KAPITALERHÖHUNGEN

Die Not der Investoren

Es ist ein gewaltiger Betrag: Das Aktienemissionsvolumen des Corona- und Krisenjahres 2020 beträgt bis dato 712 Mrd. Dollar. Das ist schon jetzt so viel wie zu dieser Zeit zuletzt im Jahr 2015 - und 2020 könnte sich am Ende als das Jahr mit dem...

Die Not der Investoren

Es ist ein gewaltiger Betrag: Das Aktienemissionsvolumen des Corona- und Krisenjahres 2020 beträgt bis dato 712 Mrd. Dollar. Das ist schon jetzt so viel wie zu dieser Zeit zuletzt im Jahr 2015 – und 2020 könnte sich am Ende als das Jahr mit dem größten Emissionsvolumen aller Zeiten erweisen, stärker noch als 2009 und 2015. Es gibt zwar deutlich weniger Börsengänge, dafür aber umso größere und zahlreichere Kapitalerhöhungen, Umplatzierungen und Wandelanleihen.Es scheint so, als stünden Investmentbanken und die Investoren in der Krise fest an der Seite der Unternehmen. Solide deutsche Konzerne wie RWE, Infineon und Teamviewer erhalten ohne Murren oder Misstrauen Milliardenbeträge – zu moderaten Abschlägen von nur 3 % oder 4 % auf den Kurs. Nicht nur Unternehmen, die mit frischem Kapital Chancen für ihre Expansion nutzen wollen oder einfach solide Vorsicht walten lassen, bekommen die Kassen gefüllt. Selbst in offensichtlich angeschlagene Krisenopfer wie den Reisebuchungskonzern Amadeus oder den Kreuzfahrtriesen Carnival wird genug Vertrauen gesetzt, um einen Milliardenbetrag zu überweisen.Das alles klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Und tatsächlich ist es auch nur die Hälfte der Wahrheit. Die voluminösen Kapitalerhöhungen der Unternehmen rund um die Welt sind seltener aus der Not geboren und erfolgen öfter aus Vorsicht oder um die gute Gelegenheit zu nutzen. Dennoch sind die Kapitalerhöhungen in diesem Umfang und zu diesen für die Unternehmen günstigen Konditionen auch aus einer anderen Not geboren, die nicht bei den Unternehmen entstanden ist – nämlich aus der Not der Investoren.Angesichts von Nullzins-Zeiten mit negativen Renditen aus sicheren Staatsanleihen sind Aktien gewissermaßen alternativlos. Irgendwo müssen die vielen Billionen, die aus lockerer Geldpolitik und beispiellos riesigen staatlichen Konjunkturprogrammen zur Verfügung stehen, angelegt werden. Ein Teil des Überflusses fließt nun in neue Aktien alter Konzerne. Die Bewertungen von US-Aktien – gemessen am Kurs-Gewinn-Verhältnis des S&P 500 – haben sich dabei schon stark dem oberen Ende der historischen Bandbreite angenähert. Sie waren selten teurer als jetzt. Das gilt vor allem für Technologieaktien, deren Hausse wiederum stark von Privatanlegern getrieben wird. Insofern könnte sich auch das hohe Aktienemissionsvolumen, so erfreulich es erscheint, als Begleiterscheinung einer Überbewertung erweisen, die korrigiert wird.