Distress Index

Deutsche Unternehmen stehen unter Stress

Die hiesigen Standortnachteile setzen vielen in Deutschland ansässigen Unternehmen zu. Sie haben mehr mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen als Firmen aus anderen großen Volkswirtschaften Europas.

Deutsche Unternehmen stehen unter Stress

Deutsche Unternehmen stehen unter Stress

Analyse der Anwaltskanzlei Weil zeigt Zunahme von Firmenkrisen in Europa

hek Frankfurt

Mehr und mehr Unternehmen in Europa befinden sich in einer finanziellen Notlage. Das zeigt der European Distress Index der Anwaltskanzlei Weil, Gotshal & Manges. Besonders anfällig für Notlagen seien kapitalintensive und stark fremdfinanzierte Branchen sowie kleinere Unternehmen. Regional sei Deutschland im Vergleich zu Großbritannien, Frankreich, Spanien und Italien der am stärksten belastete Markt.

Deutschland die schwächste Region

Der Weil-Index berücksichtigt 3.750 börsennotierte Unternehmen in Europa. Die aktuellen Daten beziehen sich auf das erste Quartal 2024. In Deutschland bewegt sich der Stresspegel der Analyse zufolge auf ähnlichem Niveau wie während der frühen Pandemie-Monate Mitte 2020. Das Land sei von Investitionszurückhaltung, Liquiditätsengpässen und Rentabilitätsproblemen betroffen, die Wirtschaft wachse nur langsam. Die Abhängigkeit von Exporten und der rigide Arbeitsmarkt erhöhten die Risiken. Der Industriesektor in Deutschland werde besonders durch hohe Zinsen, Fachkräftemangel und umfangreiche Vorschriften belastet. Das führe zu mehr Insolvenzen. Das Land gelte derzeit „als das schwächste unter den fortgeschrittenen Volkswirtschaften“.

„Es ist zu erwarten, dass kapitalintensive und stark fremdfinanzierte Unternehmen weiter unter Druck stehen werden“, meint Andrew Wilkinson, Senior European Restructuring Partner von Weil. Am stärksten betroffen seien Gesellschaften aus Industrie, Einzelhandel und Immobilien.

Kleine leiden besonders

Kleinere Unternehmen hätten in der Regel ein schlechteres Kreditrating. Sie seien daher anfälliger für Zinserhöhungen. Größere Gesellschaften seien zwar den gleichen Marktbedingungen ausgesetzt, profitierten aber von vielfältigeren Finanzierungsmöglichkeiten und größeren Liquiditätsreserven. Nach Einschätzung von Weil nimmt die Kluft zwischen kleinen und großen Firmen sogar zu. Die Unternehmensgröße habe einen stärkeren Einfluss auf das Stressniveau als bisher.

Unter den Branchen zeigt der Immobilienmarkt nach wie vor den höchsten Stresslevel in Europa. Der kapitalintensive Sektor leidet besonders unter gestiegenen Zinsen, sinkenden Immobilienwerten und ins Stocken geratenen Transaktionsmärkten. Unternehmen mit hohen Schulden kämpfen mit Refinanzierungsschwierigkeiten.

Fehlende Zulieferungen setzen der Industrie zu

In der Industrie hätten die Notlagen seit dem vorangegangenen Quartal zugenommen, berichtet Weil. Der Sektor sei für Kapitalintensität und seine Anfälligkeit für Konjunkturschwankungen bekannt. Nun kämen Unterbrechungen in den Lieferketten hinzu, vor allem durch die Gefahren im Roten Meer. Einige Unternehmen hätten Produktionen einstellen müssen. Fast die Hälfte (45%) der analysierten Industriefirmen sei in Deutschland ansässig. Das weise auf „einen kritischen Punkt, an dem regionale wirtschaftliche Anfälligkeit und sektorspezifische Herausforderungen zusammentreffen“.

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