Deutsche Unternehmen zieht es nach Frankreich
wü Paris
Zwei von der Covid-Pandemie geprägte Jahre hin oder her: Deutsche Unternehmen sind in Frankreich so zufrieden wie nie zuvor. Das ist die wichtigste Erkenntnis der Studie, die die deutsch-französische Industrie- und Handelskammer alle zwei Jahre in Zusammenarbeit mit EY zur Situation deutscher Unternehmen in Frankreich erstellt. „Knapp 90% der Unternehmen sind zufrieden“, sagt Patrick Brandmaier, der Generaldirektor der Industrie- und Handelskammer, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Das ist ein Rekordwert.“ Und ein Anstieg um 8 Prozentpunkte im Vergleich zu 2020.
Gleichzeitig hat das Geschäftsniveau wieder den Stand vor der Krise erreicht. Nur 16% der befragten Unternehmen haben seit Ausbruch der Krise einen Rückgang ihrer Aktivitäten von mehr als 5% verbucht. Dagegen geben 84% an, dass es für sie mindestens so gut wie vor Ausbruch der Pandemie läuft, wenn nicht sogar besser. „Auftragseingang und Umsatz sind wieder da“, sagt Brandmaier. „Auch das Investitionsklima hat sich verbessert.“
Das liege auch an den Reformen, die Frankreich während der ersten Amtszeit von Präsident Emmanuel Macron angegangen ist, meint Brandmaier. So sei beispielsweise das Arbeitsrecht gelockert worden. Bis zu der Reform war es relativ schwierig, in Frankreich Mitarbeiter zu entlassen. „Das hat gezeigt, dass der Wille, zu reformieren, in Frankreich da ist“, meint Brandmaier. Als weitere Beispiele nennt er das während der Pandemie beschlossene Krisenpaket, bei dem Frankreich nach dem Vorbild Deutschlands auf Kurzarbeit zurückgegriffen hat, um einen massenhaften Anstieg der Arbeitslosigkeit zu verhindern. Auch sei die Produktionssteuer innerhalb von zwei Jahren 2020/21 um 10 Mrd. Euro gesenkt worden.
All das hat das Vertrauen der deutschen Unternehmen in Frankreich gestärkt. Resultat: 2021 war Deutschland nach langen Jahren wieder der größte Auslandsinvestor in Frankreich vor den USA mit fast 300 Projekten. Zusätzlich zu den bestehenden 320000 Arbeitsplätzen sind so nach Angaben Brandmaiers 8000 neue dazugekommen. Gleichzeitig war Frankreich mit 1222 angekündigten Investitionsprojekten das attraktivste Land in Europa für Auslandsinvestitionen.
Zu den deutschen Unternehmen, die gerade in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Eurozone investiert haben, gehört BASF. Der Chemiekonzern will 300 Mill. Euro in den Standort Colmar investieren, wo eine neue hochautomatisierte Plastikproduktion und 60 Arbeitsplätze entstehen sollen. Claas wiederum will einen zweistelligen Millionenbetrag in das Traktorenwerk investieren, das der deutsche Landmaschinenspezialist 2008 von Renault übernommen hat. Er hat gerade ein Traktoren-Ausbildungszentrum in Frankreich eingeweiht. ZF Friedrichshafen investiert in der Bretagne zum Thema Autonomes Fahren. Sartorius wiederum will vier Standorte in Frankreich ausbauen und so 300 Arbeitsplätze schaffen.
All diese Investitionen stehen nach Angaben Brandmaiers trotz des inzwischen unsicheren Umfeldes nicht auf dem Prüfstand. Die größeren und mittleren Unternehmen hätten gegen die Energiepreise gehedgt und seien deshalb relativ optimistisch für das laufende Jahr, sagt er. Doch insgesamt bereiteten die hohen Energiepreise und die Inflation, die auch zu Lohndruck führten, große Sorgen. „Die deutschen Unternehmen in Frankreich erwarten ein sehr schwieriges Jahr 2023, sind aber ab 2024 wieder optimistischer.“
Diesen Grundoptimismus erklärt der Generaldirektor der deutsch-französischen Industrie- und Handelskammer mit dem insgesamt seit der Wahl Macrons 2017 verbesserten Geschäftsklima. „Man sieht es an den Zahlen, dass Frankreich seine Hausaufgaben gemacht hat“, sagt er. Das sollte die deutsche Wirtschaft auch anerkennen. Die Wiederwahl Macrons, dessen Wirtschaftsminister Bruno Le Maire auch während der zweiten Amtszeit wieder Wirtschaftsminister sei, sorge für Kontinuität. Die Erwartungshaltung deutscher Unternehmen in Frankreich sei klar, erklärt Brandmaier. „Sie möchten, dass die Regierung den Reformkurs der ersten Amtszeit Macron fortsetzt.“ Herzstück dabei sei die geplante Rentenreform, die jedoch von 80% der Franzosen abgelehnt wird. „Das wird für die Regierung von Premierminister Élisabeth Borne nicht einfach werden.“