ist, stellen ebenfalls ersatzfähige Aufwendungen dar. In diesen besonderes Know-how erfordernden Situationen geht es stets um die Beratung des Aufsichtsrats als Organ. Diese ist abzugrenzen von der individuellen Beratung einzelner Aufsichtsratsmitglieder, deren Kosten grundsätzlich nicht erstattungsfähig sind.—-*) Dr. Andreas Austmann und Dr. Georg Seyfarth sind Partner von Hengeler Mueller in Düsseldorf.