Marc Laubenheimer, EV Digital Invest

„Die Investoren­präferenzen haben sich verändert“

Kurz nach dem Börsengang hat der Schwarmfinanzierer EV Digital Invest seine Strategie angepasst. Die Ausgaben sollen nun weniger aggressiv steigen, sagt Co-CEO Marc Laubenheimer.

„Die Investoren­präferenzen haben sich verändert“

Von Helmut Kipp, Frankfurt

Der Börsengang im Frühjahr hat dem Schwarmfinanzierer EV Digital Invest nicht nur frisches Kapital, sondern auch mehr Reichweite beschert. „Unser Geschäft lebt von einer gewissen Bekanntheit bei Leuten, die bei uns investieren, und bei den Projektentwicklern, die wir finanzieren“, sagt Co-CEO Marc Laubenheimer. „Da hat uns das IPO deutlich vorangebracht.“

Des Weiteren helfe die Börsennotierung bei der Anwerbung von Talenten und Mitarbeitern. „Allein in der Woche der IPO-Ankündigung sind mehr Bewerbungen eingegangen als vorher in einem Quartal“, sagt der Chef im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Infolge des Listings werde EV Digital Invest als professionelleres Unternehmen wahrgenommen.

Nach wie vor ist die Immobilien­investmentplattform das bisher einzige operativ tätige Unternehmen, das im laufenden Jahr an die Frankfurter Börse kam. Seit 3. Mai notiert die Aktie im wenig regulierten Einstiegssegment Scale. Platziert wurden die Wertpapiere in der Mitte der Preisspanne von 13,50 bis 14,50 Euro. Die Kursentwicklung enttäuscht, notiert die Aktie doch aktuell unter 9 Euro. Der Börsenwert ist mit knapp 40 Mill. Euro gering.

EV Digital Invest sammelt über ihre Plattform Geld von Anlegern ein und verleiht es als Mezzanine-Darlehn an Immobilienprojektentwickler. Die Geldgeber haben in der Vergangenheit nach Firmenangaben zwischen 4 und 7% Jahresrendite erzielt. Für ihren Marktauftritt nutzt der Börsenneuling die im Immobiliengeschäft bekannte Marke „Engel & Völkers“. Dafür wurde ein Lizenzvertrag geschlossen. Großaktionär ist das Versorgungswerk der Zahnärztekammer Berlin.

Zinsanstieg vorteilhaft

Primäre Intention des Börsengangs sei es gewesen, Anlegern, die Finanzierungen über die Online-Plattform zeichnen, die Möglichkeit zu geben, sich am Unternehmen zu beteiligen. Mit Blick auf den kleinen Streubesitzanteil von 10% kann sich Laubenheimer grundsätzlich die Platzierung weiterer Anteile vorstellen, „aber nicht in dieser Marktphase“. Auch ein Uplisting in den Prime Standard sei langfristig ein Thema.

Der Zinsanstieg und die gesamtwirtschaftlichen Unsicherheiten infolge des Ukraine-Kriegs haben das Management bewogen, wenige Monate nach dem IPO die Strategie anzupassen. Nicht mehr das größtmögliche, sondern „kosteneffizientes und risikoaverses Wachstum“ steht nun im Vordergrund. Das bedeutet: Die Ausgaben für Personal, Marketing und Dienstleister steigen langsamer als geplant. Damit einher geht ein geringeres Wachstum.

„Die Investorenpräferenzen haben sich verändert“, begründet Laubenheimer den Strategiewandel. „Daher sind wir jetzt weniger aggressiv bei den Ausgaben.“ Der operative Gesamtaufwand soll im laufenden Jahr um 3,2 Mill. Euro niedriger ausfallen als bisher geplant und noch 7,4 Mill. Euro erreichen.

Die operativen Gesamteinnahmen werden nun auf 5,5 Mill. bis 6 Mill. Euro veranschlagt statt 8,5 Mill. Euro in der Analystenschätzung für den Börsengang. Den um die IPO-Kosten bereinigten Verlust vor Zinsen und Steuern siedelt EV Digital Invest jetzt bei 1,7 Mill. Euro an. Das sei deutlich weniger als zuvor geschätzt. „Das neue Vorgehen passt zur DNA und zu dem Ansatz, nach dem wir schon immer gewirtschaftet haben“, betont Laubenheimer.

Im vergangenen Jahr habe man bereits am Break-even gestanden. Dorthin will der Crowdfinanzierer 2023 zurückkehren. Die geplanten mittel- bis langfristigen Wachstumsraten werden weiterhin im mittleren zweistelligen Prozentbereich, also +/−50% im Jahr, angesiedelt bei einer Marge vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von 20%.

Die gestiegenen Zinsen wertet Laubenheimer als Vorteil, denn sie führten zu höheren Gebühreneinnahmen. „Nominal bleibt mehr pro finanziertem Projekt hängen“, sagt der Vorstand, der zusammen mit Tobias Barten das Unternehmen leitet. „In dieser Hinsicht ähnelt unser Geschäftsmodell einer Geschäftsbank.“ Im ersten Halbjahr seien die durchschnittlichen Revenues pro Projekt um über 60% zum Vorjahr gestiegen.

Auch den nachlassenden Konkurrenzdruck am Finanzierungsmarkt führt Laubenheimer auf die Zinswende zurück. Einige Wettbewerber, die in guten Zeiten sehr aggressiv unterwegs gewesen seien, kämpften nun mit Ausfällen. Das schränke sie bei neuen Finanzierungen ein, weil Geld verloren worden sei und Crowdanleger zögern, diesen Anbietern weiter Kapital zu geben.

„Wir haben eine konservativere Haltung“, betont Laubenheimer. „Wir legen großen Wert auf eine umfassende Due Diligence. Die interne Einschätzung wird durch externe Gutachter wie Bulwiengesa, CBRE und Mazars abgesichert. Gerade in schwierigen Zeiten zahlt sich das aus.“

Wettbewerber sind Mezzanine-Finanzierer wie Helvetic Financial Services (HFS), spezialisierte Banken sowie andere Crowdplattformen wie Exporo. Die Corestate-Tochter HFS steckt in der Bredouille, weil der von ihr beratene Stratos-II-Fonds eingefroren werden musste. Exporo kämpft mit Problemen bei den finanzierten Projekten.

Weil bei Konkurrenten Finanzierungskapazitäten wegbrächen, stünden Darlehnsnehmern, also den Projektentwicklern, weniger Quellen für Mezzanine-Kapital und anderen Eigenkapitalersatz zur Verfügung. „Daher können wir höhere Margen durchsetzen“, sagt Laubenheimer. Die finanzierten Projekte würden engmaschig getrackt. Sie müssten monatlich einen Controllingreport einreichen mit Angaben zu Ausgaben, Kosten und Vertragsabschlüssen.

Puffer in der Planung

„Schlecht gemanagte Immobilienprojekte haben im Markt in der Vergangenheit noch funktioniert, weil die Preise weiter gestiegen sind. Das ist jetzt vorbei“, sagt Laubenheimer. Neben den höheren Zinsen machen den Projektentwicklern Engpässe bei Zulieferungen und die starke Verteuerung von Baumaterialien zu schaffen. Zudem hat sich die Nachfrage abgeschwächt.

EV Digital Invest selbst habe bisher keine Ausfälle unter den finanzierten Projekten, versichert Laubenheimer: „Wir achten immer auf Puffer in der Zeit- und Kostenplanung.“ Verzögerungen könnten immer vorkommen, gerade jetzt bei fehlenden Baustoffen. Ein solide finanziertes Projekt halte das aber aus.

Die Hälfte der Finanzierungen entfällt auf Wohnimmobilien. Büro-, Logistik- und Hotelprojekte erreichen ebenfalls zweistellige Anteile. Vor allem Logistikimmobilien seien stark gefragt, berichtet Laubenheimer. Denn viele Unternehmen holen Lieferketten zurück nach Deutschland und halten höhere Warenbestände. Zudem ist der Versandhandel im Zuge der Pandemie stark gewachsen.

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