GASTBEITRAG ZUR SERIE: INTERNET DER DINGE (TEIL 7)

Die neue Intelligenz der Städte

Börsen-Zeitung, 27.6.2017 Berlin im Jahr 2030: Auf den Straßen surren Elektroautos, vollautomatisiert und internetfähig. Berufspendler erkennen in Echtzeit, wann und wo der Umstieg auf öffentliche E-Verkehrsmittel lohnt, möglichst stau- und...

Die neue Intelligenz der Städte

Berlin im Jahr 2030: Auf den Straßen surren Elektroautos, vollautomatisiert und internetfähig. Berufspendler erkennen in Echtzeit, wann und wo der Umstieg auf öffentliche E-Verkehrsmittel lohnt, möglichst stau- und emissionsfrei. Längst kommt die Energie vor allem aus regenerativen Quellen. Virtuelle Kraftwerke, die Strom je nach Bedarf ins Netz einspeisen oder speichern, haben die großen konventionellen Anlagen ersetzt. Das und noch mehr gehört zur Vision der Smart City, der intelligenten Stadt der Zukunft.Schon jetzt bieten Unternehmen dafür Lösungen – vielseitige Unternehmen, die Kompetenzen in Mobilitäts-, Energie-, Gebäude- und Sicherheitstechnik zusammenführen können. So hat etwa Bosch binnen zwei Jahren seinen Umsatz mit bereichsübergreifenden Cross-Selling-Projekten verdoppelt. Die breite Aufstellung ist ein Schlüssel, um den Weg in die vernetzte Stadt technisch wie geschäftlich zum Erfolg zu machen.Es ist die rasante Urbanisierung mit ihren Begleiterscheinungen, die den nötigen Druck erzeugt, Leben in den Städten intelligenter, effizienter und komfortabler zu gestalten. Zu groß sind die Herausforderungen, um untätig zu bleiben. 2050 werden voraussichtlich weltweit mehr als sechs Milliarden Menschen urbane Räume bewohnen – doppelt so viele wie heute. Schon jetzt schlucken Städte rund 75 % der weltweit verbrauchten Energie, allein die Gebäude kommen auf 40 %. Berufspendler verbringen heute bereits 42 Stunden pro Jahr im Stau, in einer Stadt wie Tokyo kommen Autofahrer im Schnitt gerade mal mit 15 Kilometern pro Stunde voran – immerhin schneller als eine Schnecke, aber nicht schneller als ein Radfahrer. Zufall ist es nicht, dass bereits 86 % der großen Städte in aller Welt den Nutzen von Investitionen in ein intermodales Verkehrskonzept sehen, das auf die Vernetzung des Autos mit Bahnen, Bikes und Bussen setzt. Insgesamt wächst der weltweite Smart-City-Markt bis 2020 voraussichtlich pro Jahr um 19 % auf bis zu 700 Mrd. Euro – auch das macht ihn attraktiv für Unternehmen wie Bosch.Vor allem aber soll smarte Technik den Alltag in den Städten einfacher machen und helfen, Energie und Betriebskosten zu senken. Pionierprojekte, die den Weg zur Smart City aufzeigen, gibt es längst. Derzeit entstehen Planstädte, zum Beispiel die New Songdo City in Südkorea oder die Ökostadt Masdar in Abu Dhabi. Solche Großprojekte vom Reißbrett setzen von Anfang an auf vernetzte und umweltfreundliche Technik. Damit zeigen sie zwar die Richtung der Stadtentwicklung auf, sie eignen sich aber kaum unmittelbar als Vorbild für bestehende Städte, die brachliegende Flächen für die Modernisierung nutzen wollen.Deutlich näher an der Wirklichkeit der Stadtplaner ist ein Großprojekt in San Francisco. Hier werden, wie in anderen Westküstenmetropolen der USA, Industriebrachen geradezu für ein Smart-City-Upgrade genutzt. Auf dem Gelände einer alten Navy-Werft und eines ausgedienten Football-Stadions wachsen die neuen Stadtteile The San Francisco Shipyard und Candlestick Point. Geplant sind 12 000 Häuser, ein großes Einkaufszentrum, zahlreiche Bürogebäude sowie 300 Künstlerateliers. Dies ist das größte Stadtentwicklungsprojekt in der Geschichte San Franciscos seit dem Erdbeben 1906.Entscheidend jedoch ist nicht die Größe, sondern die Intelligenz, die in den neuen Stadtteilen steckt. Die smarten Lösungen erarbeitet Bosch als technischer Partner des Projektentwicklers Fivepoint. Für die Verwaltung entsteht zum Beispiel eine City-Data-Plattform – wesentlich für das Monitoring aller vor Ort entstehenden Daten, sei es aus Verkehrs-, Energie- oder auch Sicherheitssystemen. Dazu bekommen die Einwohner eine Smart Community App – sei es, um Zutrittskontrollsysteme einzustellen oder um lokalisierte Echtzeit-Informationen über öffentliche Verkehrsmittel abzurufen. Mehr Sicherheit, weniger Stress: Das sollen die Menschen in der vernetzten Stadt spüren.Weitere Lösungen sind geplant – zur effizienten Verkehrsführung, zur sparsamen Energieversorgung und nicht zuletzt zur Vernetzung von Hausgeräten, Heizungen und Sicherheitstechnik in den Wohngebäuden. Ohne Smart Home keine Smart City. Gerade unterzeichnet wurde auch die Zusammenarbeit mit der chinesischen Stadt Tianjin: die Metropole mit mehr als 15 Millionen Menschen Einwohnern soll intelligent gemacht werden. Diese Art der Intelligenz steht und fällt mit dem Internet der Dinge. Ein breites Produktportfolio – das ist nur das eine, um das Konzept der Smart City zu realisieren. Das andere ist die Vernetzung der verschiedenen Systeme und Domänen, und auch dafür hat Bosch das nötige Know-how: mit 27 Millionen vernetzten Erzeugnissen, die bereits 2016 verkauft worden sind, mit einer Cloud für das Internet der Dinge, auf der bereits 70 eigene Service-Projekte laufen. Das Geschäft mit der Smart City läuft derzeit hoch. In 14 verschiedenen Metropolen treibt Bosch inzwischen Leitprojekte voran – in jedem zweiten geht es dabei um urbane Mobilität. Auch hier zeigt sich: Es ist der Alltag des Stop-and-go, mit dem das Smart-City-Geschäft in Fahrt kommt.Wie sehr internetbasierte Lösungen den Stadtverkehr entlasten können, deutet sich im Großraum Stuttgart an. Beispiel Mobilitätsassistent – eine App, die intermodale Routenführung ermöglicht. Damit lässt sich die Fahrt mit unterschiedlichen Verkehrsmitteln – egal ob mit Bikes, Bahnen, Bussen oder auch Autos – planen, buchen und bezahlen. Nicht weniger entlastend wirkt die Abkürzung der Parkplatzsuche, die bisher 30 % des innerstädtischen Verkehrs ausmacht. Dazu testet Bosch das smarte Parkraum-Management mit 2 500 Sensoren auf Park-and-Ride-Plätzen entlang zweier Stuttgarter S-Bahn-Linien. Diese Sensoren sind internetfähig und zeigen in Echtzeit die Parkplatzauslastung an. Die schlaue Stadt ist keine Utopie, sie wird mit jedem neuen Projekt Wirklichkeit.—-Zuletzt erschienen:- Wal-Mart und Amazon erweitern die Kampfzone (23.6.2017)- Die Netze stehen, das Geschäft fehlt noch (22.6.2017)- Interesse an “Facebook of Things” (20.6.2017) —-Stefan Hartung, verantwortet als Geschäftsführer bei Robert Bosch die Unternehmensbereiche Energy and Building Technology sowie Industrial Technology